Kapitel 29

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Haydens Sicht:

Der morgen ist noch schlimmer, als der gestrige Abend. Alles in mir dreht sich, ständig muss ich innehalten und tief ein- und aus atmen, um überhaupt auf beiden Beinen stehen zu bleiben. Und um Himmels Willen, ich wünschte es würde Matthew auch nur ansatzweise beunruhigen, dass wir nichts mehr miteinander zutun haben. Aber anstelle von Furcht, oder Reue, zeigt er nichts. Keine einzelne Emotion. Manchmal denke ich fast, dass alles hat ihm nie etwas bedeutet. Das ich ihm immer egal war. Hauptsache alles außerhalb stimmt, richtig? Das war typisch Matthew Pronder, der einfach frei Schnauze rumlief und das tat, was seinem Herzen guttat.

Dennoch könnte ich Kaya von dem Frühstückstisch aus ermorden und ihr das schlimmste wünschen, was einem Menschen passieren kann. Wie kann man solch eine Kreatur lieben? Jemanden so falschen? Wie kann Matt mir das antun? Kopfschüttelnd versuche ich mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. "Was machst du so?" Ich lächle den Display meines Handys eingefroren an, als meine Mom nach meinem Wohlbefinden fragt. "Ganz gut. Dieses Jahr war einiges los.", nuschele ich. Sie lächelt mir aufmunternd zu. "Ich weiß. Wir haben von Hilarie gehört." Ich nicke ihr knapp zu. Hilarie war die Mutter von Matt und gute Freundin von meiner Familie.

"Ich und die Jungs haben nächstes Jahr einen Gutschein." Ihre Mundwinkel ziehen sich sofort hoch. "Die E-Mail habe ich bereits erhalten. Du kannst gerne gehen." Nun bin ich auch am grinsen und mustere sie genauestens. "Gehen die anderen auch alle mit?" Ich sehe auf den Bildschirm, während meine Mutter ganz entspannt auf dem Sofa sitzt und irgendetwas strickt, oder häkelt. Den Unterschied dazwischen habe ich nie ganz verstanden. "Matthew wird Chirurgie studieren, ansonsten geht jeder mit, ja." Sie sieht interessiert auf, richtet ihre Brille sanft. "Das ist schön zu hören, Hayden." Ihr lieblicher Blick liegt auf mir. "Wir vermissen dich. Deine Schwestern drehen durch, wegen all dem Arbeiten." Ein Augenverdrehen geht von ihr aus. "Dein Vater überarbeitet sich, wie immer. Aber das kennst du ja." Ich nicke sofort, kann ein Feixen aber nicht ganz verkneifen. "Und Mila?" Sie steht unerwartet auf, lässt mich stirnrunzelnd zurück. "Mom? Hallo? Bist du noch dran?" Ich warte geduldig, aber mehrere Minuten lang passiert gar nichts.

"Mila geht es prächtig.", ertönt es plötzlich leise und Mom setzt sich mitsamt meiner Katze zurück auf das Sofa. Ein leises Miauen und Schnurren ist hörbar, als meine Mutter über ihr flauschiges, unglaublich weiches, Fell streichelt. "Ich vermisse euch auch, Mom.", murmele ich und beobachte jeden einzelnen Schritt von Mila. "Du kommst ja bald zurück, Schatz.", erwidert Mom abwegend. "Ja, das stimmt. Aber trotzdem. Ich kann es kaum erwarten, endlich wieder Zuhause zu sein." Ihre entspannten Gesichtsmuskeln beruhigen auch mich. Es ist immer schön, etwas von Zuhause zu hören, besonders wenn Mila mit dabei ist. Ich liebe Katzen. Und sie ist mir von Anfang an ans Herz gewachsen. "Ich nehme an, dass du dir Sorgen bereitest, darüber was Matthew mit seinem Leben anstellt?", wechselt sie das Thema und stiert mich neugierig an. "Naja, momentan sind wir mehr...zerstritten. Es ist etwas kompliziert, okay? Ich will einfach, dass es schnell umgeht." Sie neigt ihren Kopf leicht zur Seite.

"Willst du, dass die Zeit schneller umgeht, oder der Streit?" Ich öffne meinen Mund, schließ ihn aber sogleich wieder, weil ich keine Antwort zu dieser Frage habe. "Ruf mich wieder an, wenn du die Antwort weißt, Liebling." Damit legt sie auf. Die Stille die mich umhüllt, lässt einen eisigen Schauer über meinen Rücken laufen. Wenige Augenblicke später, öffnet sich die Tür und Matt und Tim kommen hereinspaziert. "Wie liefs mit deinen Eltern?", hakt Timothy nach, während Matt ohne zu Zögern an mir vorbeiläuft, als wären wir Fremde. Ohne Gefühle zu einander. Als wären wir Menschen, die es nicht wert wären, gehalten zu werden. Menschen, deren Namen man sich nicht merkt, weil man sich nie um sie geschert hat. "Ganz gut, schätze ich.", erwidere ich leise und folge Matts Gestalt mit meinen Augen. "Sicher." Ein Nicken geht von ihm aus. "Brauchst du irgendwas?", murrt Matthew genervt, als hätte er mein Gestarre gemerkt. "Nein.", nuschele ich und verlasse sogleich den Raum.

Und das einzige, was mir immer noch im Kopf nachhallt, sind die Worte meiner Mutter. "Willst du, dass die Zeit schneller umgeht, oder der Streit?"

Dear Diary, I fell in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt