Kapitel 3

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A  D  E  L  I  N E

Gelangweilt sitze ich in der letzten Vorlesung für heute und verliere mich abermals in meinen Gedanken. Der Professor redet monoton vor sich hin, und ich kann es kaum erwarten, bis endlich die erlösende Glocke den Raum durchschneidet und mich in die Freiheit entlässt.

Na ja... ganz frei bin ich dann immer noch nicht. Denn sobald ich hier raus bin, muss ich mich um die bevorstehende Rede meiner Präsentation kümmern, die immer näher rückt. Mein Bauch kribbelt vor Aufregung, so wie immer, wenn ich daran denke.

Ich will mich gerade wieder in meine Kritzeleien vertiefen, um nicht weiter daran zu denken, als eine Glocke ertönt. Allerdings nicht die gleiche, die mich normalerweise befreit.

Verwirrt kommen wir alle zur Ruhe, auch der Professor, bei dem ich dachte, dass er nie aufhören würde zu reden.

Doch als ich nur die ersten drei Worte meines Direktors durch die Sprechanlage höre, rutscht mir mein Herz in die Hose.

„An Mrs. Morgan: Sie werden gebeten, sich unverzüglich im Universitätsbüro zu melden."

Und als würden nicht schon alle Augen auf mich gerichtet sein, wird es wiederholt: „Mrs. Morgan, bitte begeben Sie sich umgehend zum Universitätsbüro. Vielen Dank."

Ich stehe mit rasendem Herz und zusammengezogenen Brauen in der gleichen Sekunde auf.

Ich versuche, die Blicke, die von rechts, links, hinten und vorne auf mich treffen, zu ignorieren, quetsche mich durch die enge Reihe und wispere entschuldigend, als ich glaube, jemandem auf die Füße getreten zu sein.

Ohne ein weiteres Wort verlasse ich den Raum und beginne nahezu zu rennen, da das Büro so gut wie am anderen Ende der Universität liegt.

Scheiße, was habe ich getan? Und was ist so wichtig, dass es nicht einmal die letzten Minuten der Vorlesung warten kann?

Schwitzend überlege ich fieberhaft, was ich verbrochen haben könnte, dass der Direktor mich so dringend sehen will.

Verdammt, in all den Jahren wurde ich nicht ein einziges Mal in sein Büro gerufen.

Meine Schritte hallen durch die leeren Flure, und die Nervosität in mir wächst mit jedem Schritt, bis ich vor dem Büro stehe. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, und mich selbst verwirrt es. Was soll schon Schlimmes passieren?

„Es kann nichts Schlimmes sein, Adeline. Du hast nichts getan", flüstere ich mir selbst irritiert zu und klopfe, bevor ich es mir doch anders überlege.

Ich zähle bis zwei, wenn keiner was sagt, dann-

„Kommen Sie rein!"

Mist!

Langsam drücke ich die Türklinke runter. „Kommen Sie rein und schließen Sie die Tür", sagt mein Direktor, mit dem ich die letzten drei Jahre kein Wort gewechselt habe.

Wie mir gesagt wird, schließe ich die Tür und drehe mich wieder zu ihm. Vom Augenwinkel aus sehe ich, dass ein Mann vor ihm an dem Tisch sitzt, allerdings kann ich ihn nicht erkennen. Ich glaube, er hat überhaupt nicht vor, mich anzuschauen.

„Setzen Sie sich doch, Mrs. Morgan." Der alte Mann zeigt auf den zweiten Stuhl vor seinem Tisch, und ich schlucke, während ich im Schneckentempo auf ihn zusteuere. Ehe ich mich jedoch hinsetze, dreht der dunkelhaarige Mann seinen Kopf in meine Richtung.

Strength over FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt