15 - Die Fesseln seiner Vergangenheit

42 6 4
                                    

Nach einer Tagesreise ohne Rast oder Ruhephasen erreicht der junge Wanderer das Heiligtum von Surasthana im Zentrum Sumerus. Er begibt sich in das Innere des großen Gebäudes und öffnet die Tür zu einem kleineren Nebenzimmer, das mit ein paar Möbeln bestückt ist. Die Göttin der Weisheit, welche derzeit die Gestalt eines Kindes besitzt, wird sogleich auf ihn aufmerksam, als der Dunkelhaarige wortlos den Raum betritt.

,,Du bist zurück," stellt sie leise fest, während sie ihre Finger weiterhin suchend über die unzähligen Buchrücken vor ihr gleiten lässt.

Die gesamte Rückseite des Raumes wird von einer riesigen Bücherregalwand ausgekleidet. Auch wenn es bloß ein Bruchteil allen Wissens ist, welches an diesem Ort schriftlich aufbewahrt wird, so ist es dennoch der für den Dendro Archon bedeutsamste.

,,Du klingst überrascht."

Der junge Mann lässt sich auf der Sofagruppe inmitten des Raumes nieder und legt seinen Hut neben sich auf dem dunklen Lederpolster ab.

,,Nun, ich dachte, es gäbe da etwas Wichtiges, um das du dich kümmern müsstest."

Mit den Fingerspitzen reibt er sich erschöpft die Schläfen. Schließt für einen kurzen Moment die Augen, ehe der Wanderer seinen Blick erneut geradeaus richtet.

,,Etwas Wichtigeres, als meine Schuld bei dir abzuzahlen?" gibt er ironisch von sich, ohne seine schlechte Laune darin zu verbergen, ,,außerdem war ich doch bloß ein paar Tage länger unterwegs, als geplant. Also sag schon, welche Aufgabe hast du als nächstes für mich?"

Nahida zieht nun endlich das gesuchte Buch aus dem Regal heraus und wendet sich in seine Richtung.

,,Irgendetwas sagt mir, es ist mehr als das... du machst dir Vorwürfe. Was beschäftigt dich?" fragt sie seine abweisende Haltung ignorierend.

,,Hör auf, meine Gedanken zu lesen."

Der Dunkelhaarige rollt genervt mit den Augen. Er kann es nicht ausstehen, wenn sie sich so verhielt. Was versucht dieses aber kluge Kind mit ihrer Fürsorge zu erreichen?

,,Ich schulde dir vieles, aber keine Erklärung für etwas, dass dich in keiner Weise etwas angeht."

Langsamen Schrittes bewegt sich das weißhaarige Mädchen durch den Raum und legt das Buch in ihren Händen auf einem großen Schreibtisch nahe eines prunkvoll verzierten Fensters ab. Für ein paar Sekunden lässt sie ihren Blick hinaus über das muntere Treiben der Menschen schweifen, welches unterhalb des Gebäudes von statten geht.

,,Schon gut, du hast recht," zuckt der Archon schließlich mit den Schultern, ,,dennoch kann es helfen mit jemandem über die Dinge zu sprechen, die einen belasten."

,,Spar dir die klugen Weisheiten für den Moment. Ich bin nicht in der Stimmung dafür. Sag mir endlich, was du von mir willst oder ich gehe," seufzt der junge Mann, welcher derweil mit dem Rücken zu ihr sitzt und die Arme vor der Brust verschränkt. Nahida tritt nun an die Seite des Sofas heran. Der Dunkelhaarige fängt ihren Blick auf, während die Göttin der Weisheit seine verhärteten Gesichtszüge mustert.

,,Wie du willst. Dann lass es mich anders formulieren..."

Hinter dem Mädchen erscheint nun eine aus Dendro Energie geformte Schaukel, auf der sie sich niederlässt.

,,Wie lief die Konfrontation mit deiner Vergangenheit?"

Die Haltung des Wanderers versteift sich.

,,Was...?" murmelt er irritiert, ehe er seine Stimme erhebt, ,,was genau meinst du damit?"

Das weißhaarige Kind zu seiner Rechten lächelt unschuldig. Der junge Mann ist sich durchaus darüber im Klaren, dass dies nichts Gutes verheißen kann. Mal wieder schmiedete der Dendro Archon Pläne, in die er nicht eingeweiht wurde. Doch sobald es dabei um sein eigenes Leben ging, ist ihm erst recht nicht nach Scherzen zu Mute. Die Miene des Dunkelhaarigen verfinstert sich.

To Be Loved By HimWo Geschichten leben. Entdecke jetzt