Die Dunkelheit der Nacht hat der grünen Umgebung nahezu jegliche Farbe genommen. Das Rauschen des Flusses ist nach wie vor aus der Ferne zu hören, obwohl das diesmalige Nachtlager sich um mehrere Meter über dem Meeresspiegel und nahe einer tiefliegenden Schlucht befindet.
Im Rücken des Dunkelhaarigen liegt die junge Frau lediglich einige Zentimeter entfernt. Um sich nicht länger rechtfertigen zu müssen, weshalb er nicht schlief, machte der Wanderer es sich neben ihr auf dem Boden bequem. Während Luana in der Nacht zuvor jedoch seelenruhig geschlummert hatte, wälzt sie sich nun unruhig in ihrem Schlafsack hin und her. Ihr Nachbar hingegen rührt sich keinen Millimeter, täuscht seinen Schlaf vor in der Hoffnung, dass sie irgendwann ebenfalls müde genug sein würde. Sicherlich hatte er nicht geplant die gesamte Nacht regungslos neben ihr zu liegen und in die Luft zu starren.
Statt seiner ersehnten Erlösung geschieht allerdings etwas gänzlich anderes. Erneut erklingt das Rascheln ihres Schlafsacks. Luana setzt sich auf. Der junge Mann spürt, wie ihr Blick an ihm haftet. Er verharrt für mehrere Sekunden auf seinem Rücken, ehe sie sich kurzerhand aus ihrem Schlafsack zu befreien scheint.
Auf Zehenspitzen tritt sie an ihm vorbei und lässt den Dunkelhaarigen an dem Schlafplatz zurück.
Wenige Sekunden später hebt dieser den Kopf. Er beobachtet wie die junge Frau sich auf einem Felsvorsprung nur ein paar Meter von ihm entfernt niederlässt. Nachdenklich ruhen seine Augen auf der zierlichen Gestalt Luanas. Mit der Hand unter dem Kinn stützt er sich auf dem Boden ab.
Was wohl in diesem Augenblick in ihrem Kopf vor sich gehen mag? Etwas, wodurch ihr womöglich das Einschlafen schwerfällt?
Die Gedanken des Wanderers schweifen ab. Nachdem er sie am Nachmittag Widerwillens über den Fluss brachte, lag ein Funkeln in ihren Augen, welches er noch nie zuvor darin sah.
Freude? Aufregung?
Eine Emotion, die dem Menschen, welchen er einst kannte, nicht mehr innezuwohnen schien.
Damals hatte er ihr dieses Glück genommen. Und nun? War der junge Mann inzwischen etwa dazu in der Lage es ihr zurückzugeben?
Ein seltsames Gefühl regte sich zugleich in seiner Brust. Es fühlte sich gut an. Es erheiterte ebenfalls seine Stimmung, als der Dunkelhaarige ihr Strahlen sah. So sehr, dass ihre Worte von zuvor nicht länger auf seiner Seele lasteten. Eine gewisse Erleichterung. Das Gewicht seiner Schuld schien sich für einen winzigen Augenblick zu verringern.
Luana blickt derweil verträumt in die Tiefe der Schlucht herab und lässt ihren Gedanken freien Lauf. Während sie zuvor noch die Schlaflosigkeit plagte, so hat sie sich inzwischen bereits damit abgefunden. Zu ihrer linken kann sie ein Hilichirul Camp entdecken. Die meisten von ihnen scheinen zu schlafen, andere sitzen am Feuer oder halten Wache. Ähnlich wie eine Familie. So wirkt es zumindest äußerlich. Bei einem solchen Anblick stellt sich Luana unweigerlich die Frage wie sehr sich diese Wesen tatsächlich von den Menschen unterscheiden. Woher stammen sie? Und sind diese Monster tatsächlich von Natur aus bösartig?
Ihre Überlegungen werden plötzlich unterbrochen. Niemand geringeres als ihr scharfzüngiger Reisegefährte selbst nimmt wortlos neben ihr auf dem Felsvorsprung platz. Die junge Frau beäugt ihn überrascht von der Seite.
,,Kannst du etwa auch nicht schlafen?"
,,So ähnlich," zuckt der Dunkelhaarige lediglich mit den Schultern. Luana weiß nicht so recht, was sie mit dieser Antwort anfangen soll. Dennoch ist ihr Interesse daran in diesem Moment nicht groß genug, um nochmals nachzuhaken. Ihr Blick richtet sich also erneut geradeaus. Die Augen des Wanderers hingegen haften an ihr.
In der Dunkelheit der Nacht wird ihr Gesicht lediglich zum Teil vom schwachen Licht des Mondes erhellt. Der Ausdruck der jungen Frau zeugt jedoch von Besorgnis. Auch wenn es sicherlich besser wäre, hielte sich der junge Wanderer weiterhin aus ihrem Leben heraus, so kann er seiner Neugierde dennoch nicht widerstehen.
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To Be Loved By Him
Fanfiction[Zweiter Band von 'To Be Hated By Her'] ,,Wären wir uns nicht unter diesen Umständen begegnet... dann hätte unsere Geschichte vielleicht einen anderen Verlauf genommen." ~ Scaramouche Nachdem Luanas Schwester Mai bereits in jungen Jahren verstorben...