Kapitel 22

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A  I  D  E  N

„Du hast es vorhin wieder getan.", sagt sie plötzlich nach einer Weile. „Was habe ich getan?", frage ich. Adeline sieht mich an, blinzelt und schüttelt leicht ihren Kopf, bevor sie sich wieder ihrem Teller widmet. Ist sie verärgert?

„Du hast vorhin gesagt, dass wir kein Fisch mögen, als die Kellnerin von dem heutigen Angebot sprach. Vielleicht mag ich Fisch. Und du hast mir Wasser bestellt, obwohl du gar nicht wusstest, was ich trinken möchte. Vielleicht wollte ich auch Wein." Sie zuckt die Schultern, sieht mich weiterhin nicht an.

Oh, sie ist verärgert.

„Hättest du denn Wein gewollt?", frage ich und kenne die Antwort. „Vielleicht" Meine Augen folgen der Gabel, die sie an ihren Mund führt. Meine Mundwinkel wandern hoch. „Nein, hättest du nicht." Nun schießt ihr Kopf hoch und ihre Augenbrauen ziehen sich zusammen. Bevor sie etwas sagt, komme ich ihr zuvor. „Du trinkst nichts beim Essen, außer Wasser, aufgrund des neutralen Geschmacks. Es überdeckt nicht das Geschmack des Essens und stört somit nicht den Genuss der Speisen.", zitiere ich sie und vergesse dabei, dass ich auffliegen könnte und sie somit erfährt, dass ich sie und Sophia mal belauscht habe. Mehrmals.

Diesmal wandern ihre Brauen nach oben. „Und ich weiß, dass du kein Fisch magst. Genauso wenig wie Alkohol." Schließlich hat sie das vor nur wenigen Tagen zu Aida gesagt. Ebenso kann ich mich daran erinnern, wie Sophia immer etwas anderes für sie gekocht hat, als es bei uns Fisch zu essen gab.

Ich spüre Adelines Blick auf mir, während ich weiter esse. Sie mag es zwar hassen, dass ich vieles über sie weiß, aber ich hasse es noch mehr, dass sie es mir nicht erlaubt, es laut auszusprechen. Dass sie es nicht mag, zu hören, dass ich sie kenne. Sogar gut.

Eine Stille legt sich zwischen uns und ich seufze. „Okay, gut...", beginne ich. „Wir zwei kennen uns nicht. Wir treffen uns heute zum ersten Mal. Ich weiß nichts über dich und du nichts über mich.", sage ich und sehe, wie sich Falten auf ihre Stirn legen. Ich beginne mit dem Schauspiel. „Was sagten sie war ihr Name nochmal? Adeline Morgan?", frage ich und schneide mein Fleisch.

Einige Sekunden lang kommt keine Antwort von ihr. „Ja. Adeline Morgan.", bestätigt sie dann.

Gut, sie spielt mit.

Ein zufriedenes Gefühl breitet sich in mir aus. „Und Sie? Wie heißen Sie?" Sie nippt an ihrem Wasserglas.

„Oh, ich bin Aiden Harris." Grinsend lege ich mein Besteck zur Seite und strecke ihr die Hand entgegen.

Ich sehe genau, wie sie zögert, bevor sie ihre zierliche Hand in meine legt. Ein kurzer Händedruck, dann zieht sie sie wieder zurück und greift erneut nach ihrem Glas.

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Harris," sagt sie leicht grinsend, und ich nicke kauend. Ich beobachte, wie sie ihre Haare nach hinten wirft und schmunzle über das farbenbefleckte gelbe T-Shirt, auf dem „I love Birds" steht.

Als sie mich vor der Uni auf sie warten sah und ich vorschlug, essen zu gehen, war sie überfordert und wollte zuerst nach Hause, um sich umzuziehen. Doch ich erklärte ihr, dass es nur ein einfaches Essen sein würde. Jetzt sitzen wir in der Ecke eines Fünf-Sterne-Restaurants. Sie mit dem Rücken zu den anderen Gästen, während ich der Einzige sein darf, der die volle Aussicht genießt.

„Wie alt sind Sie, wenn ich fragen darf?" Sie ist sechsundzwanzig.

„Sechsundzwanzig." Sie hebt ihren Kopf an. „Und Sie? Wie alt sind Sie?"

„Dreißig.", antworte ich und bemerke, wie ihre Augenbrauen diesmal nach oben wandern. Aufgrund ihres überraschten Ausdrucks will ich sie fragen, welches Alter sie mich sonst geschätzt hätte, jedoch stellt sie mir die nächste Frage.

Strength over FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt