Kapitel 31

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Haydens Sicht:

Matthew versucht seid gestern ständig mit mir zu reden. Aber ich bin noch nicht soweit. Mein Kopf sagt mir, dass mein Herz nicht soweit ist. Das alles in mir nach Hilfe schreien würde, sobald er auch nur ansetzt zu reden. Und Matthew weiß das. Er weiß es ganz genau.

Mir auf die Lippe beißend trete ich Matt gegenüber. Für eine Sekunde veharre ich, tippe ihm dann aber doch auf die Schulter. Ruckartig dreht dieser sich um, nimmt seine Kopfhörer aus den Ohren und schiebt seinen Computer sofort etwas weiter weg. "Ja?" Seine Stimme ist rau, als hätte er länger nicht gesprochen. "Du wolltest mit mir reden.", räuspere ich. Mit einem Nicken signalisiert er, dass ich weitersprechen konnte. "Aber ich bin noch nicht so weit." Ich erkenne den Hauch von bitterer Enttäuschung auf den Zügen seines Gesichts, aber sie weicht allmählich. "Das kann ich gut nachvollziehen. Falls du reden möchtest, ich bin hier." Als wäre das alles, was zwischen uns gesagt werden müsste, dreht er sich wieder um und stöpselt seine Hörer ein. Beinahe ignorant fokussiert er sich wieder auf seine Arbeit und lässt mich im Stillen stehen. Aber ich konnte ihn nichtmals beschuldigen, etwas falschgemacht zu haben. Denn mit dem was ich gesagt habe, habe ich wahrscheinlich gerade einen noch größeren Keil zwischen uns gejagt, als er er schon war.

"Es sind nur noch ein paar Wochen.", höre ich Timothy nuscheln. Matthew nickt gedankenlos vor sich hin, scheint ihm aber nicht ganz zuzuhören. Das Abendessen ist kalt, weil ich nichts runterbekomme. Seitdem ich Matt gesagt habe, dass ich nichts klären will, ist es komplizierter mit ihm und mir. Es kommt mir fast schon so vor, als hätte ich ihn verletzt mit meinen Worten. War ich zu harsch gewesen? Vermutlich. Hätte ich es ihm anders sagen sollen? Nein. Es war richtig. Aber es tut verdammt weh, ihn so zu sehen. So...geistesabwesend. Ich meine, er ist da. Aber irgendwas fehlt. Irgendetwas in ihm fehlt. Aber was?

Ich halte mein Handy in die Höhe, als würde ich so schneller an WLAN kommen. Glücklicherweise geht der Anruf zu meiner Mom aber doch durch, denn auf meinem Display flackert ein klitzekleines klingelt..., auf. Und dann macht es urplötzlich einmal laut Klick und der andere Hörer wird abgenommen. "Hey, Liebling. Wie geht's dir?" Ich lächle sanft, als ich Moms entspannte Mimik beobachte. Gott, ich vermisse sie so. "Ganz gut soweit.", antworte ich lächelnd. "Hast du dich bezüglich meiner Frage entschieden?" Ich lege meinen Kopf schief, schüttele ihn dann aber wieder. "Ich habe kurzzeitig darüber nachgedacht. Aber es ergibt für mich einfach keinen schlüssigen Sinn. Ich will ihn bei mir haben, Mom." Ich seufze frustriert. "Aber ich würde ihn am liebsten auch von mir fernhalten und nie wieder auch nur ansehen."

Meine Mutter sieht mich stumm an. Für eine Sekunde denke ich, der Bildschirm ist eingefroren, aber dann öffnet sie den Mund. Kopfschüttelnd schließt sie diesen wieder. "Habe ich dir jemals erzählt, wie ich deinen Vater kennenlernte?" Die Braue hebend verneine ich. "Aber was hat das damit zu tun?" Ein Grinsen legt sich auf ihre Münder. "Hab Geduld, Schatz." Sie atmet tief ein- und aus.

"Dein Vater und ich gingen damals auf unterschiedliche Schulen. Bis zum College. Früher war alles anders. Unsere Eltern waren nicht sonderlich begeistert, wenn wir uns mit Jungs rausgeschlichen haben." Ich höre ihr aufmerksam zu, versuche die Absicht hinter der Geschichte zu verstehen. "Aber irgendwann habe ich deinen Vater getroffen. Wir sind dicke, enge Freunde geworfen. Wenn nicht sogar, aller beste Freunde. Mehr als fünfzehn Jahre haben wir einander beigestanden. Und dann ganz plötzlich, war er weg. Ich war alleine, saß Zuhause in meiner kleinen Stube, habe Kaffee getrunken. Und da habe ich verstanden, dass Freundschaft kaum anders ist als Liebe." Ihre Augen funkeln erfreut auf. "All die Jahre habe ich deinen Vater geliebt. Aber ich habe nie verstanden, wie sehr ich ihn geliebt habe. Bis zu diesem einen Tag."

"Gott, hätte ich die Wahl, es früher verstanden zu haben, würde ich keine Sekunde zögern." Ich lächle, fast schon wie automatisch. "Aber Matthew ist nicht so." Die plötzliche Themenschwankung lässt mein Lächeln wieder erlöschen. "Er hatte eine andere Kindheit." Ihre Nase kräuselt sich nachdenklich, als würde sie über die alten Zeiten nachdenken, ihren hübschen Kopf darüber zerbrechen. "Er wurde erzogen, wie ein Chirurg zu denken." Ich sehe auf. "Er zerschneidet Herzen, weil er es kann, Hayden." Als sie das sagt, bleibt alles in mir stehen. "Er ist ein unfassbar mühseliges Rätsel." Ich will gerade Einspruch einlegen, als sie mich anhält. "Aber die schwersten Puzzles sind die schönsten." Verwirrt mustere ich sie.

"Was willst du mir damit sagen?", hake ich ungeduldig nach. "Ich glaube, dass du dich Hals über Kopf in Matthew verliebt hast. Aber ihr habt beide solche Angst vor etwas, dass vielleicht gar nicht eintritt." Sie beobachtet mich haarscharf. "Ihr habt Angst davor, dass ihr eure gute Freundschaft verliert." Nickend mustere ich meine Finger.

"Ihr habt Angst zu fallen, obwohl ihr noch gar nicht gesprungen seid."

Dear Diary, I fell in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt