Kapitel 6

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A D E L I N E

„... und-und nun ist die Vergangenheit wieder da. Sie ist zurückgekommen", rattere ich und sehe zu meiner Psychologin, die komischerweise bis jetzt nichts aufgeschrieben hat und mich so ansieht, als wäre ich nicht von dieser Welt.

Ich schlucke und atme tief ein, nachdem ich merke, dass ich meinen Atem angehalten hatte.

„Adeline...", beginnt sie und ich nicke, warte darauf, was sie nun endlich dazu sagt. „Die Vergangenheit kann nicht zurückkommen", beendet sie ihren Satz. Sie spricht jedes Wort langsam und mit einer gewissen Betonung aus, als wäre ich ein Kind.

Wieso nimmt sie mich denn nicht ernst?

„Doch", widerspreche ich und sehe wieder das Bild von Aiden vor mir, wie er lässig auf dem Stuhl sitzt und scheinbar Spaß daran hatte, in mein Leben zu platzen. „Genau das ist doch passiert. Deshalb bin ich hier", erzähle ich aufgeregt und rutsche mit meinem Po immer näher an den Stuhlrand.

Die Dame vor mir beginnt ihren Kopf zu schütteln und legt den Block, auf den sie sowieso nichts geschrieben hat, zur Seite. Irritiert ziehe ich meine Augenbrauen zusammen.

„Was ist zurückgekommen?", fragt sie und kurz denke ich, sie hat geträumt, während ich Zisch Mal gesagt habe, dass die verdammte Vergangenheit zurückgekommen ist.

„Na die Vergangenheit", antworte ich irritiert, wobei das eher wie eine Frage klingt. Erneut schüttelt sie den Kopf und ich fange an, mich verarscht zu fühlen.„Was aus deiner Vergangenheit ist zurückgekommen?"

Ich schlucke

.„Oder wer?", fügt sie hinzu und hebt ihre Brauen gespannt hoch. Oh man. Sie hat zugehört. Und wie sie zugehört hat.

„Ich-also nein, so ist das nicht." Ich versuche eine Ausrede zu finden. Irgendetwas, das sie von dem Gedanken wegbringt, dass es eine Person ist. Aber wie?

Tief atmet sie aus, dabei lehnt sie sich wieder zurück. „So geht das nicht weiter", sagt sie und verschränkt ihre Finger miteinander.

Leise räuspere ich mich und bemerke, dass ich angefangen habe, meine Hände nervös zu kneten. Wo ist denn dieser komische Ball hin?

„Was meinen Sie?", will ich mich erkundigen, obwohl ich genau weiß, was sie meint.

Sie greift erneut nach ihrem Block und beginnt in ihm zu blättern.

„Es gibt Dinge, die passen einfach nicht zusammen." Sie blättert weiter und ich schlucke erneut. Wieso ist der Kloß in meinem Hals nur so groß?

„Sie haben mir von ihrer Kindheit erzählt, von Daniel und der Beziehung zu ihrem Bruder. Dann sagten sie, dass ihr Bruder tot sei und plötzlich war er es nicht mehr. Doch noch komischer wird es, als Sie wieder auf ihre Familie trafen. Sie haben immer wieder erwähnt, dass Sie es mussten und keine Wahl hatten. Und jetzt sitzt Ethan im Gefängnis und Daniel ist tot."

Verzweifelt fährt sie durch ihre Haare und ich wünsche mir in diesem Moment einfach aus dem Raum zu gehen. Theoretisch gesehen könnte ich es, aber das wäre etwas respektlos. Nehme ich an.

„Irgendetwas fehlt. Etwas in der Mitte, das alles zusammenfügt. Aber es sieht nicht so aus, als wollten sie es mir erzählen."

Strength over FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt