Kapitel 24

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Die magischen, goldenen Fesseln lagen schwer um Johns Hals und zogen seinen Kopf nach unten, während er mühsam, in kleinen Schritten, der Talismanhändlerin folgte. Sie ging ein kurzes Stück vor ihm und hielt die Ketten, die ihm Beine, Hals und Brust abschnürten. Er versuchte im Geiste seine Chancen abzuschätzen. Selbst wenn er sich losriss, er würde nur nach hinten kippen und auf dem steinigen Trampelpfad landen. Er könnte mit seinem Horn zustoßen, aber er wäre wohl kaum schnell genug, um es in ihrem Leib zu rammen, bevor ihn ein tödlicher Zauber traf. Marianne konnte ohne Talismane Magie wirken, gerade so wie es ihr beliebte. Sie mochte unscheinbar wirken, doch John wusste, wie ihr Potential wirklich aussah. Ohne die Gesetzte dieser Welt, könnte sie eine der mächtigsten Frauen des Kontinents sein. Und jene Gesetzte wurden hier in Nebelschleich regelmäßig gebrochen. Sie experimentierte mit verbotenen Zaubern, die Fleisch formten und sie hatte offenbar schon zahlreiche Anhänger um sich gescharrt. John schnaubte leise. Wären sie bloß nie hierher gekommen.

Am Horizont zeigte sich langsam ein heller Streifen. Die Nacht endete, doch John blieb in seinen dunklen Gedanken, bis sich ihnen ein Mann näherte, der einen großen und scheinbar ziemlich wehrhaften Leinensack hinter sich herzog.

„Marianne! Da seid ihr ja! Ich habe euch bereits gesucht!"

Die Magierin blieb stehen und wartete.

„Ludwig. Du siehst schrecklich aus." Sie sagte es ohne eine Spur von Mitgefühl, ihr Blick wanderte an all den kleineren und größeren Wunden entlang, scheinbar verursacht von einem oder mehreren spitzen Gegenständen.

*Stacheln* dachte John bei sich.

„Ist das ein Einhorn?" Ludwig starrte zu John hinüber und konnte sich seine Frage selbst beantworten.

„Ich sehe, du hast Arabella gefunden" neugierig näherte sich die Magiern dem zappelnden Leinensack. Der Dorf-Heiler blickte sie irritiert und ein wenig enttäuscht an.

„Woher wisst ihr das?"

Marianne blieb die Antwort schuldig und überreichte Ludwig die goldenen Fesseln. Knapp wies sie ihn an, John ja nicht loszulassen. Vorsichtig beugte sie sich zu dem Leinensack hinab und löste das Seil, das ihn verschloss. Im nächsten Moment blickte sie in ein paar sehr wütende Augen in einem eher pelzigen Gesicht.

„Ach du meine Güte!" Marianne streifte den Leinensack über Arabellas Schultern, was gar nicht so einfach war. Der Stoff verhedderte sich mehrmals in ihren langen Stacheln. Arabella hätte sicherlich etwas sagen wollen, doch ein Knebel hielt sie stumm. Mariannes Blick huschte kurz zu Ludwigs Händen, die ebenfalls voller kleiner blutender Wunden waren. Er hatte sicher weit weniger Vergnügen an ihr gefunden, als sie befürchtet hatte.

Plötzlich schien Arabella in sich zusammen zu sacken, ihr Oberkörper kippte vorn über und als sich Marianne näher über sie beugte, um zu ergründen was los war, schoss Arabella nach oben und rammte ihre Stacheln in die Brust der Magierin. Diese schreckte auf und taumelte ein paar Schritte zurück, doch die Wunden waren alles andere als tief. Mit einer wellenartigen Bewegung ihrer Hand glitt sie über die blutenden Stellen und diese schlossen sich. Arabella zog scharf die Luft durch die Nase ein.

„Sieh an, das ist interessant. Du bist viel wehrhafter, als ich dich eingeschätzt habe. Das musst du von deinem Vater haben." Marianne wandte sich von Arabella ab und richtete ihre nächsten Worte an Ludwig: „Sieh zu, dass du das Einhorn und die Wirtstochter in den Stallungen von Frau Madlen unterbringst. Ich will nicht, dass die beiden im Dorf für Aufregung sorgen."

„Ich ..."

„Du wirst wohl mit einem gefesselten Igel und einem gefesselten Pferd zurecht kommen, nicht wahr?"

Das Auge von NoxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt