Kapitel 19

1 0 0
                                    

Vor mir lief Frostpfote an dem Fluss auf und ab und peitschte wütend mit dem Schweif, während sie mit ihren Augen abwechselnd das Gegenüberliegende Ufer und den Baum anfunkelte. Der Ast, der uns herüber gebracht hatte schien nun unerreichbar hoch und der Wind, der stark durch das Hohe Gras pfiff, machte den Fluss zu einem unüberwindbaren Hinderniss.
„Was machen wir denn jetzt?" fragte ich schließlich, aber eher um die Stille zu durchbrechen, als wirklich auf eine nützliche Antwort zu hoffen. Die einzige Antwort die ich bekam war das grummeln unserer Mägen, die Lautstark nach etwas zu essen verlangten. Wir hatten heute Morgen beschlossen, nicht zu jagen und uns allen dafür etwas mehr Schlaf zu gönnen und so standen wir jetzt hungernd, durstig und hoffnungslos, aber wenigstens nicht mehr müde, am Flussufer und suchten verzweifelt nach einer Lösung.
„Wir könnten schwimmen", schlug ich vor und wusste, wie Mäusehirnig das war. Die Strömung war viel zu stark und niemand außer Schattenherz könnte die Strömung bezwingen. -Vielleicht nicht einmal sie- dachte ich, als mir auffiel das die Strömung stärker als am ersten Tag war. -Ich möchte es jedenfalls nicht ausprobieren!-
„Wir bleiben einfach auf dieser Flussseite", miaute Wolkenpfote und schnippte bemüht unbeschwert mit dem Schweif. Frostpfote nickte nachdenklich, aber sie schien nachzudenken, während sie uns den Fluss hoch führte. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus: „Was ist denn los, Frostpfote? Das ist doch eine gute Lösung!" „Mhm", machte Frostpfote, dann seufzte sie. „Da kommt aber eine Flussgabelung weiter oben, da müssen wir gucken, wie wir rüber kommen." „Das ist ein Zukunftsproblem!" miaute Wolkenpfote heiter. „Aber ein sehr wichtiges und sehr aktuelles Problem ist unser Hunger! Wir sollten was zu essen fangen, dann kommen wir schneller voran!" „Na gut", seufzte Frostpfote aber man merkte, dass sie erleichtert war, endlich essen fangen zu können.
Wir teilten uns auf und ich schlich nahe am Fluss durch das Gras. Es kitzelte mich angenehm an meinen Flanken und fast war ich versucht, mein Leben einfach immer so zu leben. Jagen, wenn man wollte und so lange wegbleiben, wie man wollte ohne Verpflichtungen gegenüber dem Clan. Schnell vertrieb ich den Gedanken wieder und konzentrierte mich auf das kleine, magere Beutestück, was ich nicht weit entfernt nahe des Flusses auf den Kieseln sah. Es war mit irgendetwas beschäftigt, was sich auf oder unter den Kieseln befinden musste und scharrte unentwegt in der Steinmasse.
Langsam kroch ich auf das Tier zu, prüfte sorgsam die Windrichtung und suchte die Kiesel nach einer Art Tunnel ab, die dem kleinem Wesen als zuhause dienen könnten. Zum Glück entdeckte ich nichts, was bedeuten müsste das die Wasserratte weit weg von ihren Höhlen sein müsste und somit einen leichten Fang darstellte.
Während ich mich dem Tier näherte spitzte ich die Ohren und erstarrte einen Moment vor Schreck, als ich den Warnruf einer weit entfernten Amsel vernahm. Auch die Wasserratte muss sie gehört haben, denn sie richtete sich auf und flitzte einen Moment später los. Ich setzte ihr sofort hinterher und wollte so eine gute Beute nicht entkommen lassen, aber ich war nicht schnell genug. Wenige Katzenlängen entfernt von dem vorherigen Aufenthaltsort der Ratte war ein Strauch gewesen und unter jenem erkannte ich nun den Tunnel des Tieres. „Mäusedreck!" fluchte ich und richtete mich auf, während ich meine Augen suchend über die Wiese schweifen ließ. Hoffentlich wurde wenigstens dieser blöde Vogel gefangen!
Im Anschluss lief ich zurück zu dem Ort, an dem wir uns getrennt hatten und setzte mich dort mit hängenden Kopf hin. Nochmal loszuziehen und mein Glück bei der Jagd zu suchen hätte sowieso nichts gebracht, denn es war erstens Blattlehre und zweitens war ich absolut kein guter Jäger. Also  verbrachte ich meine Zeit des Wartens damit, meine Gedanken schweifen zu lassen. -Das ist der Nachteil des Streunerlebens- dachte ich deprimiert und scharrte mit der Pfote Erde umher. -Wenn ich mir vorstelle jetzt alleine gewesen zu sein hätte ich mir Fellbüschel nach Fellbüschel rausgerissen. So kann ich einfach warten, bis Frostspfote oder Wolkenpfote mit Beute zurückkommen und bekomme von ihnen etwas zu Essen, alleine wäre das ganz anders gewesen. Dann hätte ich so lange jagen müssen, bis ich was bekommen hätte.-
„Hast du nichts gefangen?" die sanfte Stimme von Wolkenpfote riss mich aus meinen Gedanken, sie war gerade neben mir aufgetaucht und ließ ihren Buchfinken neben mir fallen. „Ich teile gerne mit dir." Gezwungen schnurrend nickte ich und versuchte mein schlechtes gewissen zu verdrängen. Das war nicht das erste Mal, dass ich der einzige war, der nichts zum Essen beisteuerte.
„Ah! Ihr seid schon da", miaute Frostpfote freudig und trug eine Amsel und zwei kleine Mäuse zu uns. „Ich hab erst diese beiden Mäuse gefunden und dann noch die Amsel!" -Die meine Beute verscheucht hat- dachte ich in Gedanken. „Ich glaube gar nicht, was für ein Glück ich hatte! Ich werde jetzt erst Mal die beiden Mäuse essen!" miaute sie heiter weiter und schob mir den Vogel hin. „Hier, den kannst du haben." „Danke", knurrte ich etwas Halbherzig. Jetzt bekam ich den Vogel, der mich um mein Jagdglück gebracht hatte. Wie schön!
Doch wirklich beklagen tat ich mich nicht. Beute war beute und dieser Vogel sah eindeutig dicker aus als die Wasserratte, die ich hatte fangen wollen.
Nach einer Pause, in der wir die wenigen Sonnenstrahlen auf unsere vollen Bäuche hatten schienen lassen machten wir uns wieder auf den Weg. Diesmal sehr viel schneller und mit viel mehr Energie. Wir hielten noch kurz an einer Stelle, an der man leicht an den Fluss konnte und tranken so viel wir konnten, bevor wir den ganzen restlichen Tag bis Sonnenuntergang am Fluss entlang zogen.
In der ferne war das Wasser lauter geworden und wir vermuteten, dass wir sehr bald überlegen mussten, wie wir über die Flusskreuzung kommen würden. Doch zuerst richteten wir unser Lager ein. Am liebsten hätten wir unser altes genommen, aber das lag auf der anderen Flussseite und so richtete Frostpfote einen Busch her, während ich und Wolkenpfote jagen gingen.
Diesmal brachte ich tatsächlich ein Eichhörnchen mit, was so dämlich war, vor meine Pfoten zu springen. Bei den Glückwünschen der beiden und ihren gierig leuchtenden Augen als sie entdeckten, dass es tatsächlich auch noch recht gut genährt war wusste ich das meine Male, an denen ich kein Beutestück gefangen hatte vergessen waren.

Frostpfote, weiße Kätzin mit frostigen blauen Augen
Wolkenpfote, kleine weiße Kätzin mit schwarzen Pfoten, Schwanzspitze, Ohrenspitze und türkisenen Augen
Ginsterpfote, brauner Kater mit weißem Tiegermuster und Bernsteinfarbenen Augen

Das Verbrechen der Schüler Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt