Für L.
Weil du seit 15 Jahren die Beste für mich bist.
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Leise rieselt der Schnee auf die Straßen, Dächer und Wege hinab. Am Himmel kann man den Mond durch die Wolkendecke leuchten sehen. Nur ab und zu irrt ein Auto den bepuderten Teer entlang. Es ist Mitten in der Nacht, die Häuser schlafen und ihre Bewohner wissen noch nicht, was sie in den frühen Morgenstunden erwarten wird.
Die gesamte Nacht sind die Flocken tänzelnd gefallen, haben ihre Decken ausgebreitet und die Welt in eine wunderschöne Winterlandschaft verzaubert. In manchen Fenstern brennt schon Licht. Doch noch ist der Tag gehüllt in langsam endender Dunkelheit.
Auch vor dem kleinen Einfamilienhaus in der Nebenstraße ist weit und breit alles weiß. Eingepackt in dickem Mantel, Handschuhen und einer Wollmütze, die er tief ins Gesicht gezogen hat, steht der Familienvater vor der Haustür. Es gibt eine Sache, die er mehr als alles andere an der Winterzeit hasst; Schneeschippen. Bibbert stapft er durch den Schnee und versucht dabei, nicht noch auszurutschen. Dabei sollen seine neuen Stiefel doch so einen guten Gripp haben. Immerhin ist das Schloss des Garagentores nicht zugefroren. Knarzend und quietschend schiebt er es auf und greift nach dem hölzernen Schieber. Sein Auto ist ebenfalls eingeschneit, da wird er gleich mit dem Besen bei müssen.
„Na klasse", brummt er zu sich selbst und macht sich an die Arbeit.
Wäre heute ein regulärer Wochentag anstatt Wochenende, vermutlich wäre er ziemlich verzweifelt. Oder hätte um fünf aufstehen müssen. Die Sonne ist nun aufgegangen und hüllt die Welt in wundervolles Licht. Es lässt das Bild noch schöner wirken. Felix, so sein Name, macht sich an die Arbeit und beginnt, den schweren Schnee von der Auffahrt zu schieben. Der Schieber macht auf dem Boden ein kratzendes Geräusch. Unter seinen Schuhen hört man das von vielen geliebte Knirschen. Kräftezerrend schiebt er den schweren Schnee nach vorn, um ihn dann auf den Rasen des Vorgartens zu werfen. Schnell entsteht ein Hügel, aber wenn er sich seine Auffahrt anschaut, macht es den Eindruck, als hätte er noch gar nichts geschafft. Mit dem kalten Handschuh wischt er sich über die Stirn. Immerhin ist ihm jetzt warm. Die Flocken tänzeln um ihn herum, doch er gibt nicht auf. Immer mehr Schnee landet auf dem Hügel, der langsam zu einem Berg wird.
Plötzlich taucht ein dick eingepacktes Bündel aus hellblauem Schneeanzug und weißer Bommelmütze in seinem Blickfeld auf. Felix hält in seiner Bewegung inne und beobachtet seine Tochter Lara, die begeistert für einen Moment den herabfallenden Schnee beobachtet, ehe sie sich in das weiße Wunderland im Vorgarten stürzt. Sie lässt sich fallen, macht einen Schneeengel. Sofort steht sie wieder auf, begutachtet ihr Werk und macht direkt daneben noch einen Zweiten. Dann fällt ihr der für sie riesige Hügel auf.
„Kann man da Schlittenfahren?", fragt sie mit ihrer lieblichen Kinderstimme.
Felix löst sich aus seiner beobachtenden Position und lächelt das Mädchen an.
„Nein, dafür ist der Hügel zu klein."
Lara schmollt, ist enttäuscht von der zerplatzten Hoffnung.
„Wir können bestimmt später noch Schlittenfahren. Beim Spielplatz ist doch der große Berg, da können wir wunderbar rodeln."
Sofort wechselt ihr Gesicht wieder zu voller Begeisterung und sie schreit ein jubelndes „JA!!"
Immer noch lächelnd führt Felix seine Arbeit fort. Manchmal hilft Lara ihm, aber selten gab es in den letzten Jahren so viel Schnee, wie jetzt. Da interessiert sich das Mädchen für das Schippen gar nicht. Schließlich kann man so viel tolles mit dem Schnee anstellen. Sie fängt an, ein kleines Iglu zu bauen. Felix wirft ihr immer wieder Blicke zu und passt auf, sie nicht mit dem Schnee zu treffen.
„Können wir einen Schneemann bauen?"
„Später vielleicht, ja? Ich muss die Auffahrt freimachen."
„Warum?"
„Damit ich an unser Auto komme und Brötchen für das Frühstück holen kann."
„Warum kannst du das nicht später?"
Lara schaut ihn mit großen Augen an. Er weiß, dass dieses Kind aufgrund ihres Alters noch zu sehr im Hier und Jetzt lebt und gar nicht so recht weiß, was später eigentlich bedeutet.
„Bitte."
„Wenn ich hier fertig bin, ja?"
„Bitte, bitte."
Noch immer schneit es. Er würde wieder von vorne anfangen müssen. Aber wie oft hat man diese Menge an Schnee noch? Er schaut zwischen dem Schieber und Lara hin und her, stellt das Räumgerät an die Hauswand.
„Dann fang mal an mit der ersten Kugel", beschließt er mit einem breiten Lächeln und das Kind freut sich wie Bolle.
„Au ja, Papa!"
Die beiden bauen einen Schneemann aus drei Kugeln, suchen Steine als Knöpfe und Augen, binden ihm einen Schal um und setzen eine Möhre als Nase mitten in sein Gesicht. Nur eine passende Mütze können sie nicht finden oder auch Stöcker gibt es keine passenden. Als sie fertig sind und Felix ein Foto gemacht hat, gehen sie gemeinsam Brötchen holen. Und Lara? Sie sitzt selbstverständlich auf dem Schlitten und lässt sich von ihrem Papa ziehen.
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der Adventskalender 2023
Short Story24 kurze Geschichten über die Weihnachtszeit. Ob Märchen, Gedicht oder Alltagssituation, von allem ist etwas dabei. Ein kleiner Einklang in die Weihnachtszeit- und Adventszeit.