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Meinen Brüdern habe ich befohlen nach Hause zu gehen und mein Zimmer für mich herzurichten. Bei der Suche nach Willow würden die beiden mir nur im Weg stehen und deswegen ist es besser sie ganz Außersicht zu haben. Ich seufze entnervt, bevor ich eine Zigarette aus meiner Tasche ziehe und sie anzünde. Als ich an dem Café vorbeikomme, wo ich Seele 99 geholt habe, bleibe ich kurz stehen und werfe einen Blick auf den Eingang. Neben der Tür liegen Blumen, mehrere Kerzen und Bilder von Courtney und immer wieder werden neue Blumen dazu gelegt von vorbeilaufenden Passanten. Irgendwie fasziniert mich der Gedanke, dass sie plötzlich nichts weiter als eine Erinnerung ist. Erst gestern habe ich noch mit ihr gesprochen und heute ist sie einfach nicht mehr da. Und das habe ich geschafft. Richtig cool.
„Verzeihung. Dürfte ich mal? Hallo?"
Eine helle Stimme hinter mir lässt mich aufblicken. Ich drehe den Kopf und sehe ein blondes Mädchen. Die Haare gehen ihr bis über die Schultern sie hat müde, grüne Augen.
„Hm?"
„Ich will an die Gedenkstelle."
„Oh.", ich trete einen Schritt zur Seite und mache ihr Platz. Vor den Gegenständen setzt sie sich hin und kramt in ihrem Rucksack herum, scheint etwas zu suchen, bis sie einen Strauß Blumen hervor holt und ordentlich um den Bilderrahmen platziert.
„Ziemlich gespart, was?", ich deute amüsiert auf die halb verwelkten Gänseblumen, die sie da auf dem Beton verteilt.
Augenblicklich schnellt ihr Kopf in meine Richtung "Jeder tut was er kann.", herrschst sie mich an und schlägt mir das leichte Grinsen aus der Visage.
Beleidigt schnaube ich "Mir doch egal was du der Alten für Unkraut anschleppst. Immerhin ist sie tot."
"Wie kannst du es wagen. Sie war ein echter Mensch mit einem echten Leben. Und jedes Leben ist wichtig. Sie hat es verdient, dass wir uns an sie erinnern.", warnend zeigt sie ihrem dünnen Finger auf mich.
Desinteressiert beuge ich mich auf ihre Höhe und puste ihr den Zigarettenrauch ins Gesicht, worauf sie hustend vor ihrem Gesicht fächert.
"Mistkerl."
Da werde ich hellhörig. Und wütend werde ich dazu auch noch. Die kriegt jetzt eine Abreibung! "Was hast du gerade gesagt?", ohne Rücksicht auf ihr Geschlecht zu nehmen packe sie an ihrem Schal und ziehe sie an mich heran. Als Reaktion erwarte ich mir einen angsterfüllten Blick oder zumindest etwas Panik. Aber nichts davon. Stattdessen funkeln mir ihre Augen angriffslustig entgegen. Das irritiert mich und bringt mein Blut nur weiter zum Kochen. Jetzt hat sie verschissen. Wenn ich erstmal wütend bin, hat sie keine Chan-
Mit einem Mal bleibt die Luft weg und ich starre sie mit weit aufgerissenen Augen an, bringe kein Wort heraus. Verdammt.

Dieses Miststück hat mir doch tatsächlich in die Eier getreten.

Ein gedämpftes Ächzen entkommt meiner Kehle und mein Griff um ihren Schal lockert sich, als ich zu Boden sinke. Fluchend halte ich mir meine Kronjuwelen.
"Du-", keuche ich mit dem Kopf auf dem Boden. Ich kriege den Satz allerdings nicht fertig, geschweige denn richtig begonnen. Blondie erhebt sich wortlos und wirft sich das eine Ende des Schals mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck über die Schulter.
Dann beugt sie sich auf meine Höhe und wispert in mein Ohr: "Das nächste Mal kommt zuerst der Tritt. Und dann wird geredet."

Und dann läuft sie einfach davon und ich kann nichts weiter tun, als ihr verdattert hinterher zu sehen.
Entnervt seufze ich. Irgendwie ist mein Ego leicht angekratzt. Noch nie wurde ich so behandelt...

„Hätte niemals gedacht dich mal in so einer Position zu sehen, Mann." Aufgebracht blicke ich auf und starre in zwei bekannte braune Augen. Es ist mein Freund Kevin und der Besitzer dieses Cafés. Ein Mensch. Der einzige Mensch, mit dem ich mich verstehe."
„Hast du etwa alles mit angesehen?", zische ich.
"Ja. War lustig zu beobachten, wie dir endlich mal jemand die Meinung geigt.", kichert er. Wäre ich jetzt nicht verletzt, hätte er sich definitiv eine Faust gefangen. Auf mein Schweigen schüttelt Kevin belustigt seine hellbraunen Locken. „Wenn du etwas weniger dein typisches Arschloch verhalten gezeigt hättest, wären deine Eier jetzt bestimmt noch heil."
„Ich scheiß auf deinen Rat. Bring mir Eis.", presse ich hervor und schlage mit der Faust gegen seinen Oberschenkel. Beschwichtigend hebt er die Hände und verschwindet kurz im Café. Wenige Sekunden später kommt er mit einem Eisbeutel zurück und reicht ihn mir. Hastig greife ich nach dem Beutel, reiße ihn ihm fast schon aus der Hand schiebe ihn meine Hose. Als die Kühle des Eises auf meine nackte Haut trifft stöhne ich erleichtert auf. Das finden die vorbeilaufenden Leute wohl störend, denn sie werfen uns angewiderte Blicke zu und auch die Kunden im Café sehen sich verwirrt um.
„Kannst du bitte nicht ganz so geil auf den Eisbeutel werden? Jesus."
„Maul.", stöhne ich. Diesmal absichtlich. Und lauter.
"Was soll der Mist, David du vergraulst meine Kundschaft!", panisch drückt er seine Hand auf meinen Mund und entschuldigt sich bei den Passanten. Die Chance nutze ich aus und lecke ihm einmal quer über die Handfläche. Sofort zuckt er mit seiner Hand weg und starrt sie angewidert an. „Eklig."
„Du mich auch.". Ich erhebe mich langsam. Der Schmerz lässt allmählich nach, sodass ich wieder einigermaßen normal stehen kann. Dennoch halte ich mich vorsichtshalber am Treppengeländer fest und lasse meinen Kopf noch gesenkt.
„Kanntest du die Kleine?", will er wissen.
„Ist das die einzige Erklärung für dich, wieso ich eben einen Tritt abbekommen habe?"
„Nein. Schließlich bist du auf offener Straße auch so zu jedem ein Arsch."
Blind hole ich aus und treffe ihn mit der Faust an seinem Oberarm. Lachend stolpert Kevin zurück.
"Hau mich nicht. Komm rein, dann können wir reden."
Ich gebe ein genervtes Brummen von mir, bevor ich ihm folge. Drinnen setze ich mich an den allerletzten Tisch in der hintersten Reihe des Cafés. Wenig später taucht Kevin auf nimmt auf dem Sitz vor mir Platz. Auf dem Tisch platziert ein Tablett mit zwei dampfenden Tassen. Ich greife mir die rechte und nehme einen großen Schluck der heißen Flüssigkeit. Zufrieden seufze ich.
„Du bist echt der einzige 19-Jährige, denn ich kenne der immer noch Kakao trinkt.", murmelt Kevin.
„Es ist das Einzige, was ihr Menschen richtig gemacht habt.", erwidere ich darauf und schnipse mit dem Finger in seine Richtung. Er schüttelt belustigt den Kopf.
„Du mit deinem Alien Gehabe wieder." Ach ja. Kevin weiß nicht, dass ich ein Dämon bin. Und das ist auch gut so und muss so bleiben. In den Regeln für die Seelenräuber steht klar geschrieben, dass Menschen niemals von unserer wahren Identität erfahren dürfen. Daher lass ich ihn im Glauben, ich wäre ein merkwürdiger 19-jähriger. Oder was auch immer er denkt, was ich bin. Solang er nicht weiß, dass ich ein Dämon bin, kann er sich denken, was er will.

Souls - Die letzte Seele | GrmanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt