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"Jetzt rück schon raus mit dem Geld, sonst-"
"Oh den Satz würde ich nicht beenden, wenn ich du wäre."
Mit Akis Ankündigung kommen wir nacheinander aus unserem Versteck hervor.
"Zumindest nicht, wenn dir dein Leben lieb ist.", ergänze ich, während wir uns unter das flimmernde Licht einer Straßenlampe und hinter den Körper des noch immer auf dem Boden liegenden Mädchens stellen. Der Schläger steht uns gegenüber und wird nur schwach vom Licht unserer Straßenlampe erhellt.
Ich schiele auf das Mädchen hinab.
Von hier aus kann ich nicht erkennen, ob sie wach ist. Möglicherweise hat sie vom Schlag das Bewusstsein verloren. Vielleicht stellt sie sich auch nur so, weil ihr die Situation unangenehm ist. Davon überzeuge ich mich aber erst nachdem wir den Typen zusammengefaltet haben.
Verwirrt mustert er uns. "Wer zur Hölle seid ihr?"
Sammael wirft uns einen belustigten Seitenblick zu. "Er hat Hölle gesagt."
Aki muss breit grinsen, ich hebe lediglich einen Mundwinkel.
"Jetzt sagt schon, wer ihr seid. Ich werde ungern warten gelassen."
"Oh- sorry. Das war uns nicht klar.", kopfschüttelnd tritt Aki um das Mädchen herum und stellt sich vor ihr auf. Als er schließlich direkt vor dem Trottel mit Brille steht "Darf ich vorstellen: Wir sind die Gebrüder Burnes.", er zeigt erst auf sich "Ich bin Aki-", dann zeigt er auf mich und schließlich auf Sammael "das sind David und Sam.", als er fertig geredet hat, lässt er seine Fingerknöchel knacksen und lächelt sanft. "Wir sind hier, um dir in den Arsch zu treten."
Die Brillenschlange lacht irritiert. "Was seid ihr denn für welche? Mischt euch nicht nur in ein fremdes Gespräch ein, sondern bedroht mich auch noch. Was denkt ihr eigentlich wer ihr seid?"
"Wir sind gleich der Grund, wieso du die nächsten drei Monate auf der Intensivstation eines Krankenhauses liegen darfst.", erkläre ich gelassen.
Die Antwort quittiert er mit einem unzufriedenen Gesichtsausdruck.
"Ich würde aufpassen, wie ihr mit mir redet, ihr Freaks. Ich habe den schwarzen Gürtel in Karate und kann euch alle drei gleichzeitig umlegen.", auf die peinlichste Art und Weise führt er irgendwelche Bewegungen vor und geht in Kampfstellung. Ein Bein erhoben, die Arme links und rechts von sich gestreckt. Der Fremdscham nagt hart an mir und ich will ihn am liebsten so richtig zur Sau machen und dafür sorgen, dass er sich nach der Aktion am besten selbst beerdigt.
"Umlegen?"
Unerwartet schiebt sich Sammael an mir vorbei. Mit seinen Händen in den Hosentaschen läuft er bis nach vorne zu Aki. "Umlegen.", wiederholt er seelenruhig, bis er neben Akuma zum Stehen kommt. Langsam lehnt er fragend seinen Kopf zur Seite. "Das würde ich zu gerne sehen..."
Die Art wie seine blauen Augen den Typen beinahe erstechen und wie bedrohlich seine Stimme in diesem Moment klingt, bereitet selbst mir Gänsehaut. An diesen Sammael gewöhn ich mich nie. Ihn so eisig zu erleben ist zwar nicht ungewohnt, aber ungern gesehen und ich bin mir sicher Akuma geht es da nicht anders.
Doch genau das ist es, was Sammael so sehr von uns unterscheidet und ihn schon wieder so besonders macht. Er wird nicht wütend, sondern unberechenbar. Wir sind seine Brüder und kennen ihn bereits unser ganzes Leben lang. Während Aki und ich zu den Schlägern gehören, ist Sammael unser Goldjunge und würde keiner Fliege etwas zu Leide tun.
Dennoch können selbst wir ihn in diesem Zustand nicht ansatzweise einschätzen. Und das ist beunruhigend. Zu was ist dieser Dämon wohl fähig, wenn er in die Ecke gedrängt wird?

Langsam scheint der Brillenschlange die Situation bewusst zu werden. Er steht allein gegen drei Jungs, die ihn mit Leichtigkeit windelweich prügeln könnten, wenn er es darauf ankommen lässt.
Genervt pustet er Luft aus seiner Nase.
"Testet mich nicht, ihr Wichser! Ich mach euch die Hölle heiß!"
"Er hat schon wieder Hölle gesagt, Aki.", bemerkt Sam und zeigt mit dem Finger auf unseren Gegner.
Aki nickt bestätigend.
"So langsam pisst mich das an.", murmelt er nur für uns hörbar.
"Huh?!"
Ich verdrehe die Augen und geselle mich als letzter zu meinen Brüdern nach vorne. Als ich bei ihnen ankomme, drehe ich mich um und beuge mich auf die Knie. Mit Mittel- und Zeigefinger berühre ich ihre Halsschlagader. Der Puls, der wenige Sekunden später auf meine Finger trifft, lässt mich entspannen. Allerdings nur, bis ich einen roten Fleck an ihrer Schläfe entdecke. Augenblicklich spannt sich mein ganzer Körper an. Behutsam hebe ich ihren Kopf und streichen ihr die blonden Haarsträhnen aus dem Gesicht. Der Typ soll beten, dass sie keinen Kratzer hat. Ansonsten kann er was erleben.
Vorsichtig fahre ich mit den Fingern von ihrer Schläfe bis nach hinten zu ihrem Nacken. Als ich jedoch etwas Flüssiges zu spüren bekomme, knirsche ich mit den Zähnen.
"Wir nehmen sie mit.", ist alles, was ich sage, bevor ich das Mädchen auf meine Arme hebe.
"Einen Scheiß werdet ihr-", schreit der Wichser los, bis Aki mit einem Mal nach vorne sprintet und mit voller Wucht seine Faust im Gesicht des Wichsers versenkt. Der jault auf und taumelt mehrere Schritte nach hinten, bis er irgendwann einfach umfällt. Die Stille wird durch das dumpfe Geräusch seines Aufpralls durchbrochen und das ist der Augenblick, an dem sich meine Brüder nicht mehr einkriegen.
"Hast du das gesehen?!"
"Das war der Wahnsinn, Aki!"
"Ich bin der Beste!"
"Alter deine Hand ist voller Blut!"
"Hab' dem Arschloch wohl die Nase gebrochen!"
"Wow!"
Die beiden schlagen begeistert bei sich ein, worauf ich bloß amüsiert schmunzle. Sachte bringe ich ihren Körper in meinen Armen in die richtige Position.
"Gehen wir.", wir drehen uns um und laufen in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Als hinter uns ein Ächzen zuhören ist bleiben wir seufzend stehen. Wieso lebt der noch? Ich meine wieso ist er noch bei Bewusstsein!
"Ihr scheiß-", stöhnend kommt das Arschloch wieder auf die Beine. Seine Brille hängt an seinem Gesicht runter, eine der Scheiben ist komplett zersprungen und er drückt mit aufgerissenen Augen die Hand an seine blutige Nase. So stark wie das herausströmt hat Aki wohl einen echt guten Treffer gelandet.
"Du Wichser hast mir die Nase gebrochen!"
"Mein Fehler. Ich wollt dir eigentlich das ganze Gesicht eintreten und nicht nur die Nase, sorry", entschuldigt sich Aki sarkastisch, was mich zum Grinsen und Sammael zum Lachen bringt.
"Na wartet, ihr-"
Aus dem Nichts ertönen mehrere Sirenen ertönen und Blaulicht flackert in der Dunkelheit, weswegen ich genervt mit der Zunge schnalze. Bullen gehören definitiv zu dem nervigsten Typ-Mensch auf meiner Liste. Gleich nach Frauen und Kindern.
"Wir können nicht nochmal auf die Polizeistation.", panisch fährt sich Sam durch seine schwarzen Locken. "Morax bringt uns um!"
Wir nicken zustimmend. Das letzte Mal, als wir dahin mussten, hatten wir uns heimlich auf ein Konzert mit hohem Prügelei-Potenzial geschlichen, um etwas Dampf abzulassen. Ich habe mich auf niveauvolle Weise geschlagen. Wer konnte denn damit rechnen, dass Akuma gleich zwanzig Menschen bewusstlos schlägt?! Sam hat sich zwar aus allem herausgehalten, doch das hat ihn nicht vor der Polizei bewahrt. Wir wurden nicht nur rausgeworfen und haben Hausverbot bekommen, sondern mussten obendrein auch noch eine Geldstrafe von über 10.000$ aufgrund schwerer Körperverletzung zahlen. Die hat uns Morax zwar bezahlt, aber uns später die Ärsche dafür aufgerissen. "Damit begleicht ihr eure Schulden bei mir.", hat er gemeint und mich und Aki in unserer Kotze liegen lassen. Außerdem musste Aki versprechen sich ab sofort zurück zu halten. Trotz der Prügel, die wir einstecken mussten, fand ich es eigentlich einen ziemlich guten Tag.
"Verpissen wir uns von hier, los!", klar und deutlich gibt Aki den Befehl und rennt als erster los. Sam und ich bilden das Schlusslicht.
"Hey, kommt zurück!", ruft der Idiot uns nach.
Daraufhin lässt sich Aki unerwartet mitten in der Flucht zurückfallen, sodass wir ihn überholen. Er rennt eine Weile rückwärts, bis er auf einmal beide Mittelfinger in die Luft und frech seine Zunge herausstreckt. Dabei kommt sein Piercing zum Vorschein.
Überrascht starre ich zu Sam, doch als dann auch noch der Typ wie am Spieß zu Schreien beginnt, müssen wir lauthals loslachen.
Als wir hinter der nächsten Ecke verschwunden sind, gehts los.
"Das war geil!", schreit Sam und springt wie ein Affe freudig auf der breiten, menschenleeren Straße umher
"Wuhu!", jubelt Aki und ich muss erneut lachen.

Und so rennen wir drei grölend und mit einem Mädchen im Arm durch die Nacht. Vielleicht habe ich es doch vermisst Zeit mit meinen Brüdern zu verbringen.

Souls - Die letzte Seele | GrmanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt