Kapitel 26

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Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als der Nebel, kalt und klamm, zwischen den Brettern des Stalles hindurchsickerte und sich um John sammelte. Der Nebel waberte zwischen seinen Hufen hindurch und schien in seine Ohren kriechen zu wollen. John schreckte auf und schüttelte wild den Kopf, so dass seine dunkle Mähne in die Nebelschwaden peitschte und sie vertrieb.

*Was zur Hölle ist mit diesem Nebel? Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen, er ist lebendig und hier um mich zu peinigen* dachte er und versuchte aufzustehen. Für ein paar goldene Sekunden hatte er vergessen, dass er immer noch gefesselt war. Wie viel Zeit wohl seit seiner Gefangennahme vergangen war? Wann würde die Magierin zurückkehren? Oder noch schlimmer, ihr Verbündeter, der Mann mit den hungrigen Augen? John spähte ins Zwielicht des Stalles und machte auf der anderen Seite des Raumes Arabella aus. Sie schien zu schlafen und als John schon erleichtert dachte, er hätte noch etwas Ruhe vor ihr, da schien sie seine Blicke zu bemerken und sagte:

„Ach, das Einhorn ohne Seele ist auch wieder wach. Wie schön." Sie sagte es auf eine Art, die keinen Zweifel daran ließ, dass sie das Gegenteil meinte.

„Auch schön dich zu sehen, Monstermädchen. Du würdest ein vorzügliches Frühstück abgeben, wenn du nicht so stachelig wärst."

„Versuch es doch, Dummhorn!"

„Das werde ich, Stachelschwein!"

„Streitet euch nicht!" Frau Madlen hatte ihre Stallungen betreten, in dreckigen Stiefeln und robuster Kleidung aus Leinen, mehr funktionell als schön. Arabella wünschte sich bei dem Anblick nicht bloß in Kleid und Strickjacke gehüllt zu sein, wenngleich von selbiger aufgrund der aus Ihrem Rücken herausgewachsenen Stacheln kaum etwas übrig war. Sie fühlte sich nicht gerade gut gerüstet, für das, was vielleicht noch auf sie zukommen mochte.

„Hier. Ich habe etwas Stroh und ein paar Äpfel für dich." Die Gutsbesitzerin warf John ein paar überreife Früchte zu. Der starrte sie an, als wären sie vergiftet.

„Was? Magst du keine Äpfel? Ich kenne kein Pferd, dass sie verschmähen würde."

„Ich bin kein Pferd."

„Ich weiß. Aber früher wirst du mal eines gewesen sein. Ein edler Hengst, wild und frei. Die Welt gehörte dir. Und nun? Das Leben ist manchmal sehr ungerecht, nicht wahr?"

„Wollt ihr mir allen Ernstes weiß machen, dass ich als dummer Gaul besser dran war als jetzt? Ich bin ein Einhorn, eine gefürchtete Bestie, ich bin unsterblich!"

„Und jetzt gefesselt, in einem Stall. Bedauerlich." Frau Madlen zuckte mit den Schultern und wandte sich Arabella zu.

„Hier Liebes, ich habe frisches Brot, Käse und etwas verdünnten Wein für dich."

„Warum tut ihr das? Warum helft ihr Marianne und Ludwig?" fragte Arabella.

„Es ist nicht leicht, allein ein Pferdegestüt zu unterhalten. Die Kosten übersteigen meine Einnahmen bei Weitem. Die Abenteurer haben kaum Geld übrig, ihre Pferde bei mir unterzustellen, wenn sie denn überhaupt welche haben. Die Zeiten sind rauer geworden. Ich kann es mir nicht leisten, Mariannes Aufträge abzulehnen."

„Ihr verkauft euch an eine Schurkin, die unschuldige Menschen in Monster verwandelt und nennt es Notwehr!" Arabella zerrte wütend an ihren Ketten, doch Frau Madlen schienen die Worte keineswegs zu treffen.

„Hör mal, es tut mir sehr leid, was dir widerfahren ist. Ich bin mir sicher, dass es sich nur um einen bedauerlichen Unfall handelt."

„So? Marianne schien hoch erfreut zu sein" erwiderte Arabella mürrisch.

Das Auge von NoxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt