Matthews Sicht:
Die Stille im Raum frisst mich beinahe auf. Hazel sieht mich stumm an, während die anderen ihre Hände anstarren. "Fuck.", bricht der erste die Ruhe. "Sorry.", fügt er sofort hinzu, als alle sich zu Sam umdrehen. Tim sitzt nur schweigend da, sein kompletter Körper gekrümmt. Sein Kopf eingezogen, Hände auf dem Schoß. Erst bermerke ich nicht, dass er weint, aber nach einer Weile bricht ein sanftes Schluchzen die tonlose Unruhe. "Timothy..." Sam setzt sich zögerlich zwischen mich und Tim, zieht diesen beschützend näher an sich. "Es geht ihr jetzt besser...", raunt Samuel leise in sein Ohr, streicht immer wieder beruhigend durch das Haar von Timothy. Ich bin mir nicht sicher, welche Beziehung Tim und Gavins Schwester hatten, aber ich war mir sicher, dass die beiden sich gekannt hatten. Zumindest flüchtig.
Eine Weile lang ruhen unsre mitleidigen Blicke auf Tim, bevor wir uns langsam zurückziehen. Wir alle wissen, dass Gavin vorerst in Miami - seiner Heimstadt - bleiben wird. Vielleicht so lange, bis die Mauern seines selbst wieder aufgebaut sind und er weiß, selbst wenn wir ihm unser Beileid ausrichten, dass er keine Reaktion zeigen wird. So war er. Eigentlich trug er einen riesigen Rucksack auf dem Rücken, der voll war mit den schwersten Beton, dass man finden kann. Man sieht ihm nichts an, denkt er ist tough. Aber eigentlich ist er nur ein Haufen Schutt. Ein gebrochener Mensch, mit zerschlagenen Herzen. Einen Hauch von Furcht und Verlust bringt Gavin dazu, die Fahne segeln zu lassen und sich ganz alleine ins Meer zu stürzen.
Und irgendwie glaube ich ihm. Ich meine, er hat alles lebenswerte verloren. Außer Hazel vielleicht. Aber diese ist gerade tausende von Kilometern entfernt und kann nichts tun, außer ihm alles Gute zu wünschen. "Denk nicht zu viel drüber nach, Matt. Die Falten bleiben." Haydens zärtliche Haut seines Fingers fährt über meine Stirn. Ich lächle schwach, sehe zu ihm auf. "Ich glaube, er kommt nicht zurück..." Hayden schüttelt verschwiegen seinen Kopf, sieht mich mit einer ausdruckslosen Miene an. Es ist beinahe so, als wäre alles in seinen Augen fort. Die Wärme, die Liebe. All das ist weg.
"Manchmal ist es leichter, etwas loszulassen, wenn es dir eh schon die Hand verbrennt, Matthew." Seine raue Stimme umhüllt mich vollkommen. "Ich hab das Gefühl, dass Gavin daran zerbrechen wird. Ich meine...er ist stark. Und ich würde niemals sagen, dass er es nicht packt. Aber irgendwas in meinem Kopf sagt mir, dass er es nicht verdient hat. Irgendetwas flüstert mir leise zu, dass er daran zu Grunde gehen wird. Egal, wie sehr ich mir einrede, dass er es schafft." All diese Zweifel, strömen gleichzeitig aus meinem Mund. Rauben mir den letzten Nerv und lassen mich in Panik verfallen. Er lächelt mich beruhigend an. "Die Antwort liegt in deiner Frage, Matt.", wispert er.
"Was meinst du? Ich habe Angst. Ehrlich gesagt, eine schreckliche Furcht. Vor allen möglichen Dingen. Vor Verlusten, vor..." Ich stoppe, als ich realisiere was ich fast gesagt hätte. Vor dem Krankenhaus. Ich habe Angst es zu übernehmen. "Ich weiß, Matthew. Das hat jeder. Und auch Gavin fühlt sich so." Er zieht mich näher an sich, legt seine Arme besorgt um meinen Körper. Ich setze gerade an zu reden, als er mich leise ausbremst. "Shhh..."
"Es ist alles gut. Gavin wird zurückkehren. Du kennst ihn, okay?" Ich nicke wie versteinert, halte mich an Hayden fest. Inhaliere seinen beruhigenden Duft. "Hör einfach auf, deinen hübschen Schädel wegen so etwas auseinanderzubrechen. Verstanden?" Ein halbes Lachen entflieht mir. "War das ein Kompliment, weil ich so schöne Haare habe?", scherze ich und löse mich wieder von meinem besten Freund. "Kann man so, oder so sehen.", erwidert er bloß grinsend und legt seinen Kopf neugierig schief. "Eigentlich sind deine Haare nicht das schönste an dir." Ich lächle, sehe ihn aufmerksam an.
"Es sind deine Augen.", flüstert er. Meine Wangen erhitzen sich urplötzlich. "Hör auf so sehr zu schleimen.", gebe ich lachend von mir. "Ich meins ernst, Matt.", sagt er augenverdrehend. "In einem gewissen Winkel wirken sie so verloren in der Welt, dass ich für immer in ihnen versinken könnte." Er lächelt verträumt. "Und manchmal sind sie so kalt, wie Eis. Als ob du einen Lichtschalter hast, den du einfach nur einmal drücken musst. Und all dieses Licht in dir geht aus. Es erlischt." Ich senke meinen Kopf.
"Und dann siehst du aus, als hättest du seid Jahren kein Licht mehr gesehen. Als wärst du eine Kerze, die ausgebrannt ist. Und niemand ist in der Nähe, um dich erneut zu entflammen." Seine Worten treffen mich wie Messer, lösen etwas in mir aus, dass ich nicht ganz verstehen kann. "Manchmal denke ich dann, dass dich dieses Licht, dass du schon lange nicht mehr in dir trägst, kaputt gemacht hat. Das es doch von innen zerfrisst hat. Aber dann sehe ich dich lachen, lausche deiner Stimme." Er atmet tief ein- und aus. "Und dann merke ich, dass ich Recht hatte." Er stoppt, tickt fast schon unauffällig meinen kleinen Finger an. "Womit hattest du Recht?", hauche ich bedrückt.
"Du bist gut im Schauspielern geworden. Und ich weiß, von wem du das hast." Sein trauriges Lächeln umspielt seine Mundwinkel. "Du bist so gut geworden, dass selbst ich es nicht mehr bemerke."
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Dear Diary, I fell in love
RomansEin vergangenes Jahr. Ein neuer Sommer. Fünf unzertrennliche Freunde. Ein gemeinsames Abenteuer. Mein Herz schlägt viel zu schnell, als er mich so ansieht. Seine Augen starren mir auf die Lippen, während seine Hand sanft eine Haarsträhne aus meinem...