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Ich weiß, dass ich nicht der bravste Seelenräuber für Lord Abbadon war, aber so eine Strafe kann doch auf keinen Fall fair sein!
Hinter mir nehme ich deutlich Sams leises "Oh, oh" wahr. Das "Oh, Oh" trifft es gut. Ihm ist klar, dass es jetzt Ärger gibt. Wenn wir Glück haben, endet dieser Abend nur für einen von dreien blutig. Und ich will, dass es Akuma trifft.
"Stör ich vielleicht?", presse ich hervor und lächle dabei das gestellteste Lächeln meines Lebens. Lange Zeit betrachtet mich das Miststück verwirrt, ohne ein Wort zu sagen. Ihre Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen, und ihre Lippen spalten sich kaum merklich bei dem Versuch mich wiederzuerkennen.
So eine scheiße. Als ich ihr das erste Mal vor Kevins Café begegnet bin, habe ich ihr Gesicht nur kurz überflogen und mir dabei das Nötigste eingeprägt, um sie im Notfall identifizieren zu können. Und ich bin zwar wirklich verfickt angepisst gerade. Aber verdammt, sogar mir in meiner Wut entgeht ihre Schönheit nicht. Im Tageslicht leuchten ihre blonden Haare fast goldig, und das Grün in ihren Augen sticht so kräftig hervor, wie ich es noch nie gesehen habe. Trotzdem besteht eine gewisse Mattheit in ihnen. Die gestrige Nacht liegt ihr wohl noch schwer im Magen. In ihrem jetzigen Zustand tut sie mir sogar fast leid. Aber auch nur fast. Immerhin hat sie mir unerklärliche Schmerzen bereitet und dafür werde ich sie ganz sicher nicht noch mit meiner Gastfreundschaft belohnen. Sie soll sich aus dem Staub machen, solange ich noch weiß, was Anstand bedeutet.
"Du bist doch dieser Mistkerl vom Café." Die ersten Worte, die sie an mich richtet, seit sie mich getreten und ich sie gerettet habe und schon geht sie mir wieder ohne jegliche Rückhaltung auf die Eier.
"Gut erkannt!", höhne ich und schwinge in einer dramatischen Bewegung meinem Daumen hinter meine Schulter "Abflug!"
Vor Verwirrung runzelt sie die Stirn, bevor diese gleich wieder erlischt und sich stattdessen ihre Lippen zu einem geraden Strich formen. "Ich soll gehen?"
"Ja!", ein verzweifelter Lacher entflieht mir. Sie macht mich wahnsinnig. Und nicht im positiven Sinne.
"Du bist hier nicht erwünscht!", will ich ihr klar machen. Die Verwirrung in ihren Augen kehrt zurück, als sie unsicher zur Seite sieht. "Aber... er sagte gerade ich soll bleiben..."
Ungläubig schwenkt mein Kopf zum Angesprochenen. Wortlos sitzt Akuma neben dem Weib auf der Bettdecke, seine muskulösen Arme vor sich verschränkt.
"David-", beginnt er, doch ich lasse ihn nicht aussprechen.
"Fütterst du jetzt meine Feinde?", will ich mit übertrieben aufgerissen Augen wissen. "Du bist mir ja ein schöner Bruder-"
"Lass dieses Gerede. Und hör auf mich so irre anzusehen, du machst ihr noch Angst", bittet er mit einem kurzen Seitenblick auf das Mädchen, dessen Namen ich immer noch nicht kenne. Aber wen interessiert das schon. Seine Bitte ignoriere ich gekonnt und starre ihn weiter an. Ich will ihn tot sehen. Das hat er verdient. Niemand hilft den Feinden des eigenen Bruders.
Ich bin so auf Akuma fokussiert, dass mir die Handbewegungen, die er da macht, kaum auffallen. Erst, als sich Sam hinter mir plötzlich in Bewegung setzt, wird mir klar, dass der Wichser Anweisungen gibt.
"Nein!", in einer schnellen Drehung wende ich mich nach hinten und stoße Sammael hart am Oberkörper zurück, sodass er einige Schritte aus dem Raum stolpert. Als er sein Gleichgewicht wieder findet, hebt beschwichtigend die Hände hoch. Offensichtlich habe ich doch noch einen Bruder, der mich nicht absichtlich aufregen möchte.
"Ganz ruhig."
"David es reicht!", wütend erhebt Aki endlich seinen Arsch von meinem scheiß Bett.
"Wir hatten einen Deal.", wispere ich bedrohlich und zeige bedeutend mit dem Zeigefinger auf ihn "Halt dich daran."
"Eine Abmache?", mischt sich die Göre ein, worauf ich nur ein knappes "pscht" mache. Empört klappt ihr Kiefer auf.
"Du weiß genau, dass ich dem nie zugestimmt habe.", erwidert Aki mit fester Stimme und kommt näher. Mein ganzer Körper bebt, während wir uns einem Blickekampf widmen. Seine Augen schießen blaues Eis, meine dagegen versprühen blaue Blitze. Ich will diesen Dämon tot sehen.
"Was ist dein scheiß Problem?", wispert Aki, seine Stimme tiefer als vorher, weil er sichtlich genervt ist von meinem Verhalten. Mein Mundwinkel hebt sich ganz von allein und gibt ein schwaches Grinsen preis. Offenbar versteht dieser Idiot wirklich nicht, was mich an der ganzen Situation so aufgeregt.
"Es geht mir ums Prinzip."
"Welches scheiß Prinzip bitte?", zischt er unverständlich.
"Deine Mutter!", antworte ich ungeduldig.
"Wir haben keine Mutter, David. Damit beleidigst du mich nicht!"
"Dann erklär ich es meinetwegen gerne für Vollidioten, Verräter, und Akumas-", furchtlos packe ich meinen älteren Bruder am Kragen seines schwarzen T-Shirts und bringe ihn an mein Gesicht. Ein tiefes Knurren verlässt seine Kehle und er umklammert meine Faust fest mit seiner Hand, presst seine schwarzen Fingernägel tief in meine Haut. Nervös beobachtet uns Sam. In dieser Situation dominiert niemand von uns den anderen, deswegen gibt es keine Regeln, an die er sich als Außenstehender Dämon halten muss. Wir sind einander von der Stärke her ebenbürtig, deswegen würde ein Kampf in einem Unentschieden enden. Wenn ich so darüber nachdenke, weiß ich gar nicht wann Aki und ich uns das letzte Mal einen ernsten Kampf geliefert haben. Aber der Fakt, dass Akuma meint meine Gefühle so übergehen zu können, zeigt nur, dass es viel zu lange her ist. Offensichtlich hat er den Respekt vor mir verloren. Und das muss ich ändern.
"Wage es nicht, Dantalion.", warnt er mit drohender Stimme und spricht meinen vollen Namen aus. "Ich töte dich an Ort und Stelle."
"Es reicht!"
Der plötzliche Ruf der Eier-Treterin reißt mich zurück in die Gegenwart und ich beäuge sie irritiert. Auch Aki und Sam schauen überrascht.
"Alles okay?", will er wissen. Sein Kragen noch immer fest umschlossen in meiner Hand.
"Nein.", schnauft sie und rutscht vom Bett. Sofort tritt Sam an ihre Seite und will ihr seine Hand als Stütze anbieten, denn sie steht auf wackligen Beinen und wankt zur Seite. Doch die nett gemeinte Geste lehnt sie ab und deutet ihm wegzutreten, wie einem Hund, der auf sein Kommando hören soll. Und dieser Hund gehorcht ihr brav.
Nachdem sie sich gefangen hat und fest auf beiden Beinen steht, spricht sie weiter: "Ich will nicht der Grund für euren Streit sein. Danke für die Hilfe." Als sie dann anfängt ihre Wertgegenstände aufzusammeln, erlischt meine gesamte Wut und ich löse unbewusst meinen Griff von Akis Kragen. Zu dritt beobachten wir, wie sie wortlos ein Besitztum nachdem anderen greift, bis sie zuletzt mit all ihrem Hab und Gut, ihrem Schlüssel, ihrem Handy, und irgendeine blaue Kaugummi Verpackung unter ihrem Arm an mir vorbeiläuft. Mit offenem Mund starre ich ihr hinterher. Ohne sich ein letztes Mal umzudrehen, läuft sie den Flur runter, öffnet die Eingangstür und ist Sekunden später mit einem lauten Knall verschwunden.
Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit, die ich dastehe und einfach nur die Tür ansehe, durch die sie gegangen ist. Mit einem Mal werde ich von Zufriedenheit so erfüllt, dass ich beginne lauthals zu jubeln, weil ich meinen Willen bekommen habe.
"Endlich-!"
Aus dem Nichts werde ich an der Kapuze meines Pullis gepackt und auf den Parkettboden geschleudert.
"Was zum-!?"
"Sag nichts.", mit seiner anderen Hand packt Aki meinen Kiefer und reißt ihn fast schon an sein Gesicht. Der Schmerz bringt mich zum Zischen, doch ich ertrage ihn und lasse Aki ausreden.
"Ich sage das jetzt nur einmal, David. Also hör mir lieber gut zu. Da du gekriegt hast, was du wolltest, gehen wir jetzt eine neue Abmache ein."
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. "Was?", blaffe ich.
"Du begleitest sie, bis sie sicher zuhause angekommen ist."
Als seine Worte bei mir ankommen, habe ich das Gefühl, mein ganzes Blut würde mein Gesicht verlassen.
"Das ist doch nicht dein scheiß Ernst!"
"Es ist mein Ernst! Denn danach können wir sie endlich hinter uns lassen und du musst sie nie wieder sehen. Verstanden?"
Ohne mir eine Wahl zu lassen, packt das Arschloch diesmal mich am Kragen meines grauen Kapuzenpullovers, schleift mich bis zur Tür, öffnet sie und schubst mich dann auf die andere Seite. Bevor ich wieder zurück in die Wohnung springen kann, knallt er mir sie mir vor der Nase zu. Als die Kälte von draußen auf meine Haut trifft und ich schaudern muss, reißt mein Geduldsfaden endgültig.
Fluchend knalle ich meine Faust immer wieder gegen die Eingangsür.
"Scheiße, Aki! Das kannst du nicht machen!"
"Kann ich wohl! Bring das Mädchen nach Hause! Wir sehen uns dann später!"

Ich setze einen lauten, wutentbrannten Schrei frei.

Souls - Die letzte Seele | GrmanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt