6. Kapitel

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POV Colin

Ich sitze im Unterricht und versuche zumindest ein bisschen was von Frau Holopainens Worten mitzubekommen, doch meine Gedanken wandern ständig. Wenn das so weiter geht, muss ich ernsthaft über einen Schulwechsel nachdenken, damit ich mich wieder auf was anderes konzentrieren kann, als Noah.

Ich war heute morgen der einzige aus unserem Zimmer, der zum Unterricht gegangen ist. Joel liegt mit Fieber im Bett und Noah hat seelenruhig weiter geschlafen, als ich das Zimmer verlassen habe. Diese Ruhe hätte ich auch gern mal.

Es sollte mir echt egal sein, was er tut. Es ist nicht meine Verantwortung, dafür zu sorgen, dass er pünktlich zum Unterricht erscheint. Trotzdem fühle ich mich schlecht, dass ich ihn nicht geweckt habe, bevor ich los bin.

Gedankenverloren starre ich an die weiße Wand vor mir und bekomme dabei fast nicht mit, wie die Tür aufgeht. Und hätte die blonde Gestalt, die ich im Augenwinkel wahrnehme, nicht erstaunliche Ähnlichkeit mit Noah, wäre es mir auch ziemlich egal gewesen.

Ich drehe meinen Kopf der Tür entgegen. Tatsächlich ist es Noah, der sich scheinbar doch noch dazu entschieden hat am Unterricht teilnehmen zu wollen. Merkwürdiger Weise beachtet Frau Holopainen ihn kaum, gibt ihm nur zu verstehen, dass er sich setzen soll.

Sofort schaue ich mich im Raum um, denn soweit ich mich erinnern kann, ist der einzige frei Platz neben mir. Noah, der wohl zum selben Ergebnis gekommen ist wie ich, kommt nun unsicher auf meinen Tisch zu.

"Oh nein, vergiss es", zische ich ihm zu. "Wo soll ich mich denn sonst hinsetzen, auf den Boden?", zischt er im gleichen, genervten Ton zurück.

Widerwillig schiebe ich mein Zeug zusammen, damit Noah auf der anderen Hälfte des Tisches Platz hat. Das versteht er wohl als Einverständnis, sich neben mich setzen zu können, denn er lässt sich auf den Stuhl neben mir fallen und fängt an seine Sachen auszupacken. Anschließend gibt er ein gemurmeltes "Danke" von sich, worauf ich lieber nichts mehr antworte, bevor ich etwas sage, was ich noch bereue. Ich möchte wirklich nicht fies sein, aber in nicht mal drei Wochen Schule, hat er es jetzt schon fünf mal geschafft zu spät zu kommen. Um so mehr irritiert es mich, dass Frau Holopainen ihm das einfach so durchgehen lässt. Aber auch das sollte eigentlich nicht meine Sorge sein.

Während wir unsere Aufgaben bearbeiten sollen, schiele ich unauffällig in seine Richtung. Seine bloße Anwesenheit macht mich nervös. Mein ganzer Körper fängt an zu kribbeln und ich würde ihn am liebsten berühren.

Mir fällt auf, dass er immer noch ziemliche Probleme mit Chemie zu haben scheint. Die Aufgaben bekommt er kaum gelöst, aber er ist zu faul oder zu stur um nach Hilfe zu fragen. Wahrscheinlich beides.

Als die Stunde fast vorbei ist und ich schon im Glauben bin, meiner persönlichen Hölle gleich entfliehen zu können, eröffnet uns Frau Holopainen, dass wir Referate vorbereiten sollen. Der Einfachheit wegen, sollen wir in Partnerarbeit mit unserem Sitznachbar zusammen arbeiten. Wir bekommen ein Thema zugeteilt, was ich gar nicht wirklich mitbekomme. Ich glaube ich bin im falschen Film.

Missmutig packe ich meine Sachen zusammen und will grade gehen, als mich Noah aufhält. "Du weißt, dass ich echt grottig in Chemie bin, du musst mir helfen das zu verstehen, sonst bekommen wir beide eine schlechte Note". Wo er Recht hat, hat er Recht. Ich werde wohl nicht drum herum kommen mit ihm das Referat vorzubereiten. Am liebsten würde ich mich verkriechen, da wir aber nicht viel Zeit haben, bis es fertig sein muss, schlage ich dem Blonden vor, sich gleich nach Unterrichtsende zu treffen. Bringen wir es hinter uns...

||Nolin|| Ich brauch' dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt