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„Mann, David. Wie lange willst du denn noch so doof dasitzen?... Hallo? David?... Hey. David. Hey. Huhuuuu. Hölle an Daviiiiiid. Oh verflucht, Ich habe mich eingeschissen! ... Alter, du Hu-„
Ein Schlag gegen meinen Hinterkopf reißt mich brutal aus meinen Gedanken und zerrt mich zurück in die Gegenwart. Ein Blick nach oben und ich sehe in das Gesicht meines jüngeren Bruders, der wie wild mit der Hand vor seinem Gesicht herumwedelt.
„Bist du jetzt endlich wieder da?!"
„Ja! Bin ich!", kläffe ich gereizt und halte meinen pochenden Hinterkopf. Wie viel Kraft hat dieser Idiot? Das tut richtig weh!
„Dann sag mir endlich, was es mit dieser Wunde an deinem Kinn auf sich hat. Damit sieht dein Gesicht ja hässlicher aus als sonst."
Ich beäuge ihn warnend. Der soll bloß aufpassen. Ich bin gerade absolut nicht in der Stimmung.
Sofort erhebt dieser ergeben die Arme.
„Schon gut. Aber jetzt ernsthaft, David. Morax hat richtig angepisst die Wohnung verlassen und du saßt wie ein beleidigtes Kleinkind auf deinem Bett und nur hast die Bettdecke angestarrt. Was habt ihr bitte beredet? Hast du den Auftrag gekriegt oder nicht?"
Unbewusst gleitet meine Hand an mein Kinn und ich berühre die Wunde, die mir Morax zugefügt hat, während ich in die großen, unschuldigen, blauen Augen meines Bruders starre. Mir wird klar, dass ich ausnahmsweise kein Arschloch sein und Morax verpfeifen darf. Das würde unsere Familie zerstören. Denn während Akuma und ich erwachsen genug sind und Morax als Gleichen ansehen, sieht Sammael zu ihm auf und spricht immer wieder davon eines Tages so werden zu wollen wie er. Dabei redet er nicht von Morax Brutalität, sondern von seinem Fähigkeiten als Seelenräuber und seiner Führungskraft. Morax ist auf seinem Gebiet mit Sicherheit der Beste. Aber Momente wie vorhin zeigen, dass das Leben als rechte Hand des Herren ihn negativ beeinflusst. Auch wenn wir nicht wissen, wie Morax so drauf war, bevor er dazu auserwählt wurde. Doch weder ich und Aki haben das Recht Sammaels Vorstellung von Morax zu zerstören. Er muss für sich selbst über Morax herausfinden und entscheiden.
Ich nicke und löse meine Hand von meinem Kinn.
„Ich habe den Auftrag. Und geredet haben wir Nichts besonderes. Nur, dass die letzte Seele ein Mädchen ist.", lüge ich, oder erzähle nur die halbe Wahrheit.
Sofort zieht Sammael scharf die Luft ein.
„Mann, das nervt aber so richtig, huh?"
Wieder nicke ich.
„Aber das kriegst du sicher hin, oder? Ich meine, wer wenn nicht du?"
Meine Lippen verziehen sich zu einem Schmunzeln „Klar krieg ich das hin."
Sam erwidert mein Lächeln und grinst zufrieden, als er es schafft meine Laune zu heben.
„Voll cool. Was schätzt du, wann du sie rumbekommst?"
Nachdenklich fahre ich die Bettdecke.
„Gute Frage-„, mein Blick huscht nach rechts, wo das schwarze Klemmbrett mit den Informationen über die Seele liegt. Ich greife es mir.
„Das kommt ganz auf das Mädchen an."
„Mach Platz!", fordert Sammael und drängt sich aufgeregt neben mich auf das Einzelbett. Er will unbedingt mitlesen.
Lachend rücke ich zur Seite, damit er genug Platz hat und zusammen beugen wir uns über das Papier.
Laut lese ich vor:
„Ihr Name ist Willow Carter."
Sammael gibt mit irgendwelchen komischen Geräuschen seine Zustimmung. Der Name gefällt ihm wohl.
„Sie ist gerade erst Achtzehn geworden, wohnt aber seit sie vierzehn ist bei ihrem gleichaltrigen Freund Marcus Murphy-„
„Was heißt das?"
„Ich lese doch gerade vor. Was hast du an diesen zwei Sätzen nicht verstanden?"
„Nein, ich meine was heißt dieses Kreuz neben seinem Namen." Sammael deutet mit seinem Finger auf das winzige, schwarze Kreuz neben dem Namen des Jungen.
Entgeistert starre ich meinen Bruder an.
„Wie kann man nicht wissen, was das heißt?"
„Willst du mich jetzt für meine Unwissenheit beschämen?"
„...Vielleicht. Es wäre angebracht."
„Bitte nicht."
„Meinetwegen."
„Danke dir."
„Ihr Freund ist tot...", murmle ich und knabbere an meiner Unterlippe. Das könnte doch spaßig werden. Seele 100 wird wohl interessanter als erwartet.
„Bring mir meine Seelentasche, Sam."

„Wir gehen meine Seele abholen."

„Name: Willow Carter.
Alter: 18
Geburtstag: 24.09.2005
Sternzeichen: Waage
Lieblingsfarbe: Gelb
Lieblingstiere: Katzen, Raben, Eichhörnchen
Vorlieben: Lasagne, Kunst, Lilien, Langes schlafen, klettern
Abneigungen: Raucher, Umweltverschmutzer, Angeber.
Sie ist mit 14 Jahren nach der Eskalation eines Familienstreits von zuhause weggelaufen und direkt zu ihrem gleichaltrigen Freund und seinem Vater gezogen. Die Schule hatte sie kurz darauf abgebrochen, hat sich aber vor knapp einer Woche dazu entschieden sie wieder zu besuchen. Sie ist ein Einzelkind und seit sie weg ist besteht kein Kontakt mehr zu ihren Eltern. Bis heute wohnt sie in der Wohnung ihres Freundes mit der gemeinsamen Katze Mimi. Der Vater ihres Freundes, der sie bis dato, wie seine eigene Tochter behandelt hat ist nur drei Wochen nach Marcus Tod selbst in einem Autounfall verunglückt. Seitdem wohnt sie allein in der Wohnung."
„Mann, der ist es ja echt beschissen ergangen.", bemerkt Sammael, als wir durch das Tor der Unterwelt die Erde betreten und im Wald nahe der Stadt auftauchen. Ich weiß bis heute nicht, wie sie heißt. Aus dem einfachen Grund, weil es mich nicht interessiert. Ich bin nur auf der Erde, um zu arbeiten und nicht, um mich zu vergnügen.
„Mhm.", stimme ich grinsend zu. Ich muss mich wirklich beherrschen nicht wie ein Irrer loszulachen. Die Situation ist echt zu gut, um wahr zu sein. Dieses Mädchen hängt im wahrsten Sinne des Wortes am seidenen Faden. Die hält absolut Garnichts mehr am Leben. Das wird ein Klacks. Dafür, dass ich Lord Abbadon so verärgert habe, war er doch sehr großzügig mit der letzten Seele. Noch besser hätte es gar nicht laufen können!
„Du siehst aus wie ein Irrer. Hör auf so gucken."
Und schon verfliegt mein Lächeln.
„Schon verstanden.", brumme ich und laufe mit ihm den Schleichweg entlang Richtung Stadt.
„Sie rumzukriegen wird einfach. Trotzdem muss ich einige Zeit hier einplanen. Noch lässt sie mich sicher nicht bei sich pennen. Das bedeutet, ich brauch eine eigene Bleibe."
„Aki hat eine."
Abrupt bleibe ich stehen und beäuge den jüngeren Dämon.
„Was?"
„Aki hat eine."
„Aki hat eine was?"
„Aki hat eine verdammte Wohnung, Dantalion!"
„Schrei doch nicht so! Und schon gar nicht meinen echten Namen!", zische ich und brate dem Seelenräuber mit der flachen Hand eins über.
Winselnd fährt er sich über den Kopf.
„Ich mag deinen menschlichen Namen aber nicht."
„Ich mag ihn. Er bedeutet Liebender."
„Was du nicht sagst", spottet Sammael. „Und wen liebst du?"
„Na mich."
„Und deine Brüder nicht, oder was?!"
„Alter, was ich für euch übrig habe ist was anderes-„
"Erzähl es doch Kerberos, du Arschloch.", wie eine Diva rennt Sammael los und gibt dabei ein übertriebenes Schluchzen von sich.
Ich bleibe stehen und sehe ihm seufzend hinterher. Typisch.
„Sammael, warte!", und schon renn ich ihm hinterher. Er ist wirklich der einzige, dem ich so nachlaufen würde. „So war das doch nicht gemeint!"
Ich renne dem Idioten gut hundert Meter hinterher und werde gerade so richtig wütend über seine Emotionalität, als er plötzlich stehen bleibt und ich ungehalten in ihn rein krache.
„Autsch! Hast du keine Augen im Kopf, David?!"
„Bist du behindert, Sam?! Was bleibst du einfach so stehen!"
Erst jetzt fallen mir das Paar schwarzer Schuhe vor meiner Nase auf. Und als ich nach und nach den Kopf nach oben bewege, von den Schuhen, hinauf zum Körper und schließlich beim Kopf ankomme, weiß ich endlich mit wem wir es zu tun haben.
„Hätte nicht gedacht dich in nächster Zeit anzutreffen.", gestehe ich mit gespielter Arroganz. „Wo treibst du dich immer rum?"
Mein ältester Bruder hebt amüsiert einen Mundwinkel und fährt sich mit einer Hand durch seine schwarze, kurze geschnittene Frisur. Er zuckt mit seinen breiten Schultern, als er antwortet.
„Ach, du weißt schon. Mal hier mal da.",
„Wirklich sehr schön.", meine ich ironisch. Sammael der unter mir begraben ist, nickt zustimmend.
Darauf folgt eine Zeit lang absolute Ruhe und wir Brüder starren uns gegenseitig einfach nur dumm an. Bis Aki mit dem Zeigefinger auf mein Gesicht zeigt und fragt:

„Wieso sieht dein Gesicht so scheisse aus?"

Souls - Die letzte Seele | GrmanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt