Kapitel 2 - Das Geschäft der Zauberwirker

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John hatte eines der Schlafzimmer im Erdgeschoss gewählt. Es war deutlich kleiner als der Schlafsaal im Obergeschoss, aber da er mit seinen Hufen nicht die Treppen hinauf galoppieren konnte, blieb nicht mehr so viel Auswahl. Nox dagegen hätte gerne die Besenkammer genommen. Die war klein und stickig und erinnerte ihn an früher, doch John hatte Einspruch erhoben.

Nun hatte sich der Eulendämon eine Stunde lang in seinem staubigen neuen Bett hin und her gewälzt. Ihm gefiel der Geruch nach Moder und Staub, aber die Uhrzeit machte es ihm schwer, zur Ruhe zu kommen. Er war nun einmal ein nachtaktives Wesen und die Vorstellung, er müsse nun seine kommenden Tage im prallen Sonnenschein wandelnd unter den Menschen verbringen, verdarb ihm jegliche Form der Entspannung, die nötig gewesen wäre, um einzuschlafen. Als er zumindest einen Dämmerzustand zwischen Wach und Traum erreicht hatte, erscholl ein lautes Scheppern im Eingangsbereich des alten Herrenhauses und zog ihn abrupt in die Welt der gänzlich Wachen zurück.
„Urgh...was war das bitte?" murmelte John, der sich vor dem Bett auf einer alten, löchrigen Decke ausgestreckt hatte und keinerlei Probleme dieser Art kannte. Er hatte tief und fest geschlafen und war von der Ruhestörung ziemlich angefressen.
„Ich gehe nachsehen." Nox sprang auf und rauschte aus der Tür heraus, bevor John auch nur auf seine 4 Beine gekommen war. Er schnaubte und rief: „Nein, ich gehe! Du bleibst hinter mir!" Der Hengst stob los und schob den Dämon rüde zur Seite, während ein weiteres Klappern, gefolgt von einem leisen Fluch erklang. John erreichte als erster zur Quelle des nächtlichen Übels. Sein missbilligender Blick traf den eines Mannes, vielleicht um die 40 Jahre alt mit abgerissenen Kleidung und einer leuchtenden Phiole in der Hand, der in der Eingangshalle über einen gusseisernen Kelch gestolpert war.
„Was zum?" keuchte der fremde Mann, fing sich nach dem ersten Schrecken aber wieder. Seine Miene verfinsterte sich.
„Ein Abenteurer ..." murmele Nox und John wieherte zustimmend, während er den Kopf senkte und mit seiner gehörnten Stirn auf den Eindringling deutete.
„Monstergesindel! Ich werde euch tö.." Er griff wie routinemäßig an seine Seite, doch wo sonst wohl ein Schwert hing, griff er ins Leere. Seine Waffe lag, im sanften Schein der leuchtenden Phiole erkennbar, direkt hinter dem Eingang, wo der Mann das erste Mal gestolpert war. Der Teppich des alten Herrenhauses, der wohl seit mindestens einem Jahrhundert nicht mehr bewegt worden war, wies eindeutige Spuren seines Missgeschickes auf. Der Blick des Abenteurers füllte sich mit der Erkenntnis, doch er schien nicht bereit zu sein, sich seinem offenkundig lauernden Schicksal zu ergeben. Ohne ein Wort der Vorwarnung holte er mit der Phiole aus und warf sie mit kräftigem Schwung in Richtung der neuen Hausherren. Nox riss abwehrend die Flügel hoch, doch John war schneller. Er schmetterte die Phiole mit seinem Horn beiseite wie eine lästige Fliege. Das leuchtende Ding zerschellte an der Wand neben ihnen, flüssiges Feuer spritze davon und setzte alles was es traf in Brand. John schnaubte wütend und trat mit den Hufen auf die Funken ein, während Nox eiligst die Möbel beiseite zog, damit sie nicht direkt in Flammen aufgingen. Der Abenteurer nutzte ihre Ablenkung und hastete zu seinem Schwert. Triumphierend streckte er es in die Höhe, als etwas seinen ganzen Körper erschüttern ließ. Sein siegessicherer Blick wurde stumpf und als er an sich hinab blickte, sah er das glänzende goldene Horn, dass seine Brust durchstoßen hatte, als wären seine Knochen nur morsche Äste. John zog sich zurück und begann erneut auf die Flammen einzutreten. Glücklicherweise waren sie zu zweit und das Feuer war wenige Minuten später gelöscht, ohne dass es einen größeren Schaden verursacht hätte. Nox ließ sich erschöpft in einen der Sessel fallen: „Jetzt wäre es vielleicht doch Zeit für eine Rast ..."
„Lust auf einen Weit-Nach-Mitternacht-Snack?" John deutete auf den Abenteurer, dessen dunkelrotes Blut langsam in die trockenen Bodendielen sickerte.
„Jetzt wo du es sagst, ich hätte doch ein wenig Hunger ..." Nox erhob sich aus dem knarzenden Sessel und ging langsam auf den Abenteurer zu. Dessen Augen starrten ihn zwar an, konnten ihn aber längst nicht mehr sehen. Genüsslich öffnete Nox das lederne Band um seinen Hals und beugte sich zu dem leblosen Körper hinab.
„Aber lass mir was übrig" mahnte John mit einem breiten Grinsen voller spitzer Zähne.

Das Auge von NoxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt