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Freitag 6.Juni 2021

Heute ist der letzte Tag in der Uni vor den Semesterferien. Ich setze mich auf mein Bett, nachdem ich das Fajr-Gebet vollendet habe. Ich atme tief ein und aus und schließe die Augen. Soll ich? Soll ich ein Abaya anziehen? Der Cremefarbende Abaya von Azem sticht mir ins Auge als ich sie wieder öffne. Ach Azem, wo bist du nur? Imaan, warum interessiert es dich? Es ist doch besser für dich, dass Azem weg ist. Du musst nicht mehr seine täglichen bemerkungen dir antun. Vom Bett stehe ich auf und gehe zu meinem Schrank. Ich betrachte den Abaya genauer, streiche über ihn. Er ist aus dem Stoff Chiffon, mein Lieblingsstoff. Er ist nicht durchsichtig, aber man darf kein Wasser darauf kommen lassen, sonst sieht man alles durch. Ich ziehe den Abaya an und betrachte mich im Spiegel, lege meinen Kopf schräg und betrachte mich erneut. Ich fühle mich nicht unwohl, aber auch nicht ganz wohl. Ich habe es vermisst, dieses schöne Kleidungsstück anzuziehen. Die Abaya, ein Schleier der Eleganz, umschmeichelt die Gestalt mit Anmut und Glanz. Ein Symbol der Stärke und des Selbstausdrucks, verborgene Schönheit. Mit gemischten gefühlen betrete ich die Wunderschöne graue Küche, wo mich direkt Ayda emfängt. Du siehst WOW aus, ich habe keine Worte außer Wunderschön Imaan". Sagte sie und kam zu mir um mich zu umarmen. ,, Danke". Sagte ich noch verlegen. ,, Ich gehe dann los". Sagte ich Ayda bescheid und lief mit meiner Tasche in der Hand zum Auto. Ich atmete erst einmal aus. Ayda findet ich sehe gut aus. Würden es die anderen auch so sehen?

Als ich zur Uni reingehe, sehe ich schon Abdul mit Amir reden. Ich gehe auf sie zu. "Salam Aleikum", sage ich. "Aleikum Selam", antworten beide synchron und mustern mich. Das macht mich wieder verlegen. Nervös spiele ich mit meinen Fingern herum und senke mein Blick nach untem. "Na, wie geht es dir? Du siehst besser aus", sagt Abdul. Ich blicke wieder zu ihm und muss schmunzeln über seine Aussage. "Gut, ich freue mich, dass heute der letzte Tag ist und wir danach Semesterferien haben", antworte ich. "Ja, ich auch." "Hast du was vor?", fragt Abdul. "Noch nicht ganz, ich werde wahrscheinlich in der Moschee arbeiten. Habt ihr Pläne?", antworte ich. "Wir fliegen vielleicht in die Türkei", sagt Abdul. "Auch schön." "Hast du eigentlich noch etwas von Cedra gehört?", fragt Abdul. Mein blick richtig sich auf  Amir, der mit angespannten Kiefermuskeln reagiert. "Nein", antworte ich kalt. Ich signalisiere Abdul mit meinen Augen, dass er aufhören soll zu reden, da ich sehe, wie es Amir bedrückt. "Wollen wir reingehen?", fragt Abdul nervös und kratzt sich am Nacken. Ich nicke zustimmend.

....

Die letzte Vorlesung haben wir hinter uns. Vor der Uni warte ich nur noch auf Abdul und Amir, da wir zusammen essen gehen wollten. Ich schlage vor Döner, aber bin mir nicht sicher was die beiden Essen wollen. Die Sonne scheint hell, weshalb ich in meiner Tasche nach meiner Sonnenbrille suche. Plötzlich entdecke ich meine Marlboro Rot Zigarettenpackung. Ich habe sie zwar gekauft, aber noch nicht geöffnet. Ich will sie auch nicht rauchen. Aber das Verlangen ist da, wieder das Nikotin in meinen Lungen zu spüren und den Rauch auszuatmen. Doch ich habe sie nicht angerührt. Ich nehme stattdessen meine schwarz-braune Sonnenbrille heraus und setze sie auf. Mann, wie lange brauchen Abdul und Amir denn? Ich warte hier schon seit 10 Minuten. Augenverdrehend wähle ich Abduls nummer, während ich herumlaufe. Das Verlangen, die Zigarettenpackung auszupacken, eine herauszunehmen, anzuzünden und daran zu ziehen, ist zu stark. Uff, Abdul, heb doch endlich ab. Sage ich quälend zu mir selbst. Ich packe mein Handy wieder in meiner Tasche und schaue mich etwas um. Wieder dieselben Leute, die mir abfällige Blicke geben. Ist nichts neues für mich. Ich schaue nach einer weile wieder auf meinem Handy und sehe das schon 30 Minuten vergangen sind. Wo bleiben sie nur?

Beide gehen nicht ran. Ich stehe genau vor der Uni, es  kommen mehrere Studenten aus der Uni heraus, und es ist ziemlich voll geworden auf dem gelände. Plötzlich entdecke ich Abdul und Amir, und hinter ihnen...
,, Hast du verdient du Schlampe". höre ich eine Stimme, die mir bekannt vorkam. Ich spüre, das mein nasser Abaya an meiner Haut klebt. Die Scham und die ekelhaften Blicke der anderen, sowohl von Männern als auch von Frauen. Ich drehte mich zur Seite, um zu sehen, wer mich so bloßstellte. Wer so einen Hass in sich trägt, eine verschleierte Frau derart bloßzustellen. Dann sah ich ihn. Ebubekir, der mich einst berührte und mein Kopftuch abnehmen wollte. Derjenige, der jetzt gerade meine Aura vor all diesen Menschen enthüllt. Mein Blick richtete sich erneut auf all die Menschen, die mich anstarrten. Mein Kopf ist wie leer gefegt.  Mein Blick blieb an einem Kerl hängen. Mit braunen Augen, die schon fast schwarz wirkten. Seine Haut war gebräunter und er war auch breiter geworden. Sein dichter Bart erinnerte mich an Baba.

Wir und diese DunyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt