Matthews Sicht:
Gähnend schlage ich meine Augen auf. Der Raum ist noch abgedämpft, als würden alle anderen noch tief und fest schlafen. Aber ich bin hellwach.
Auf Zehenspitzen schleichend husche ich ins Bad und stelle mich wenige Sekunden später unter die kalte Dusche. Das Wasser prallt sanft auf meine Haut nieder, manche schwerer, manche leichter. Die Kälte weckt meine Sinne, wischt mir die Müdigkeit aus dem Gesicht. Meine Haare hängen mir in die Stirn, meine Augen fest geschlossen.
Ich weiß nicht wie lange ich so dagestanden habe, aber es vergingen Minuten. Wenn nicht sogar einige Jahre, bis ich mich bereit gefühlt habe, wieder herauszugehen. Ein Handtuch um meine Hüfte gewickelt, fahre ich mir durchs klatschnasse Haar, richte es etwas vor mich hin. Im Zimmer ist ein kaum hörbares Grummeln wahrzunehmen, aber ich mache mir keine wirklichen Gedanken darüber. Mein Kopf ist völlig ausgeschaltet, seid langen bin ich endlich Mal wieder im Hier und Jetzt. Es fühlt sich komisch, aber auch gut an. Meistens unterdrücke ich meine düsteren Gedankenschweifer, die immer mal wieder auftreten. Häufig geht es um Mom, aber ich wäre nicht Matthew Pronder, wenn ich das durchstehen könnte. Ich würde in ihre Fußstapfen treten. Und scheiße, ich freue mich mehr darauf, als ich es sollte. Auch wenn ich Angst davor habe, nicht genug zu sein, meiner Mom nicht würdig genug zu sein, - will ich es probieren. Zumindest solange ich atme und lebe. Solange ich liebe und loslasse. Solange ich hier stehe und mit erhobenen Kopf zum Himmel sehe.
"Bist du da drinnen?", die heisere Stimme von Hayden dringt durch die Badezimmertür. Aber ich antworte nicht. Beschäftigt mit meinen eigenen Überlegungen starre ich emotionslos in den weiten Spiegel. Meine Augen bohren sich in das Spiegelbild meinerselbst, aber ich sehe nichts als Leere in diesen. Nicht einen Hauch von Gefühle. Keine einzige Emotion. "Matt?", haucht Hayden erneut. Ich weiß nicht, was er von mir will, aber es ist sicherlich nicht wichtig genug. Mein Blick heftet sich wieder auf das, was vor mir liegt. Doch. Meine innere Stimme zermürbt mir fast den Schädel, so laut wie sie spricht. Jetzt sehe ich was. Nachdenklich fahre ich das Bild nach. Müdigkeit. Ich bin gestresst, erschöpft und am Ende meiner Kraft. Aber ich lebe. Ich existiere zumindestens.
"Ich komme jetzt einfach rein." Die Tür gibt langsam nach. Hayden scannt mich von oben bis unten ab. Für eine Sekunde fällt mir auf, dass er an meinen Lippen hängenbleibt. Aber nur für eine Milisekunde, denn danach greift er nach seinem Handy, dass merkwürdigerweiser auf dem Armaturenbrett seinen Platz gefunden hatte. "Hab's bloß vergessen. Sorry." Seine Taten sprechen mehr Worte, als er es tut. Und es verwirrt mich. Nicht zum ersten Mal, denn seine Worte wiedersprechen sich mit dem, was er tut. Er sieht mich an, als würde er mir am liebsten die Kleider vom Leib reißen und trotzdem spricht er mit mir, als würde er mich hassen. "Klar.", entgegne ich etwas verzögert, starre ihm nach.
Als er das Bad wieder verlassen hat herrscht eine Welle von Geräuschlosigkeit in der Hütte. Seufzend greife nach der Türklinke und laufe in den leisen Raum. Alle anderen versuchen ihre Augen weiterhin geschlossen zu halten, während ich Samuel beim Lesen erwische und Hayden wach auf dem Bett erblicke. Beide von ihnen sehen nicht wirklich in der Stimmung aus, über etwas zu reden. Also beschließe ich meine Klamotten zu schnappen und mich im Ankleidezimmer umzuziehen. Gesagt, getan.
Meine Haare sind mittlerweile trocken, während ich mich durch den Wald bewege. Meine Füße tragen mich über den Boden, mein Kopf verstummt. Das einzige was ich höre ist die leise Musik meiner Kopfhörer. Ich lausche dem nächsten Lied aufmerksam, während ich durch das nächste Wiesenfeld jogge. Der sanfte Wind kommt mit dabei entgegen, kühlt die starken Strahlen der Sonne ab. Einerseits bin ich entspannt, aber andererseits habe ich mich seid Tagen nur gestresst und angespannt gefühlt. Seid dem...
Als mir der Gedanke kommt, schlucke ich schwer. Seid dem Mom verstorben ist, bin ich anders. Fast schon gleichgültig. Nichts hat mir so viel bedeutet, wie sie es getan hatte. Es hört sich komisch an, aber niemand war mir so viel wert, wie meine Mom. Ich hab ihr früher immer gesagt, dass ich Angst davor habe, nicht gut genug zu sein. Für Dad. Hauptsächlich für ihn. Denn meiner Mutter ging es nie um Leistungen, oder Pokale. Sie war stolz auf mich. Egal, was ich tat, in welche Fußstapfen ich trat. Sie hat mir erzählt, dass sie es im Endeffekt so oder so nicht beeinflussen kann. Das sie sich freuen würde, aber mich nicht zwingen will Chirurg zu werden. Eigentlich wollte sie nur, dass ich glücklich bin. Und siehe an. Jetzt bin ich hier, laufe durch einen abgeschotteten Wald, lasse alles was in den letzten Tagen geschehen ist Revue passieren.
Doch, auch wenn ich dachte es hilft - mein Herz bleibt genau gleich schwer.
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Dear Diary, I fell in love
RomanceEin vergangenes Jahr. Ein neuer Sommer. Fünf unzertrennliche Freunde. Ein gemeinsames Abenteuer. Mein Herz schlägt viel zu schnell, als er mich so ansieht. Seine Augen starren mir auf die Lippen, während seine Hand sanft eine Haarsträhne aus meinem...