Nachdem Tighnari sich nochmals vergewissert hatte, dass es Luana gut ging, verlassen die Waldhüter die Lichtung. Die junge Frau hingegen bricht schließlich mit einigen ungeklärten Fragen und gemischten Emotionen auf.
Es ist bereits Mittag, als sie beschließt zurück zu ihrem Nachtlager zu gehen und die dort verbliebenen Sachen zusammen zu packen. Da Luana ursprünglich nur ein paar Zutaten sammeln wollte, hatte sie Schlafsack und einige weitere ihrer Sachen dort gelassen. Den Weg dorthin zurück zu finden, gestaltet sich allerdings um einiges schwieriger als erwartet. Jeder Baum und jede Pflanze sieht plötzlich gleich aus. Eigentlich hatte sie nicht das Gefühl sich besonders weit, von dem Lager entfernt zu haben. Vielleicht war Luana bereits von der Lichtung geradewegs in die falsche Richtung gelaufen?
Ihre Überlegungen geraten durcheinander. Sie hat die Orientierung verloren. Das Gespräch mit Collei scheint sie mehr zu beeinträchtigen, als erwartet.
Immerhin hatte Luana unterwegs genügend Zutaten gesammelt, um sich für die nächsten Tage versorgen zu können.
Nach mehreren Minuten des sinnlosen Umherwanderns hält die junge Frau inne. Mit der Hand wischt sie sich den Schweiß aus der Stirn und sieht in den Himmel hinauf. Die umliegenden Baumkronen schützen sie vor den direkten Sonnenstrahlen. Dennoch sind die Temperaturen hoch. Und die Luft sehr feucht. Das Atmen fällt ihr schwer. Luana schließt für einen kurzen Moment die Augen, um ihre Gedanken zu ordnen.
Plötzlich erklingt das Rascheln des Geästs zu ihrer Linken. Dann Schritte.
,,Ohne mich bist du wohl vollkommen aufgeschmissen, was?" dringt eine provokante, jedoch zugleich bekannte Stimme an ihre Ohren heran. Obwohl sie die Person bereits erkannte, zuckt Luana vor Schreck zusammen und öffnet die Augen. Den dunkelhaarigen Mann amüsiert ihre Reaktion deutlich.
,,Du... du bist noch hier?"
Sowohl Überraschung, als auch ein Hauch von Erleichterung schwingen in ihren Worten mit. Natürlich. Zu einem gewissen Anteil, da ihre Verzweiflung langsam Überhand nahm und zum anderen... weil sie einfach froh darüber ist, dass er sie nicht alleine gelassen hatte.
,,Ich war eigentlich nie weg," gesteht der Wanderer ihr nüchtern und wirft der jungen Frau in der nächsten Sekunde eine Tasche entgegen, ,,hier, ich habe deine Sachen aus dem Lager mitgenommen."
Gerade noch rechtzeitig, kann sie nach vorne springen, um die Tasche aufzufangen. Auch wenn sie dabei nahezu das Gleichgewicht verliert.
,,Ähm... Danke...," gibt Luana leicht perplex von sich. Ihr Gegenüber hingegen schüttelt mit dem Kopf.
,,Nicht dafür. Ich habe dir lediglich den Weg zurück erspart, damit wir schneller unser Ziel erreichen."
Die junge Frau wirft dem Dunkelhaarigen einen kurzen ungläubigen Blick zu, ehe sie den Inhalt ihrer Tasche auf Vollständigkeit überprüft. Dieser wendet sich nun von ihr ab und bedeutet mit einer kurzen Handbewegung ihm zu folgen.
,,Komm, wir müssen hier entlang," fordert der junge Mann Luana auf ohne sie anzusehen. Er setzt sich in Bewegung. Sie denkt nicht besonders lange darüber nach. Denn das erneut aufkommende, beflügelnde Gefühl seiner Anwesenheit hat ihr die Entscheidung bereits abgenommen. Also folgt sie ihm. Durchquert den Rest des Avidya-Waldes mit dem Unbekannten. Und lässt sich von ihm die Richtung weisen.
Beide hüllen sie sich in Schweigen. Jedoch keines unangenehmer Art. Es ist recht friedlich dem Zwitschern der Vögel, dem Rascheln der Blätter im Wind und dem Rauschen des Flusses in ihrer Nähe zu lauschen. Die Schmerzen ihrer Schnittverletzung sind inzwischen ebenfalls nahezu abgeklungen.
Ist dies das sogenannte Gefühl der Freiheit von dem Mai immerzu gesprochen hatte?
Vielleicht ist es auch der mysteriöse Mann an ihrer Seite, welcher in einer gewissen Art und Weise ein Bild der Freiheit in Luanas Augen verkörpert.
DU LIEST GERADE
To Be Loved By Him
Fanfiction[Zweiter Band von 'To Be Hated By Her'] ,,Wären wir uns nicht unter diesen Umständen begegnet... dann hätte unsere Geschichte vielleicht einen anderen Verlauf genommen." ~ Scaramouche Nachdem Luanas Schwester Mai bereits in jungen Jahren verstorben...