36. Macht schläft nicht

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(PoV: Nick)

Die ersten Sonnenstrahlen des Tages schienen durch das Fenster in Nicks Zimmer herein und berührten Connors Hand. Für einen kurzen Moment öffnete der Teenager seine Augen, doch gelang es ihm nicht, sie länger als ein paar Sekunden offen zu halten. Zu schwer lag die Müdigkeit auf seinen Augenlidern.
Trotz dass der Drehstuhl, der direkt neben Nicks Bett positioniert war, keine wirklich bequeme Schlafposition ermöglichte. Dennoch dachte er nicht einmal daran, seinen Werwolf nach dieser nervenaufreibenden Nacht alleine zu lassen.

Nick schlief nun schon seit einigen Stunden. Wie viele es genau waren, zählte Connor nicht mit. Auf den ersten Blick schien es wie ein ruhiger Schlaf auszusehen, doch dem Teenager entging das ständige zucken und die hektischen Bewegungen seiner Augen nicht. Nick träumte schlecht. Doch Aufwecken würde nichts bringen. Schlaf ist die beste Medizin, die ein verletzter und zugleich emotional aufgewühlter Werwolf bekommen kann.

"Hey Jäger-Typ. Kann ich jetzt mal zu meinem Freund", fragte eine weibliche Stimme und riss den Teenager aus seinem Halbschlaf. Ein Mädchen mit mittellangen braunen Haar, welches der Junge als Nicks beste Freundin identifizierte, stand mit verschränkten Armen vor ihm. Um ihren Kopf war ein Verband gewickelt. Der Sturz, den sie beim Kampf erlitt, schien doch schlimmer ausgesehen zu haben, als er tatsächlich war. Rylee holte sie bereits vor wenigen Stunden wieder aus dem Krankenhaus ab. Seitdem konnte sie ihre Augen nicht mehr von dem Harrison-Jungen abwenden. Doch es waren keine Blicke der Zuneigung.

Wie eine Überwachungskamera, die jede Sekunde auf einen Fehltritt seinerseits wartete, um Alarm zu schlagen. Connor streckte seine Arme, gähnte einmal und stand von Nicks Stuhl auf. Charlotte nahm Platz und legte ihre Hand um die von Nick.
Für den Ex-Jäger fühlte es sich an, als würde ihm jemand mitten ins Herz stechen. Er wollte derjenige sein, der seine Hand hielt, doch er wusste, dass seine Familie und seine Freunde ihm niemals über den Weg trauen werden.
Nicht nach all dem, was er Nick in den vergangenen Wochen angetan hat.

"Während Nick die Kontrolle über sich verloren hat, schrie er deinen Namen, wieso?", fragte Rylee. Connor schluckte. Der Teenager bemerkte gar nicht, wie sehr seine Knie zitterten bei dem Gedanken an den Kuss. Doch egal wie er es den Mädchen erklären würde, niemals würden sie ihm abkaufen, dass er Gefühle für Nick hat. Gefühle, die weit über Freundschaft und Verbundenheit hinaus gingen.

"Wahrscheinlich weil er mich dabei angesehen hat. Aus Reflex", log er. Rylee hob ihre Augenbraue. Wortlos wandte sie sich wieder dem schlafenden Werwolf zu. Sie fühlte seinen Puls. Da ihr Blick sich nicht veränderte, schlossen Charlotte und Connor darauf, dass sich an seinem Zustand nichts veränderte. Connor drehte sich zur Seite und stöberte mit seinen Augen durch Nicks Zimmer. Jetzt wo die Sonne aufgegangen war, konnte man endlich einen besseren Blick auf die Einrichtung werfen.

Nick versprach ihm noch wenige Stunden zuvor eine kurze und knappe Führung durch sein Reich, aber nun kam alles anders.

Das Zimmer war geschmückt mit lauter Postern, die Connor als Bands, Sänger und höchstwahrscheinlich Fernsehserien identifizierte. In einem Regal über seinem Bett standen ein paar Comic-Hefte und Bücher. Auf der anderen Seite des Zimmers stand ein Kleiderschrank, vollgeklebt mit Stickern und etwas, das nach selbstgemalten Graffitibildern aussah.

Eine Pinnwand voller Bilder mit Nick und seiner Mutter. Auf jedem einzelnen wurde der Junge mit einem so warmen Lächeln eingefangen, dass es selbst Connors kühles Herz beim anblickt erwärmte. In der Ecke neben dem Kleiderschrank stand ein Schreibtisch auf dem Stifte, Schnellhefter und auch einige Snacks quer ausgebreitet waren. Inmitten der Sauerei konnte Connor einen kleinen Röhrenfernseher entdecken, der ebenfalls mitten auf dem Schreibtisch stand.

Unter dem Schreibtisch befand sich eine umgekippte Monster-Energy-Dose, deren Überreste auf dem Laminatboden klebten. Connor schüttelte sich. Würde er bei sich Zuhause ein solches Chaos hinterlassen, hätten die Putzkräfte es in null komma nichts sauber gemacht.

Crescence - Boy meets LycantropyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt