HARPER
Ich lehnte in einem roten Kleid und Overknees an der Bar der großen, gläsernen Firmeneingangshalle des Hochhauses, die die Eventagentur in ein Weihnachtswunderland verwandelt hatte. Draußen war es bereits dunkel. Ein paar Flocken schwebten durch die Luft. Drinnen standen geschmückte Weihnachtsbäume in jeder Ecke des Raumes. Von der überhohen Decke hingen Lichterketten und wuchtige Leuchtsterne. Die Bühne sah aus wie aus Eis. Überall war Kunstschnee.
Ein Teil der Belegschaft trug Weihnachtsmützen mit dem Firmenemblem. Olivia hatte mir einen Haarreif mit Geweih angesteckt, damit ich mir mit der Mütze nicht die Haarmähne platt drückte.
Ich rührte meinen alkoholfreien Punsch mit der Zuckerstange um und blickte zum Eingang, an dem alle ihre Smartphones abgaben, die in kleine Spinte verstaut wurden. Dieses Jahr wollte man vermeiden, dass zu viele Bilder der jedes Mal wilderen Party unkontrolliert nach außen drangen und die Seriosität und Integrität der Firma gefährdeten. Ich war also die Einzige, die heute Abend ihr Handy dabei hatte und fotografieren durfte.
Meine Augen wanderten in Richtung Tanzfläche. Last Christmas dröhnte aus den Boxen und brachte die betrunkene Menschentraube zum Mitgrölen. Ich nahm den letzten Schluck aus der Tasse, stellte sie auf einem der Stehtische ab und schlenderte auf die grölende Meute zu. Zeit, ein paar unvergessliche Fotos zu schießen.
»Hey Evans, hier her!« Connor winkte mich zu sich, legte die Arme um seine Kollegen und poste. Ich hielt das Handy hoch und ließ sie ihre Positionen wechseln und Grimassen ziehen. Dass ich keins der Momente festgehalten hatte, war mein kleiner, geheimer Triumph. Was für Idioten.
Nachdem ich andere Gäste, die Deko und auch die Vorstandsrede festgehalten hatte, lief ich zur Bar, um mir für die bisher getane Arbeit einen Punsch mit Schuss zu gönnen. Während ich auf mein Getränk wartete, wischte ich mich auf dem Display bereits durch ein paar Fotos.
»Hi«, erreichte eine männliche Stimme meine Ohren. Ich sah erstmal nicht auf, da ich ahnte, dass gleich eine billige Anmache folgte. Vielleicht hatte Connor jetzt einen Kollegen vorgeschickt und sie hatten irgendeine Wette am Laufen.
»Hör mal, ich ...«, als ich mich aufrichtete, um ihn in die Flucht zu schlagen, blieb mir jedoch das Wort im Hals stecken. Vor mir lehnte ein attraktiver, großer und muskulöser Kerl mit einem Arm an der Bar. Er trug eine stilvolle schwarze Stoffhose sowie ein körperbetontes weißes Hemd und sah mich aus selbstbewussten Augen an. Augen, die einen durchdrangen und einschüchterten. Er könnte Ende 20 sein, ungefähr in meinem Alter.
»Hi, ... ich bin Harper«, sagte ich stattdessen. »Harper Evans.« Ich hatte diesen Kerl noch nie gesehen und irgendwie passte er hier nicht her. Diese gefährliche Aura, die ihn umgab und ich hatte das Gefühl, er spielte auf einem ganz anderen Level.
»Damian«, stellte er sich vor, als der Barkeeper mir meinen Punsch zuschob. Ich nahm gleich mehrere Schlucke, damit ich die Hitze, die in mir hochkroch, auf den Alkohol schieben konnte. Er beäugte mich dabei, wie ich das halbe Glas leerte.
»Wow, ein anstrengender Abend?«
»Ich trinke selten, aber eine Weihnachtsfeier ist nüchtern einfach nicht das gleiche«, erklärte ich. Er zog die Augenbrauen in die Stirn und leerte sein Whiskeyglas in einem Zug. »Kann man wohl so sagen«, bestätigte er mich. Daraufhin rief er den Barkeeper zu uns und bestellte eine weitere Runde. Ich lächelte, weil das der erste Moment war, in dem ich mich heute amüsierte.
»In welcher Abteilung arbeitest du?«, fragte ich.
»Buchhaltung und Finanzen, aber ich bin erst seit Anfang des Monats dabei. Und du?« Vielleicht war er mir deshalb noch nie begegnet. Ich konnte nicht jeden im Unternehmen kennen, aber jemand wie er, wäre mir definitiv aufgefallen. Trotzdem. Er sah überhaupt nicht aus, wie ein Buchhalter. Eher wie jemand, der in einer Parfum-Werbung die Hauptrolle spielte.
»Ich bin Assistentin der Geschäftsleitung, genau genommen von Mr. Geller«, verrate ich und nickte, weil ich irgendwie glaubte, dass man mir meinen Beruf ansah.
»Das heißt, du bist nicht verheiratet«, stellte er fest. Seinem Ausdruck nach machte mich seine Schlussfolgerung interessanter.
»Touché«, sagte ich, hob die Augenbrauen und nahm erneut einen großen Schluck meines Drinks. »Wer 24/7 arbeitet, hat keine Zeit einen Partner zu finden, geschweige denn eine Beziehung zu führen. Ich habe nicht mal heute Feierabend. Stattdessen bin ich als Fotografin im Einsatz.« Ich wackelte mit dem Handy in meiner Hand und seufzte, bevor ich es in meine Clutch steckte.
»Du fotografierst mit deinem Smartphone?« Sicher wunderte er sich, weil man die Handys am Eingang abgeben musste.
Ich nickte. »Ja, ich weiß, es ist nicht datenschutzkonform. Und der Speicherplatz reicht nicht ganz. Deshalb lösche ich die Fotos sofort, wenn ich sie auf die Firmen-Cloud geladen habe.«
Er sah irgendwie geschockt aus. Nachdem er einen großen Schluck getrunken hatte, lehnte er sich ein Stück näher. » Wie wäre es, wenn ...«
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Merry dark Christmas, my Love!
RomanceLese-Adventskalender / Ein Auftragskiller zu Weihnachten. 🎄 - Harper, die fleißige Assistentin der Geschäftsführung wird kurzerhand zur Fotografin der kommenden Weihnachtsfeier verdonnert. Nachdem sie die Kollegen den ganzen Abend fotografiert hat...