Kapitel 10

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Matthews Sicht:

Mein Atem wird flacher, mein Kopf schwirrt voller Gedanken. "Ist es wahr?", höre ich Sam gedankenlos nachfragen. Und ich stehe nur da, wie angefroren. Habe meinen eigenen besten Freund belogen und betrogen. Habe sein Vertrauen gebrochen. "Ja." Tims einsilbige Antwort lässt mich aufsehen. "Alles was er gesagt hat stimmt, Samuel.", rückt es langsam aus ihm nach, während er seine eigenen Arme behutsam um legt. "Warum hast du es nie erwähnt?" Mein Blick huscht zu Tim herüber, der angestrengt die Lippen zerkaut.

"Wieso ich es nicht gesagt habe? Weil ich Angst hatte. Weil mein gesunder Menschenverstand gesagt hat, dass mein dämliches Herz das nicht mitmacht." Er blinzelt verletzt die Tränen zurück, starrt Sam verzweifelt an. "Was hätte ich denn tun sollen? Sagen, dass es deine Schuld ist? Was ist, wenn sie mich rausgeworfen hätten, weil sie von uns mitbekommen hätten?"

Samuel zuckt mit den Schultern. "Was hätte ich meinen Eltern entgegenbringen sollen, wenn sie von all dem hier Wind bekommen hätten, Samuel?", fragt Timothy erneut, sucht nach dem Augenkontakt zu ihm. "So weit hast du es ja nie kommen lassen, Tim.", flüstert Samuel bitter zurück und verlässt keine zwei Sekunden später sprachlos die Hütte. Ich spüre Tims wütenden Blick auf mir, aber ich wage es nicht, mich auch nur in seine Richtung zu drehen. "Du kannst froh sein, dass ich dich normalerweise echt gut leiden kann, Matthew."

Draußen im Wald herrscht eine Todesstille. Nichtmals die Vögel beginnen zu zwitschern, als die Äste und das Laub unter meinen Füßen rascheln. Ich sehe zum Horizont auf, verfolge die  untergehende Sonne. Wenn ich zurückgehe, wird Hayden mich ausbremsen. Er wird mich wahrscheinlich kaum ansehen, oder auch nur ein Wort mit mir austauschen. Aber das habe ich verdient. Rein theoretisch, war es meine Schuld, dass es Sam schlecht ging. Aber ich hatte keinerlei Reuegefühl. Eigentlich hätte ich all das wieder und wieder gemacht. In keiner einzigen meiner Sichten hätte ich es jemals verändert. Sam hatte die Wahrheit verdient. Und ja, vielleicht sollte diese von Tim kommen. Aber ich wusste, dass er zu viel Angst dazu hatte. Das Timothy nicht zögerlich, sondern feige war. Und wenn er der Wahrheit auch nur einmal das Gesicht gezeigt hätte, dann wüsste er das auch. Denn Liebe sieht nicht so aus. Man versteckt nichts. Es ist ein blindes Bündnis, dass zwischen zwei Menschen hängt. Eines das schwer zu lösen ist und wenn man es tut, schmerzhafter als alles andere ist.

Meine Hand streift sanft über die raue Holzrinde des Ahornbaumes. Die Stille, mit der mein Körper und meine Seele im Einklang ist, bringt mich fast schon dazu, für immer hierzubleiben. Aber das wäre idiotisch. Selbst für mich. Nach einer Weile beginnt mein Handy zu vibrieren, aber ich reagiere nicht. Selbst als ich angerufen werde, sperre ich mich aus. Laufe bloß den abgeschlossenen Weg entlang, sehe nicht einmal zurück.

Ich sehe auf. Die Sonne ist fast komplett erloschen. Ein unangenehmer Windzug gleitet über meinen Rücken. Fast sofort entdecke ich eine kleine Nische, die hinter einem Baum ist. Sag ihnen einfach du bist hier eingeschlafen. Ich lächle sanft. Hayden würde ausrasten, wenn er das erfährt. Aber er war eh schon wütend, also folge ich einfach meinem Instinkt. Ich habe das seit Ewigkeiten nicht mehr gemacht. Eigentlich seid dem meine Eltern und ich uns zerstritten haben. Früher war'n wir oft campen, mein Vater hat für uns gegrillt. Meine Mom war am Gemüse schnibbeln, während ich schon Marshmallows übers Feuer gehalten habe.

Ein gebrochenes Lächeln huscht über meine Lippen. Ich sitze so tief in der scheiße. Wenn ich Zuhause bin, geht es nur um meine Zukunft und das ich Medizin studieren soll. Aber eigentlich will ich das gar nicht. Ich mag es zu zeichnen. Damals habe ich mehrmals Portraits angefertigt, manchmal sogar Leinwände angemalt. Aber dann ist mein Hobby mir weggenommen worden. Ich durfte mit einem Skapell Puppen bearbeiten und Organe aufzählen. Ich war eigentlich nur eine Marionette meiner Eltern. Das einzige was mich früher gerettet hat, war das Surfen an den kalifornischen Klippen. Es war befreiend. Aber selbst das haben sie mir genommen. Sie haben mich bearbeitet, mir die Art und Weise, wie ich bin und sein soll, vorgeschrieben. Alles was ich bin ist eigentlich einfach nur eine Maske.

Ein trauriges Spiel, in dem ich immer der Verlierer war.

Dear Diary, I fell in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt