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Ich verlor mein Zeitgefühl, während ich in dieser Badewanne lag und meinen Gedanken freien Lauf ließ. Zwar hatte ich nicht vor, all die Geschehnisse erneut vor meinem inneren Auge erleben zu müssen, allerdings musste ich mir eingestehen, dass es an der Zeit war, etwas Klarheit in diese Dinge zu bringen. Sonst würde ich niemals herausfinden können, was hier vor sich ging. Mein erster Gedanke galt dem Koma, welches ich durchlebt haben musste. Ein Jahr lang hatte ich in meinen eigenen Gedanken gelebt und mir Dinge eingebildet, die in der Realität niemals stattgefunden hatten. Dies nahm ich jedenfalls an.

Seit der Entführung durch Aiden, der sich neuerdings als ‚Hades' identifizierte, war von der Ruhe meines früheren Lebens nicht mehr viel übrig geblieben. Das, was ich gesehen hatte, konnte keine Einbildung gewesen sein. Ich hatte die Flammen auf meiner Haut gespürt und die Schreie in meinem Schädel einschlagen gehört. Wenn dies wirklich real gewesen war, wie konnte dies möglich sein? Befand ich mich wirklich in der Hölle und wie hatte ich diese so schnell wieder verlassen können? Wenn ich mich nicht sogar noch immer dort befand.

Meine Gedanken wanderten zu Lucifer, der mich dort in diesen Gängen gefunden und wohl oder übel gerettet hatte. Ich konnte mir noch immer nicht ganz erklären, wie er dazu in der Lage gewesen war. All die Monate zuvor war er mir in Form des normalen Lucs stets aus dem Weg gegangen und genau in dem Moment, in dem ich wahrlich Hilfe gebraucht hatte, tauchte er plötzlich auf. Ich schüttelte langsam den Kopf. Irgendetwas stimmte dabei nicht. Es ergab alles keinen Sinn. Die genähte Wunde an meinem oberen Rücken begann zu brennen, als ich mich in der Badewanne langsam aufzurichten begann und meine Beine an meinen Oberkörper heranzog.

Lucifer, der Mann aus meinen Träumen. Wortwörtlich. Luc war ihm so unfassbar ähnlich, nicht nur äußerlich. Dieses angenehme Kribbeln was entstand, sobald wir uns berührten. Genauso war es auch bei Lucifer gewesen. Womöglich verband mein Unterbewusstsein zu viel mit ihm, sodass er einen großen Teil dieses Traumes eingenommen hatte. Ich nahm ihn bereits nur noch als "Lucifer" war. Oder steckte vielleicht doch mehr dahinter, als ich derzeit annahm? Kerberos hatte sich zu einem wahrlichen Monster entwickelt, das war keinesfalls Einbildung gewesen. Die Wunde schmerzte noch immer aber sie fühlte sich schon deutlich besser an, seit Luc mich an diesen Ort gebracht hatte.

Das einzige, was mich zunehmend aus dem Konzept brachte, waren die beiden Personen, die an diesem Tag vor Lucs Haustür aufgetaucht waren. Nicht nur die Stimmen kamen mir bekannt vor. Sie nannten ihn Lucifer, was nicht möglich sein konnte. Womöglich hatte ich mich dabei auch nur verhört. Diese Stimmen jedoch.. selbst wenn ich diese Menschen nicht genau zu Gesicht bekommen hatte, ich kannte sie. Ich erinnerte mich daran, dass Luc mir nach meinem Erwachen aus dem Koma von Raphael erzählt hatte, seinem besten Freund, der bedauerlicherweise verstorben war. Das tätowierte ‚R' an seinem Handgelenk, solle ihn stets an ihn erinnern.

Dummerweise hatte ich nun nicht mehr darauf geachtet, ob er dieses Tattoo noch immer auf der Haut trug. Laut meinen Erinnerungen, hatte Lucifer solch ein Tattoo nämlich niemals besessen. Ich merkte, wie mir langsam Tränen in die Augen stiegen. Es könnte so einfach sein. Diese Erinnerungen konnten nicht real sein, warum also dachte ich überhaupt darüber nach, ob ich mich mit dieser Annahme täuschte? Was, wenn all diese Erinnerungen nicht gänzlich verfälscht waren und ich doch irgendetwas von dieser Zeit erlebt hatte? Konnte dies wahr sein? Konnte ich durch diesen Unfall so durcheinander gebracht worden sein, dass ich diesen Teil der damaligen Realität vergessen hatte? Wenn ja, wusste Luc davon? Oder hieß er nun doch Lucifer?

Obwohl ich mich bemühte, mich diesen überschwemmenden Gefühlen nicht hinzugeben, begann ich schließlich zu schluchzen und vergrub mein Gesicht an meinen Knien. Diese nicht enden wollende Welle an Gedanken überrumpelte mich und ließ mir keine Chance, über alles detailliert nachzudenken. Vor meinem inneren Auge tauchten zugleich Luc, als auch Lucifer auf. Wie ähnlich sie sich waren und in welchen Punkten sie sich dennoch unterschieden. Lucifer hatte mein Herz für sich gewonnen. Seit ich wusste, dass er und Luc nicht die selbe Person sein konnten, verspürte ich Luc gegenüber allerdings nicht das gleiche Gefühl. Ich war ihm dankbar, für das, was er getan hatte. Doch die Erinnerung an Lucifer schmerzte bei seinem Anblick umso mehr.

Des Teufels VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt