Kapitel 10

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A  D  E  L  I  N  E

Heute Morgen war ich mir eigentlich sicher, dass ich dieses Mal wenigstens nicht zu spät kommen werde. Doch wie es aussieht, werden Elli und Liv wieder ein Hühnchen mit mir rupfen müssen. Das Handy, das schon seit einer Viertelstunde in meiner Hose vibriert, ist schon der Vorspann.

Schnell ziehe ich mir meinen Mantel an, schnappe mir meine Tasche und öffne die Tür.

Keine Sekunde später möchte ich sie wieder zuknallen, doch dieses Mal kommt er mir zuvor und hält sie mit seiner Hand auf.

Zwar sehe ich Aiden nicht mehr, da die Tür nur einen Spalt offen ist, doch mein Atem ist immer noch weg. Und ich weiß nicht, ob es an den hohen Schuhen liegt, die ich gerade trage, aber ich habe das Gefühl, dass meine Beine wackelig sind.

Sehr wackelig.

„Wird das jedes Mal so sein?", fragt er auf der anderen Seite der Tür.

Jedes Mal? Wieso jedes Mal?

Wieso will er wieder kommen, und wieso ist er überhaupt hier?

„Was möchtest du?", frage ich und mir ist bewusst, dass ich gerade einem ängstliches Häschen gleiche, doch es ist mir relativ egal.

Ich habe keine Angst vor Aiden. Nicht mehr. Allerdings ist es für mich normal geworden, dass sobald ich ihn sehe, mein Verstand und mein Körper sich vor ihn verstecken wollen. Sich vor ihn und den Schmerz, den er mitbringt, verkriechen wollen.

Ich lausche auf eine Antwort, aber es kommt nichts. Sekunden vergehen und ich höre immer noch nichts.

Vorsichtig gucke ich durch das Guckloch und tatsächlich steht er noch da, die Hände in den Taschen und mit entspanntem Ausdruck auf dem Gesicht. Wieso antwortet er dann nicht? Vielleicht hat er mich gar nicht erst gehört.

Ich spiele mit den Gedanken einfach die Tür zu schließen. Aber es ist Aiden. Lange werde ich mich nicht vor ihn verstecken können.

„Die Präsentation wurde schon aus dem Programm gelöscht.", spreche ich und hoffe, dass es einfach das ist, was er hören will und nun verschwindet. Aber Aiden steht immer noch da. Wie angewurzelt am selben Fleck.

„Adeline, ich werde nicht mit der Tür reden.", sagt er ruhig und ich schlucke. Ich weiß nicht, ob der Kloß in meinem Hals sich aufgrund der Nervosität in mir bildet. Oder weil die Art und Weise wie er meinen Namen ausspricht, sich kein bisschen verändert hat.

Ich will ihn nicht sehen. Ich will ihn nicht in die Augen blicken.

Tief hole ich Luft, während ich nun langsam hinter ihr zu ihm hinausschaue. Seelenruhig mustert er mich, doch etwas an ihm scheint heute trotzdem anders zu sein. Er sieht irgendwie... gestresst aus.

Vielleicht ist dies der Grund, weshalb ich die Tür ein Stück weiter öffne und ihm jetzt die Gelegenheit gebe, mich von den rosa lackierten Füßen bis zu meinem Kopf abzuchecken. Seine linke Braue wandert minimal nach oben und ich spüre, wie mein Herz darauf reagiert.

„Ich wollte mit dir reden.", sagt er, blickt mir aber immer noch nicht in die Augen. Es sieht so aus, als würde er sich über irgendetwas wundern.

Strength over FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt