4. Kapitel

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POV Noah

Ich kriege keine Luft mehr. Ich weiß genau, dass ich atme, meine Brust hebt und senkt sich, aber es scheint als würde der Sauerstoff nicht in meinem Körper ankommen.

Die Situation im Zimmer war so merkwürdig. Ich hätte wirklich nicht damit gerechnet, dass Colin nicht mehr mit mir redet. Schon gar nicht, nachdem er gestern das Bild hochgeladen hat. Es hatte sich wie ein Friedensangebot angefühlt. Für einen kurzen Moment hat es mir echt Hoffnung gegeben. Doch da hab ich mich wohl getäuscht. Colin scheint wohl wirklich nichts mehr mit mir zutun haben zu wollen.

Ich spüre einen Stich in meinem Herzen. Tränen brennen in meinen Augen. Oh nein, ich werde jetzt nicht anfangen zu weinen. Doch noch während ich das denke, spüre ich, wie die Tränen sich einen weg meine Wangen hinab suchen.

Ich bin wütend. Wütend auf mich, auf Colin und auf Joel, der immer in den unpassendsten Momenten ins Zimmer kommt. Ich hatte grade den Entschluss gefasst, Colin auf seine Ferien anzusprechen und dann muss er natürlich wieder dazwischen platzen.

Ich muss zu Freddy. Er ist der einzige, der mich jetzt auf andere Gedanken bringen kann. Mit einer schnellen Bewegung wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht. Hoffentlich merk Chung nicht, dass ich geweint habe.

Als ich wenig später vor der Tür unseres Direktors stehe, wird mir bewusst, dass dieser gar nicht zuhause sein könnte. Trotzdem klingel ich, woraufhin ein bellen zu hören ist. Schlagartig hellt sich meine Stimmung ein wenig auf. Keiner kann mit mir schlechte Zeiten so gut durchstehen wie Freddy. Kurz darauf geht auch die Tür auf.

"Noah, mit dir hab ich heute ja noch gar nicht gerechnet. Schön dich zu sehen!", begrüßt mich Herr Chung. "Hallo, ich wollte fragen, ob ich mit Freddy spazieren gehen kann? Ich hab ihn die letzten Wochen ziemlich vermisst." "Ja klar, komm ruhig rein und begrüß ihn". Der Mann macht einen Schritt zur Seite und bedeutet mir so einzutreten.

Als ich in den Raum trete, kommt Freddy sofort auf mich zu. Scheint so als hätte er mich genau so vermisst, wie umgekehrt. Ich hole die Sachen die ich brauche, eine Leine und ein paar Leckerlies, und verabschiede mich dann mit Freddy an meiner Seite von meinem Lehrer.

Ich möchte in den Wald. Dort haben wir unsere Ruhe, Freddy kann frei herum laufen und niemand bemerkt wie scheiße ich mich fühle.

Warum nimmt mich die Situation so mit? Es ist nicht das erst Mal, dass ich jemanden enttäusche. Ich bin es gewohnt alleine zu sein. Ich kann nicht glauben, dass ich mir immer noch Gedanken darüber mache.

Aber Colin war ein guter Freund. Er war immer für mich da. Ich konnte mich auf ihn verlassen, das hatte ich bis jetzt noch nicht oft erlebt.

Immer stärker wird mir bewusst, wie wichtig Colin mir ist. Mit ihm wurde mein Leben fröhlicher und tatsächlich ein Stück lebenswerter.

Ich lasse Freddy von der Leine, damit er sich ein bisschen austoben kann. Anschließend lass ich mich auf einem umgefallenen Baumstamm nieder.

Die Gedankenspirale in meinem Kopf dreht sich weiter, sodass mir schwindelig wird. Hätte ich Colin doch nicht die ganzen Ferien in Ruhe lassen sollen? Aber er war doch derjenige, der die Freundschaft nicht weiter führen wollte. Was hätte ich ihm denn schreiben sollen?

Wieder kämpfe ich mit den Tränen. Ich fühle mich so hilflos.

Als es allmählich dunkel wird, schaue ich auf die Uhr. Es ist schon weit nach sieben. Shit, ich hab das Abendessen verpasst. Das bestätigt mir auch eine Nachricht von Joel. "Hast du keinen Hunger?", steht da.

Nein, hab ich nicht. Der Appetit ist mir vorhin vergangen.

Aber seit wann interessiert Joel was ich mache? Normalerweise ist Colin derjenige, der mir in solchen Momenten schreibt, aber ich befürchte auf eine Nachricht von ihm kann ich heute lange warten.

Widerwillig mache ich mich auf den Weg um Freddy zurückzubringen. Ich habe keine Lust am ersten Abend schon Ärger zu bekommen.

||Nolin|| Ich brauch' dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt