18. Im Visier des Jägers

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(POV: Nick)

"Wie bitte, Nick?  Du hast was getan? Bist du völlig Lebensmüde?", fragte Charlotte den Teenager bereits am frühen Morgen aus. Ihre Stimme klang dabei so laut und vorwurfsvoll, dass alle anderen Fahrgäste zu den beiden sahen, als würde gerade ein Kind von seiner Mutter ausgeschimpft werden. Dabei hatte Nick im Grunde doch gar nichts Schlimmes getan. Er hatte bloß einem Werwolfjäger, der zufällig auf dieselbe Schule ging wie er, einige Kurse mit ihm belegte und Waffen mit sich führte, den Krieg erklärt. Ganz nebenbei, nachdem Connor es schaffte, ihn als Werwolf zu entlarven.

Egal wie sehr Nick versuchte, sich selbst zu belügen, die Situation war schlimm. Sie könne sogar gar nicht schlimmer aussehen.

"Meine Instinkte sind in dem Moment mit mir durchgegangen. All das Adrenalin, das durch meinen Körper schoss", erklärte Nick und klang dabei wie wenn er eine Tragödie vor Charlotte aufführen würde. Diese verdrehte lediglich die Augen. Mittlerweile dürfte sie gar nicht mehr überrascht sein, dass ihr bester Freund sich in solche Situationen brachte. Seit ihren Kindertagen schaffte er es, dauerhaft in Gefahr zu sein. Sie würde es gar nicht wundern, wenn Nicks Geburt alleine schon Chaos auf der Welt verursacht hätte.

"Vor allem, wo warst du überhaupt, als ich mich im Wald verlief und beinahe einen Pfeil durch die Brust gerammt bekam?", wurde er neugierig. Für Charlotte klang dies jedoch bloß wie eine billige Ausrede, damit er seine unfassbare Dummheit nicht noch weiter begründen musste. Anders konnte man es nämlich gar nicht in Worte fassen.

"Ich war bei Rylee. Beim Rudeltreffen waren ja schließlich nur Werwölfe erlaubt", resignierte sie. Natürlich wusste Nick, dass sie nicht wirklich beleidigt war, da sie es schließlich war, die ihn immer wieder bei seinem übernatürlichen Problemen unterstützte. Dennoch war er verwundert darüber, dass Charlotte sich anscheinend so gut mit dem Hexenmädchen verstand. Das Mädchen, das sich als Charlotte ausgegeben hat, um gefangen zu nehmen.

"Warum denn Rylee? Die ist gemeingefährlich. Sie hat mich schlimmer gejagt als dieser Connor es bisher getan hat", behauptete Nick. Charlotte verdrehte erneut die Augen.

"Ich habe schon lange nicht mehr so komfortabel geschlafen wie in ihrem Bett. Außerdem hat sie mir letztens gezeigt wie ich mir diesen schönen Zopf flechten kann", berichtete sie begeistert und zeigte Nick voller stolz ihren gepflochtenen Haare, welche ihn stark an die Frisur einer Disney-Prinzessin erinnerte.

"Schön. Aber hat sie dir wirklich nichts getan? Kein Kratzer? Keine Schürfwunden? Keine kranken Kaninchen und Teleportationskräfte?", wollte er sicher gehen. Selbst wenn sie seine Erzählungen kannte, Charlotte hatte ja keine Ahnung, wie schroff sie sein konnte.

"Nein wirklich nicht. Im Traum, in welchen sie mich geschickt hat… Ich glaube, die Magie ist in meine Erinnerungen eingedrungen. Da war überall dieser Nebel. Sie meinte, dass diese eine Form von Magie sei, welche Erinnerungen manipuliert und jetzt kommt's, es waren Erinnerungen von meiner Mutter. Von dem Tag an, an dem sie verschwand, um genau zu sein", beichtete sie Nick. Bisher konnte sie keine logische Erklärung finden. Die Bilder tauchten in keinem ihrer Träume mehr auf. Lediglich der Nebel begegnete ihr seitdem täglich. Sei es im Schlaf oder in Form von Sichtungen, welche sie für Halluzinationen hielt.

Komisch, dass sie Nick zunächst nichts davon erzählte, aus Angst er könne sie für verrückt halten, wenn er schließlich derjenige war, der sich bei Vollmond in einen Wolf verwandelte.Das klang überhaupt nicht nach ihr.

Nick nahm ihre Hand, als er merkte, wie nervös sie bei diesem Thema war. Als Kind bekam er das ganze Drama schließlich mit. Ihre Mutter, die eines Nachts nicht mehr nach Hause kam. Die eine Hälfte der Stadt glaubte, sie sei einem Verbrechen zum Opfer gefallen, die andere, dass sie mit einem jüngeren Kerl durchgebrannt ist. Dabei wusste Nick ganz genau, dass sie niemals ihre Kinder im Stich gelassen hätte, egal was auch passieren sollte. Seine Erinnerungen an sie glühten zwar nur noch schwach, aber sie trug immer ein Lächeln auf ihren Lippen auf den Bildern, die Nick noch von ihr gespeichert hatte.

Crescence - Boy meets LycantropyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt