Kapitel 4 - Arthur

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„Habt Dank Abenteurer, vielen herzlichen Dank! Unser bescheidenes Dorf wird für immer in eurer Schuld stehen und wir werden euch am kommenden Ruh-Tag in unsere Gebete einschließen.“ Der junge Dorfvorsteher, der das Amt vor nicht allzu langer Zeit von seinem Vater geerbt haben mochte und der somit nicht unbedingt für Demokratie stand, verneigte sich wiederholt und so tief, dass seine Nasenspitze fast den Boden berührte. Arthur begann es langsam unangenehm zu werden. Der blonde Hüne begann sich nach einem Ausweg umzusehen.
„Hey! Dank ist ja ganz nett und so, aber wie sieht es mit dem Gold aus?“ Seine Begleiterin Jane schob sich an ihm vorbei und schaute den Dorfvorsteher prüfend an. Der hatte leere Hände und seine Hemdstaschen sahen auch nicht gerade prall gefüllt aus. Die nicht mehr ganz so junge Frau mit dem olivfarbenen Teint und den dunklen Haaren rümpfte ihre hübsche Nase und warf Arthur einen Blick zu, der soviel wie „Nun sag doch auch mal was dazu“ bedeuten mochte. Aber Arthur schüttelte nur langsam den Kopf und Jane stöhnte genervt.
„Es tut uns sehr leid, edle Abenteurer. Wir haben kein Gold, das ging bereits alles an die Krone, doch wir könnten euch einige Vorräte geben, wir haben viele Äpfel“ Der junge Mann mit den leeren Taschen deutete hinter sich zu den kümmerlichen Häusern seines Dorfes. Dahinter lag eine beeindruckende Apfelplantage. Jane stöhnte noch etwas lauter.

Stunden später saß die Abenteurer-Gruppe beisammen an einem kleinen Lagerfeuer. Allerlei Taschen und Ausrüstungsgegenstände lagen im bunten Herbstlaub des Waldbodens, dass sich im Sonnenuntergang langsam dunkler färbte. Die Luft wurde schleichend frischer, doch das knackende und zischende Feuer vertrieb die schlimmste Kälte aus den Knochen. Martha, die Natur- und Heilkundige des Quartetts briet ein paar Apfelscheiben in einer Pfanne über dem Feuer und fügte Honig hinzu. Es duftete herrlich und Janes Laune hob sich ein wenig.
„Tut mir leid Lady Jane, die Bauern in dieser Gegend haben keine Reichtümer, sie haben nur ihre Felder und die Früchte ihrer Arbeit. Und natürlich ihr Leben und das ihrer Liebsten, dass ihnen am Herzen liegt. Wir sind verpflichtet, ihnen zu helfen“ Arthur kaute auf einem Stück Apfel und fügte hinzu: „Aber diese Früchte sind wirklich gut.“
„Nennt mich nicht Lady! Und ich wünschte, man würde uns für unsere Dienste auch einmal ordentlich entlohnen“ Sie zog einen kleinen Beutel aus Ihrer Kleidung, schnürte ihn auf und lies zwei Goldmünzen auf ihre flache Hand fallen.
„Wo habt ihr die her?“ fragte Arthur und Jane lächelte schief.
„Aus der großen Holztruhe im Haus des Dorfvorstehers. Während ihr alle so damit beschäftigt wart, dieses grässliche Biest im Namen der Nächstenliebe zu erlegen, habe ich mich nützlich gemacht.“
„Das ist sehr schändlich von euch, Lady Jane!“
„Ich wiederhole das nochmal, ich bin keine Lady. Nicht mehr. Ich sage euch das seit 20 Jahren aber ihr hört nicht zu.“
„B…Bitte keine Streitigkeiten. W…Wir haben schon genug andere Sorgen“ meldete sich der Magier der Gruppe, Dodo zu Wort. Zerknirscht präsentierte den anderen seinen windschiefen Holz-Stab, an dessen Spitze eine Art Edelstein eingefasst war. Er leuchte in einem schwachen blauen Licht und gelegentlich huschte ein kleiner Blitz darüber. Der Stein schien an einer Stelle zersplittert zu sein.
„Ist das etwa heute passiert?“ Martha stellte die Pfanne mit den in Honig geschwenkten Apfelschnitzen ab und begutachtete das Unglück des Magiers. Langsam fuhr sie mit den Fingern über den beschädigten Stein, wobei sie sich ziemlich hoch strecken musste. Ein kleiner Blitz schoss heraus und sie zog schnell die Hand zurück „Autsch!“
„Er funktioniert nicht mehr richtig. Wenn ich versuche einen Blitz zu schleudern, trifft er nicht das Ziel sondern womöglich einen von uns. Wir müssen entsprechenden Ersatz besorgen.“
„Dieser verdammte Riesen-Karnickel hat mehr Arbeit gemacht, als er wert war und nun auch das noch! Die Kosten decken die beiden Goldmünzen sicher nicht“ murrte Jane.
„V…vielleicht können wir die Hasenpfote zu Gold machen, dann könnten wir uns auch mal wieder ein richtiges Bett leisten.“ Dodo zeigte auf die überdimensionale plüschige Trophäe, die Arthur auf den Rücken seines treuen Reittieres gebunden hatte. Das war ein struppiger grauer Esel und er war viel zu klein, als das sich der riesige, muskulöse Arthur hätte darauf setzen können. Aber er war zuverlässig und trug einen Großteil ihrer Ausrüstung und die ganzen Utensilien, die Martha für ihre Tränke benötigte.
„Was ist mit diesem Dorf, das ständig im Nebel liegt … mit dem berühmten Laden für Talismane?“ fragte Dodo hoffnungsvoll.
„Oooh, dieses Dorf hat ganz schlechte Schwingungen, ich schaudere immer noch bei der Erinnerung an die Zauberwirkerin dort. Sie ist eine seltsame Frau!“, meinte Martha und hob die Hände als ob sie Geister verjagen wollte.
„Ach kommt, er ist doch auch einer“ verkündete Jane ihre Meinung, während sie mit bloßen Fingern die klebrigen Apfelscheiben aus der Pfanne verspeiste. Honig tropfte von ihren Lippen.
„Aber Talismane schmieden zählt nicht zu meinen Talenten, fürchte ich“ erwiderte Dodo frustriert „Was sagt ihr, Arthur?“
„Lasst uns erst versuchen, eine andere Lösung zu finden. Der Weg dorthin ist sehr weit, wir wären wochenlang unterwegs.“
„Beschwert euch dann aber nicht, wenn ihr vom Blitz getroffen werdet!“ murrte Dodo und stiefelte davon, um irgendwo im dunklen Wald zu schmollen, wie er es gerne tat, wenn es nicht nach seinem Willen ging.
„Lasst ihn, es ist doch immer dasselbe“ Jane hielt Arthur fest, der ihm gerade folgen wollte.

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