Kapitel 2

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2 Tage vergingen. Keine einzige Nacht hatte ich es in irgendeiner Weise leicht, einzuschlafen. Mit dicken, schwarzen Augenringen saß ich am Esstisch und kaute mühsam auf einem Stück Brot herum. Am gestrigen Tag hatte Cyno mir einen Brief zukommen lassen, in dem die Autopsie Ergebnisse standen: Kaveh war gegen 11 Uhr abends gestorben. Er wurde ungefähr eine viertel Stunde zuvor schwer am Hals verletzt und wohl zum Verbluten dort liegen gelassen. Die Kratzer verbargen eine tiefe Bisswunde, laut des Berichts, daher gingen die Matra davon aus, dass ein Tier ihn angriff. Aber ein Tier? In Sumeru-City? Und vor der Akademie? Auch Cyno fand es äußerst fragwürdig. Er erzählte mir zuletzt, dass sie Kavehs Leiche vorerst nach der Autopsie woanders untergebracht hatten, um vielleicht später hoffentlich auf weitere Hinweise zu stoßen.

Das war nun alles, was ich wusste. Und es beruhigte mich kein Stück. Ich wollte herausfinden, wer ihm das angetan hatte und wenn ich denjenigen in die Finger bekäme, würden nicht mal die Sieben mich davon abhalten können, auf ihn loszugehen und alles auch nur erdenkliche zu tun. Es ist....einsam hier. Das gerade ich das einmal denken würde, überraschte mich selbst maßlos. Wenn ich ihn nur aufgehalten hätte. Wenn ich ihm gesagt hätte, wir sollten das Argument belassen.....ich schämte mich dafür, nichts unternommen zu haben. Jede Minute, die verging seit seinem Tod fraß sich diese Schuld immer und immer mehr förmlich in mich hinein. Nachdem ich an dem Abend vor 2 Tagen nach Hause kam, hatte ich mir vorerst eine Woche Urlaub genommen, um meine Gedanken zu sortieren. Zumindest hoffte ich, dazu im Stande zu sein. Seitdem hatte ich das Haus nicht mehr verlassen. Ich hatte das Gefühl, als würde ich erneut so auf ihn stoßen, wenn ich es täte. Auch wenn das keinerlei Sinn ergab. Auch den anderen Leuten gegenüber fühlte ich mich völlig entfremdet. Ich wollte mit niemandem in Kontakt treten. Cyno hatte mir zwar vorgeschlagen, zu ihm oder Tighnari zu kommen, wenn ich reden wollte, nur wüsste ich nicht, wie ich darüber sprechen sollte. Der Weg durch die Menschenmassen bereitete mir ebenfalls allein beim Gedanken ein Schaudern. Ich war eingesperrt in meinem eigenen, kleinen Gefängnis. Mein Verstand war mein Gefängnis, das von einem größeren, dem Haus, umrahmt war. Ich konnte schon spüren, dass ich verzweifelt war, aber mit der Zeit vergaß ich es. Oder viel eher, ich versuchte, es und alle damit verbundenen Ereignisse zu verdrängen.

Ich legte die nur halb angeknabberte Brotscheibe wieder hin, ging in mein Zimmer, verschloss die Tür und legte mich ins Bett zurück. Spätestens jetzt wollte ich den Rest des Tages nicht mehr aus dem Bett. Ich hatte seit 2 Tagen nicht mehr richtig gegessen. Geduscht oder dergleichen hatte ich mich ebenfalls nicht mehr. Aber mittlerweile war mir das auch mehr als egal. Wann immer mein Magen knurrte, bereitete es mir Schmerzen, aber dennoch verspürte ich keinen richtigen Hunger. Nur Übelkeit. Die Sonne störte mich, also lehnte ich mich leicht übers Bett zum Fenster und zog die Gardinen bis zum Anschlag zu, bevor ich mich komplett wieder in der Bettdecke vergrub.

Den ganzen Tag hinweg lag ich im Bett. Ab und an schlief ich auch kurz vor Erschöpfung für eine oder zwei Stunden ein. Erst am Abend setzte ich mich wenigstens auf, statt die ganze Zeit zu liegen. Aber allein das erschöpfte mich schon maßlos. <Was tue ich mir hier eigentlich an? Das bringt ihn ja auch nicht zurück...> dachte ich. Trotzdem suchte ich ja nicht mal nach einer Lösung. Am Anfang hatte ich mich noch gefragt, was der Unterschied gewesen ist. Zwischen Kavehs Tod und dem meiner Großmutter. Sie waren schließlich beide Personen, die mir am Herzen lagen und die lange Zeit in meinem Leben waren. Warum fühlte es sich nun so viel schlimmer an? Die Antwort darauf fand ich schnell: für ihren Tod war ich nicht verantwortlich. Auch wenn ich nicht direkt für Kavehs Tod verantwortlich war, hatte ich dem trotzdem durch meine Rücksichtslosigkeit beigesteuert.

<Ich muss irgendwas tun. Und wenn es nur am Fenster stehen und frische Luft atmen war.> dachte ich. Ich musste irgendetwas gegen meinen Zustand tun, auch wenn ich es hasste, darüber nachzudenken. Ich stand auf und torkelte, schwindelig, wie mir dadurch war, zum Fenster rüber, öffnete es und lehnte mich auf die Fensterbank. So viel anders fühlte es sich nicht an. Aber alleine die Gespräche, die die Leute draußen führten, bereiteten mir Kopfschmerzen. Also schloss ich das Fenster nach ein paar Minuten wieder und legte mich zurück ins Bett. <Das war ja zumindest schon mal ein Anfang...> dachte ich etwas stolz. Lange blieb ich allerdings nicht liegen, da jemand an der Haustür stand und laut anklopfte. Mühselig kletterte ich aus dem Bett und torkelte aus dem Zimmer und zur Tür.

Das Raubtier (Kavetham Vampir!AU)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt