5. Kapitel | Erfüllte Vorahnung

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5. Kapitel | Erfüllte Vorahnung

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EINE VORAHNUNG, wusste Ginsterpfote seit einigen Momenten, würde er nie wieder unterschätzen. Jetzt hockte er mit seinen drei Weggefährten im Unterholz, das Herz laut pochend und wandte sich alle paar Augenblicke in die Richtung der Wiese der Krähen-Gruppe, die von vielen kahlen Bäumen und Büschen von den Vieren getrennt wurde. Auch Himbeerpfote kauerte sich hinter Rotpfote und hatte ihre linke Pfote unter den Körper gefaltet, während sie ihren hellcremefarbenen Kopf an einen Birkenstamm lehne und die Augen schloss. Dornenstreif kratze – unpassend zu allem, das Ginsterpfote je von ihm gesehen hatte – angespannt in der halb gefrorenen Erde. Rotpfote hingegen lief ungeduldig im Kreis um die drei anderen jungen Katzen herum.  

»Wir müssen hier weg!«, erklärte Dornenstreif zum bestimmt dritten Mal. Seine goldenen Augen wurden von Schatten verdunkelt, die Ginsterpfote durch die verdeckte Sonne erklärte, trotzdem zuckte er leicht zusammen.

»Du bist nicht der Anführer! Dahinten« – Rotpfote deutete mit dem Schweif zur nicht sichtbaren Krähen-Wiese – »befindet sich mit Sicherheit eine Clankatze, die etwas Geheimes vor hat und und gefährlich werden könnte!« Die Kätzin, die Dornenstreif sogar überragte, wenn sie sich aufbäumte, fauchte frustriert. Nicht böse oder wütend Dornenstreif, sondern auf diese unbekannte Katze, in der sie ganz klar eine Bedrohung erkannte.

»Gewisser Weise hat sie doch Recht..?«, wollte Himbeerpfote ihre beste Freundin in dem schon ewig andauernden Konflikt verteidigen, doch sie wurde so gut wie augenblicklich unterbrochen.

»Willst du uns etwa schon wieder Ärger einhandeln? Hat das gestern nicht schon gereicht?!«, fuhr Dornenstreif Himbeerpfote aufgebracht an, die erschrocken zurückzuckte. Der Krieger redete ohne Zweifel von der Aktion am vorigen Tag, an dem Himbeerpfote sie vier für die Vertretung der unbekannten Clankatze erklärt hatte.

Erbost erhob Dornenstreif sich und lief ein paar Fuchslängen tiefer in den Lichtwald hinein. Ginsterpfote und Rotpfote starrten ihn unverhohlen und entsetzt an, vor allem Rotpfote sah so aus, als würde sie dem Kater den plötzlichen Ausbruch nicht verzeihen. Er blieb erst stehen, als Himbeerpfote ihn rief. Er drehte seinen Kopf und schnurrte sarkastisch.

»Ich gehe jetzt unsere Mission fortsetzen und die Clans heimlich besuchen. Ich werde nicht wieder zur Wiese laufen, schließlich würden wir sofort entdeckt werden und damit alles ruinieren. Unser Schwindel ist aufgeflogen, da jetzt der Richtige gekommen ist, den die Krähen erwartet haben. Also, wir möchten doch alle den Willen der Ahnen befolgen, denn das sollten wir jetzt tun.« Sein peitschender Schweif streifte die Äste eines großen Gebüsches, an dessen Zweigen die ersten Knospen wuchsen. Über den Köpfen der Vier erstreckten sich hohe Birken, anders als dort, wo sie ihr Lager festgelegt hatten, wo die jungen Bäume wuchsen und Moos den Boden polsterte. Hier bedeckten altes Birkenlaub und vereinzelte Grasflecken die von kleinen Pfützen übersäte Erde. Der Himmel schleppte träge, dicke Wolken in der Farbe von Gestein, da es in der Nacht erneut geregnet hatte. Ginsterpfote lag immer noch aus der Puste nahe dem schwarz-weißen Stamm einer Birke und beruhigte seinen Atem vom Sprint, den er zusammen mit Himbeerpfote von dem zerfallenen Zweibeinernest bis hier her gemeistert hatte. Die cremefarbene Kätzin hatte sich während den langen Worten ihres Clangefährten aufgerichtet, wobei sie eine Pfote leicht in der Luft hielt.

»Du hast ja Recht«, kam sie Rotpfote zuvor, die bereits ihr Maul öffnete, »aber wir werden dieser Sache an einem anderen Tag nachgehen. Die Wahrung die Maus uns überbrachte und was sie über unsere Clans sagte, klingt wichtig.« Ihr grüner Blick blieb steinern, als Dornenstreif langsam nickte.

»In einem Viertelmond kehren wir hierhin zurück«, fügte Ginsterpfote hinzu. Bisher hatte er sich kein bisschen an der Auseinandersetzung beteiligt, doch er wollte die Meinung der Kätzinnen unterstützen, da sie seiner eigenen glich.

»Spätestens«, beharrte Rotpfote und schenkte Ginsterpfote einen dankbaren Blick. Jetzt stand es Drei gegen Einen und da Dornenstreif bereits bei Himbeerpfotes Vorschlag genickt hatte, konnte er nun nichts mehr tun, als wieder seine Zustimmung auszudrücken.

»In Ordnung«, miaute er barsch, als sei es ihm unangenehm.

»Dann werden wir wohl zurückkehren, in die Heimat.« Rotpfote seufzte.

»Wir werden sie versteckt beobachten«, korrigierte Himbeerpfote. »Ich will nicht wissen, wie es Nebelpfote damit geht, dass wir verschwunden sind.«

»Mach dir keine Sorgen«, versprach Rotpfote und fuhr mit der Zunge über ihr schönes, weiß, rot und braun gemustertes Fell. Ist das etwa Angst in ihren Augen?, fragte Ginsterpfote sich, bevor die gleichaltrige Schülerin fortfuhr. »Er wird es uns nicht übel nehmen können, sobald wir zurückkehren.«

Ginsterpfote kam seine Schwester in den Sinn, an die er beinahe den halben Tag dachte. Wie ging es ihr? Suchte der Clan nach ihm? Was machten Feuerpfote und Lilienpfote? Sie mussten inzwischen Krieger sein, wie Glutstern es einen Sonnenaufgang von der Durchsetzung des Plans angekündigt hatte. Der Heilerschüler dachte auch an Muschelfrost und seine Zieheltern, die so verwundert und verwirrt über das Verschwinden ihres Schülers und Ziehsohnes sein mussten. 

»Kommst du?«, forderte Rotpfote Ginsterpfote auf, der sich sogleich in Bewegung setzte. Er zuckte kurz verwirrt mit den Ohren, als er Himbeerpfotes gekrümmte Pfote bemerkte, die vor ihm herhumpelte und versuchte mit Dornenstreif mitzuhalten.

»Alles in Ordnung, mit deiner linken Pfote?«, erkundigte er sich deshalb und legte den Kopf fragend schief. Die Cremefarbene hielt inne und verlangsamte ihr hastiges Tempo, damit sie sich an ihn wenden konnte. Sie ließ sich zurückfallen und stolperte nun neben den besorgten Heilerschüler, während Rotpfote zu Dornenstreif aufschloss, der eine Fuchslänge Vorsprung besaß.

»Ich denke, ich bin auf dem Baum gestern umgeknickt. Zu der Zeit tat es nur ein bisschen weh, aber jetzt kommt sie mir sogar ein wenig verdreht vor. Das Laufen tut weh.« 

»Ich kenne mich wenig mit Brüchen und Verrenkungen aus«, gestand Ginsterpfote verlegen, »aber ein Rankenwickel als Stütze würde ziemlich sicher helfen. Ähnlich wie bei deiner Verbrennung nach dem Kampf gegen die Hunde«, erklärte er fachlich. Sein Blick schweifte ohne großes Zutun auf die Stelle an Himbeerpfotes Vorderlauf, wo ihr Fell nur spärlich eine noch leicht gerötete Stelle bedeckte. »Das wird eine Narbe geben«, beurteilte er die alte Verbrennung.

»Ich weiß«, seufzte Himbeerpfote. »Wobei ich eine Nabe für eine heldenhafte tat vorgezogen hätte.«

Stille senkte sich über die beiden. Inzwischen führten sie schon deutlich längere und angenehmere Gespräche, doch am wohlsten fühlte sich Gisnterpfote merkwürdigerweise bei Rotpfote. Er hatte das Gefühl, dass sie die einzige war, die ihm keine urteilenden oder voreingenommenen Blicke schenkte, vermutlich weil sie auf jeden mit einem offenen herzen zuging und ihn erst dann einschätzte.

»Was hältst du davon«, nahm Gisnterpfote das reden erneut in die Pfote, »wenn ich dir – sobald wir am Birkenlager angekommen sind – einen Rankenwickel mache, damit du vernünftig mit zum Clanterritorium reisen kannst.«

»Das ist eine gute Idee«, bestätigte sie und begann wieder schneller zu laufen, vermutlich um mit Rotpfote reden zu können. Jetzt lief Ginsterpfote wieder allein, doch diesmal störte es ihn kaum. Er zog es zwar vor, in Gesellschaft zu beleiben, doch jetzt hatte er wieder Zeit gefunden, seinen Gedanken nachzuhängen. Und wie so häufig widmeten sich diese der Vergangenheit. Was wäre passiert, wenn ich geredet hätte? Zu der Zeit, kurz nachdem er sich mit Spinnenpfote gestritten hatte und sein Kopf kaum Platz gehabt hatte, neben all dem Wunschdenken, Verdrängen und den Visionen der Geisterkatzen, erinnerte er sich, hatte Haselblüte, seine Ziehmutter, ihm angeboten, mit ihr zu reden. Doch selbst wenn er diese Möglichkeit in Erwägung gezogen hatte, war sie augenblicklich weggeschoben worden, von negative Last auf seinen Schultern. Nach dieser Sache, so nahm er sich vor, würde er mit der goldenen Langhaarkätzin reden. 


WARRIOR CATS - Nebeljäger | Band IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt