9. Gegensätze

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(POV:Nick)

Das Quietschten der sich schließenden Bahntüren drang in Nicks Ohren und riss ihn zurück in die reale Welt. Vor einigen Sekunden befand er sich noch in der Welt seiner Gedanken. Es passierte immer häufiger, dass er sich dort verlor und die Menschen um sich herum völlig vergaß. Beinahe hätte der Teenager vergessen, wie sich das anfühlte.

Als er vor sich blickte, wollte er gleich wieder in seine Traumwelt zurückkehren. Direkt vor seinen Augen stand der Harrison-Junge in einem dunkelgrauen Parker, dessen Ärmel bis zum Ellbogen hochgekrempelt waren. Sein Blick wie immer eiskalt, mit den Augen auf dem Boden gerichtet.

Wie jeden Morgen war der Zug bis oben hin überfüllt. Auf der Sitzbank befand sich links von Nick noch ein freier Platz, doch der Teenager stand lieber als einziger im Gang und hielt sich an der Stange fest, als ob er es überhaupt in Betracht sah, sich neben seinen Mitschüler zu setzen. Selbst wenn er dafür als einziger stehen musste.
Nick amüsierte sich ein wenig an diesem Gedanken.

"Willst du meinen Platz haben?", fragte Nick und sah zu seinem Gegenüber auf. Überrascht von der plötzlichen Reaktion blickte er zur Seite und schüttelte kühl seinen Kopf.

"Warum glaubst du, ich würde deinen Sitz haben wollen? Schlimm genug, dass ich mich an diesen schmutzigen Stangen festhalten muss", resignierte Connor und blickte Nick direkt ins Gesicht, woraufhin dem Jungen ein Schauer über den Rücken lief.

"Nun, neben mir befindet sich der letzte freie Sitz und da du dich nicht hinsetzt, nehme ich an, es ist dir unangenehm neben mir zu sitzen", meinte Nick und schenkte seinem Gegenüber einen mehr als provokanten Blick. Connor biss sich auf die Unterlippe.

"Stimmt doch gar nicht, du machst dir unnötig viele Gedanken, kann das sein?", antwortete er in einer höheren Stimme als sonst. Nick grinste ein wenig verlegen. Überhaupt war er verwundert, dass die öffentlichen Transportmittel für einen solch reichen Schnösel gut genug waren. Wenn er sich recht entsinne, wurden er und seine Geschwister jeden Morgen in einem sündhaft teuren Limousinen ähnlichen Oldtimer zur Schule hin kutschiert. In der Mittagspause aßen sie nie in der Kantine, sondern brachten ihr eigenes Essen mit, was ihr persönlicher Koch für sie zubereitete.

Wenn ihnen schon sonst nichts gut genug war, warum sollte er sich auch darauf einlassen, neben einem unbedeutenden Jungen aus der Mittelschicht zu sitzen.

"Fein, wenn es dich so sehr beschäftigt, dann setze ich mich", beschloss Connor und nahm ohne zu zögern, neben Nick Platz. Seine Schultasche, welche zu seinem überraschen ziemlich mitgenommen aussah, stellte er auf seinen Schoß ab. Als er nun direkt neben Nick saß und sein Chanelparfüm, was sicher hunderte von Dollars kostete, in seine Nase drang, zitterten seine Knie. Nicht nur dieses starke Parfüm, sondern auch der eigene Körpergeruch von Connor, brachten Nicks Herz zum Hüpfen und er konnte sich nicht erklären, wieso.

"Du bist ganz schön dominant, für so einen Zwerg", meinte er und wagte es, Nick dabei noch richtig dreckig ins Gesicht zu blicken. So arrogant wie er nun mal war.

"Zwerg? Dein Ernst? Nur weil du so groß bist?", reagiert Nick erzürnt. Sein Gegenüber war geschätzte 1,80 cm und er selber 1,73 cm. Das er wegen ein paar Zentimetern unterschied ihn gleich als einen Zwerg bezeichnete, machte Nick irgendwie wütend.

"Nicht nur das, du bist ein wütender Zwerg", belächelte Connor ihn. Nick verschränkte die Arme. Sein Blick richtete sich auf die Anzeigetafel der Bahn, um ihm bloß keine Aufmerksamkeit zu schenken. Konnte jedoch einfach nicht nachlassen. Connor war für ihn wie eine juckende Stelle an seinem Körper, welche er ignorieren wollte, aber ihn so sehr fuchste, dass er sie immer wieder kratzte.

"Du scheinst nicht sehr kreativ zu sein, um mich zu ärgern, muss man schon früher aufstehen. Wie kommt's eigentlich, dass eine überfüllte, stinkende Bahn überhaupt gut genug für einen feinen Jungen wie dich ist. Gibt's etwa Stress in der Oberschicht?", resignierte er. Connor verdrehte die Augen.

Crescence - Boy meets LycantropyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt