Habe nur ich diesen Eindruck oder geht der Dezember - überhaupt die Weihnachtszeit - wahnsinnig schnell rum? Jetzt mal im Ernst, es sind nur noch fünf Tage bis Heiligabend und ich habe so gar nichts. Die Geschenke sind weder eingepackt, noch habe ich sie teilweise überhaupt gekauft. Um das Essen habe ich mir bisher gar keine Gedanken gemacht. Ob ich jetzt überhaupt noch was kriege? Ich habe ja auch keine Lust, mich am Samstag noch unter die Leute im Supermarkt zu mischen. Die Leute kaufen ein, als würde es danach nie wieder was geben. Geschenke kann ich ja nicht einmal mehr bestellen. Wer weiß, ob das noch rechtzeitig ankommt. Dann mit leeren Händen dazustehen, wäre mir irgendwie peinlich.
Also begebe ich mich ins nächste Einkaufszentrum und obwohl es später Nachmittag unter der Woche ist, ist es rappelvoll. Ich bereue diese Entscheidung zutiefst. Nächstes Mal bestelle ich doch beim großen A. Jetzt bin ich aber hier, also suche ich nach dem ersten Geschäft. Wer mag überhaupt was? Irgendjemand rempelt mich von hinten an und entschuldigt sich nicht mal. Ich starre dem Halbstarken hinterher, sage aber nichts. Auf Diskussionen habe ich nun wirklich keine Lust. Irgendwo in dem Gewusel schreit ein kleines Kind, welches vermutlich seinen Willen im Spielzeugladen nicht bekommt. Muss ich eigentlich irgendwem Spielzeug kaufen? Wie wäre es mit Lego? Ich steuere also auf den Laden zu, der sich im Erdgeschoss neben dem linken Seiteneingang befindet. Viele Regale sind leergeräumt, das Personal kommt mit dem Befüllen der Regale nicht mehr hinterher. Vermutlich ist selbst das Lager schon leergefegt. Ich streife durch die Gänge, an der hintersten Wand werde ich fündig. Ich nehme das Erstbeste, was mir ins Auge fällt. Mein Bruder liebt Autos, also krieg er eines zum Zusammenbauen. Wehe, ihm gefällt das nicht. Ich schnappe mir den Karton und gehe weiter, die Puzzle könnten etwas für meine Oma sein. Sie liebt das Puzzeln so sehr und hält sie im Kopf fit. Irgendwelche Kiddis rennen durch den Laden und hauen mich dabei fast um. Ich kann noch gerade so das Gleichgewicht halten.
„Melody! Ludwig! Es wird im Geschäft nicht gerannt!", brüllt die vermutliche Mutter über die Regale hinweg.
Ich beiße mir auf die Zunge, um nichts zu sagen. Stattdessen schaue ich mir die Puzzles an und entscheide mich für ein Motiv aus einem Kinderfilm. Das wird ihr sicherlich gefallen. Mit beiden Kartons bewaffnet, schreite ich zur Kasse. Kurz vorher fällt mir auf, dass ich ja gar keine Tasche dabeihabe. Na toll, jetzt muss ich auch noch zusätzlich zwanzig Cent für so eine Tüte ausgeben. Hoffentlich hält die länger als von zwölf bis Mittag. Meine Laune sinkt mittlerweile.
Nachdem zunächst das Kartenlesegerät nicht funktionierte, habe ich jetzt schon mal die ersten beiden Geschenke. Auf meinem Handy trage ich mich eine Liste ein, was ich noch brauche. Ich möchte am liebsten nach Hause. Vor mir schneckt eine Frau vor sich hin, aber überholen kann ich nicht, weil sie so viele Tüten dabeihat und von vorne kommen ebenfalls Leute. Ich verdrehe die Augen. Hatte ich mir nicht vorgenommen, dieses Jahr alles etwas früher zu erledigen. Da klingelt auch noch mein Handy. Ich fische es aus meiner Hosentasche und sehe „Muddi" dort aufleuchten. Super. Natürlich gehe ich ran, versuche, mich an den Rand zu stellen.
„Hallo?"
„Hallo Kind, was ist denn nun mit dem Essen?"
„Was?"
„Das Essen!"
„Ich versteh dich nicht, ich bin einkaufen."
„Was?"
„Ich bin einkaufen!"
„Essen?"
„Nein."
„Nein, was soll es zu Essen geben?"
„Was?"
„Ruf mich später noch mal an."
„Ich ruf dich später noch mal an."
Aufgelegt. Kopfschüttelnd stecke ich das Handy wieder weg und will meinen Weg fortsetzen, da latsche ich voll in einen Herren rein. Sofort ranzt er mich an.
„Hast du keine Augen im Kopf?! Dämliches Smartphone-Volk!", schimpfend zieht er von dannen, erwartet nicht einmal eine Antwort von mir. Blöder Arsch.
Wäre er nicht so arschig gewesen, hätte ich mich entschuldigt. Stattdessen gehe ich jetzt meines Weges. Meine nächste Station ist der Buchladen im ersten Stock und ich werde mich sehr davon abhalten müssen, mir nicht selbst ein oder zehn Bücher zu kaufen. Das fällt mir nämlich wesentlich leichter, als irgendeinen Roman für meinen zu finden, den er noch nicht hat. Gefühlt hat der Mann eine ganze Bibliothek zu Hause. Ich kann es ihm nicht verübeln, bin ja genauso. Ich entscheide mich rasch für zwei Neuerscheinung (erschienen vor ein paar Tagen), die wird er wohl kaum besitzen. Vor der Kasse ist eine riesige Schlange und ich habe meine Kundenkarte für das Punktekonto vergessen.
„Das macht dann genau 42,00€ bitte."
Oh Mann, gebundene Ausgaben sind zwar toll, aber gehen echt ins Geld. Ich zücke wieder meine Karte. Hoffentlich zeigt mir nachher die App keinen traurigen Smiley an, wenn ich die Online Banking App öffne. Die Bücher passen noch grade so in die Tüte. Nur, was schenke ich meiner Schwester, die sich alles selbst kauft, was sie haben will? Es ist quasi unmöglich, ein passendes Geschenk für sie zu finden. Ich kann sie ja schlecht fragen, zumal sie dann auch noch Stress macht, weil ich sie angeblich vergessen hätte. Ehrlich, die Prinzessin sollte mal von ihrem Ross steigen.
Ich habe das Gefühl, es werden immer mehr Menschen. Vermutlich nutzen sie den Moment des Feierabends, um die letzten Geschenke zu kaufen. In den Gängen wird es noch enger, die Schlangen an den Kassen länger. Ich brauche nur einen raschen Blick in die Geschäfte werfen, um zu wissen, dass ich da nicht rein möchte. Ich habe weder die Lebenszeit, noch die Lust, mich da Ewigkeiten anzustellen. Ich kann dieser blöden Gans von Schwester nicht mal einen Gutschein schenken, dann ist sie beleidigt und ich gelte als unkreativ. Manchmal glaube ich, sie sei adoptiert.
Doch so langsam verliere ich die Nerven, die Menschen sind so derbe anstrengend und ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich schon angerempelt wurde. Ich gehe in den nächsten Parfümladen und frage die Verkäuferin nach etwas, was für Prinzessinnen geeignet ist und nicht nach Stinktier riecht. Dazu noch ein violetter Nagellack. Ich hoffe, Violett ist immer noch ihre Lieblingsfarbe.
Damit habe ich erst einmal genug. Zwar nicht an Geschenken, aber an Nerven. Ich habe wirklich keine Lust mehr und so bezahle ich nur noch und mache mich dann auf den Heimweg. Eigentlich habe ich ja nichts gegen einen Bummel im Einkaufszentrum, aber zur Weihnachtszeit ist das der größte Höllenritt überhaupt. Ich werde nie verstehen warum, aber nächstes Jahr fange ich definitiv früher an. Ganz bestimmt!
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der Adventskalender 2023
Short Story24 kurze Geschichten über die Weihnachtszeit. Ob Märchen, Gedicht oder Alltagssituation, von allem ist etwas dabei. Ein kleiner Einklang in die Weihnachtszeit- und Adventszeit.