Anonyme App Teil 1

🔥 wo genau? 🔥

Cessy

Die Stimmung auf einer Vorlesung ist immer eine ganz besondere. 

Die Menschen hier sind so entspannt, freudig und irgendwie auch etwas erregt. Ich als Bücherliebhaber würde nur zu gerne laut verkünden, dass diese Menschen die versautesten Sachen lesen. 

Machen wir uns nichts vor, wir wissen alle untereinander, was alles so schönes in Büchern geschrieben ist. 

Deswegen auch diese unterschwellige Erregung, denn dieses Buch, was mein Schützling gleich vorstellt und ein paar Kapitel lesen wird, besteht förmlich aus heißer Glut.

Mein eigenes Buch liegt gerade der Druckerei vor, alleine bei der Erinnerung, wie André mich das wissen lassen hat, grinse ich wie ein irrer Clown. 

Mein Buch steht bald in den Regalen, auch ich muss dann eine Lese-Reise machen, Buch messen, besuchen und viel Werbung trommeln, und ich freue mich darauf, dass es Menschen geben wird, die meine Geschichten lesen. 

Da mein Schützling noch mit ein paar männlichen Vertreter des Leseclubs redet, ziehe ich mein Handy aus der Jackentasche und öffne direkt die App. 

Jens: Na bist du fleißig am arbeiten? 

Flott schreibe ich ihn schnell zurück, es ist schon ein wenig merkwürdig, dass wir es irgendwie schaffen, nach all der Zeit auf der App noch Kontakt zu haben. 

Nur auf der App, keiner von uns fragt den anderen nach der Handynummer oder dergleichen, und das finde ich irgendwie erfrischend. 

Bei dem Motorrad-Typ ist es etwas anderes, oft habe ich bei ihm das Gefühl das sich ausschließlich alles um erotische Gespräche drehen muss, sonst gibt es nur Smileys, das wäre nicht schlimm wenn dann nicht doch ab und an Sätze kommen würden wir "ich finde dich sympathisch" oder "ich grinse mein Handy seit Tagen an". 

Klar grinse ich auch und ich finde ihn in gewisser Weise auch sympathisch, nur verstehe ich diesen Kontext nicht. 

Bin ich sympathisch, weil ich offen schreibe und für Spaß zu haben bin? 

Oder bin ich sympathisch, weil ich witzig und vielleicht auch etwas nervig bin? 

Ich weiß es nicht, und von ihm kommt auch nicht wirklich eine klare Antwort, deswegen schreibe ich relativ normal mit ihm weiter. 

Jedoch, wenn nur Smilies kommen, kommen die von mir auch. Ich stelle kaum Fragen, weil er kaum Fragen stellt, und er scheint keine Probleme damit zu haben. 

Im Prinzip kenne ich den Kerl nicht, nicht mal den Namen. 

Irgendwie stört mich das, nur weiß ich nicht genau, wieso es das tut. 

Motorrad-Typ: So habe ich die App jetzt auch. 

Cessy: Sehr schön.

Motorrad-Typ: Wie heißt du da? 

Nachdem ich meinen User Namen durch gegeben habe, bekomme ich keine Antwort mehr. Dafür bekomme ich eine Partnerschafts- Anfrage über die App meines Vibrators. Was mich nicht überraschen sollte immerhin habe ich ja gerade meinen Namen raus gerückt, verstohlen sehe ich mich um, die App ist auffällig und jemand der sie kennt weiß auch ganz genau was da alles passieren kann. 

Als ich die Anfrage bestätigt habe, schreibt er mir direkt. 

Dino: na das klappt doch schon mal

Cessy: super

Als ich die leise Stimme meines Schützlings höre, stelle ich mich in die nächste Ecke und behalte sie im Auge. Die Besucher sitzen oder stehen alle verteilt im Raum und sehen gespannt nach vorne. Auch ich sehe immer mal wieder zu ihr, doch ich kenne die Geschichte und ich bin eine von denen, die Hörbücher nicht gerne haben, ich lese lieber für mich und habe meine eigene Fantasie. Außerdem bin ich ja hier, um sie mental zu stützen, oder auch ein zu greifen, wenn etwas schief laufen sollte. 

Wieder sehe ich auf mein Handy, seit ich die Benachrichtigungen aus gemacht habe, vibriert es auch nicht mehr. Genau aus diesem Grund ist ständig mein Handy auch immer bei mir, oder ich sehe alle Nase lang nach. 

Dino: Bist du gerade beschäftigt? 

Ja, er wird wohl gemerkt haben, dass mein Schreiben etwas zurück gegangen ist, ich habe halt das Gefühl, ich würde ihn nerven, oder hinterher laufen. Und das ist unangenehm! 

Cessy: Ich bin auf einen externen Termin. Muss aber morgen zurück fahren. 

Dino: Wo bist du gerade? 

Cessy: in der Nähe von Hannover

Wieder sehe ich meinen Schützling, die Stimmung wird immer intimer und ihre eigene Stimme wird dunkler. Ich kann vieles sehr trocken aussprechen und ich habe auch kein Problem etwas zu erwähnen, aber ich muss bei der Erzählung gerade schlucken. 

Und ich dachte, mich bringt nichts so schnell zum Erröten. 

Dino: Wo genau?

Verwirrt sehe ich den Chat an, soll ich es wirklich sagen? 

Aber auf der anderen Seite wäre es doch sowieso egal, oder?..

Unschlüssig sehe ich mich um, wir wissen immer noch nicht, wie wir aussehen, und ich weiß auch nicht, was genau er für ein Typ ist. 

Und wenn er nachdenkt, kann er mich finden, hier werden ständig Bilder gemacht, auf irgendeins werde ich bestimmt drauf sein, mit Handy in der Hand. 

Oha, das sind ganz andere Gedankengänge, die mir eigentlich vollkommen egal sein sollten.

Cessy: Ich bin in der Ernst August Galerie, ich muss einen Schützling beaufsichtigen

Ich habe schnell beschlossen, dass es egal ist, welche meinen Job kennen, die meisten können damit sowieso nichts anfangen, also was soll's. 

Dino: Soll ich vorbeikommen? Ich könnte in einer Stunde da sein… 

Meine einzige Reaktion darauf ist es, panisch den Chat zu schließen und mein Handy in die hinterste Hosentasche zu schieben. 

Vorbeikommen? 

Wie, was.. 

Oh mein Gott, was mache ich, wenn er jetzt einfach losfährt?