Kapitel 20

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A  I  D  E  N

Während ich durch die Haustür wandere, drücke ich zum wahrscheinlich zehnten Mal den Anruf von Miranda weg. Ich bin so kurz davor, ihre Nummer zu löschen. Für heute reicht mir schon ihr Vater.

Ich gehe den Flur entlang, lege meinen Fuß schon auf die erste Stufe der Treppe und werfe dabei einen Blick in das Wohnzimmer. Ashley sitzt auf dem Sofa, eingekuschelt in eine Decke, und starrt mich an.

Ein Teil von mir überlegt, einfach weiterzulaufen. Ein weiterer Tag ohne miteinander zu reden würde uns beide nicht umbringen, oder? Schließlich will sie sowieso nicht mit mir sprechen, und das macht sie mir jetzt auch deutlich, indem sie ihren Blick dramatisch und mit Schwung wieder abwendet.

Ein tiefer Seufzer entweicht meinen Lippen, während ich langsam in das Wohnzimmer gehe. Ich lasse mich auf das Sofa neben ihr sinken, schaue erst zum Fernseher, wo sich ihr Lieblingsfilm „Die verdammte Schöne und der hässliche Biest" läuft, ehe ich zu meiner Schwester sehe, die so tut, als wäre ich irgendeine langweile Fliege die hier reingeflogen ist. Sie beachtet mich nicht, auch nicht, als ich mit ihr rede.

„Wie war dein Tag?"

Keine Reaktion. „Ashley", versuche ich es erneut, aber immer noch bin ich unsichtbar für sie.

Tief durchatmen. Atmen.

Ich kneife mit Zeigefinger und Daumen in den Nasenrücken. „Ich mag es nicht, wenn du mich ignorierst.", sage ich und diesmal verändert sich etwas an ihrem Ausdruck. Sie schaut mich dennoch nicht an. „Du magst es allgemein nicht, wenn man dich ignoriert. Nicht nur, wenn ich es tue." In ihrem Unterton schwingt Zorn mit. Verwirrt ziehe ich die Brauen. Ja, sie hat recht. Ich hasse es, wenn man mich ignoriert und ich nehme an, dass ich damit nicht der einzige auf Erden bin.

„Was genau soll das? Ich will, dass du mir einfach-", „Dass ich dir einfach antworte?", unterbricht sie mich und funkelt mich nun wütend an. „Dass ich so tue, als wäre nichts? Dass ich wieder die sechzehn jährige Ashley bin, die nichts um sich herum kapiert?" Sie faucht mich regelrecht an. „Ist es das was du willst?", fragt sie und nun bin ich komplett verwirrt.

„Wovon redest du, Ash?", frage ich nach einer Zeit der Stille und meine die Frage mehr als nur ernst. Ich will wissen, wovon sie redet. Denn hier geht es sicherlich nicht nur um unseren letzten Streit.

Sie hält den Blickkontakt, bis sie seufzt und sich wieder den Film widmet. In der gleichen Sekunde greife ich nach der Fernbedienung und schalte den Fernseher aus. Wütend will Ashley protestieren, doch ich komme ihr zuvor, zeige mit dem Finger auf sie.

„Wenn ich richtig verstanden habe, möchtest du von mir nicht mehr wie ein Kind behandelt werden, richtig? Dann benimm dich jetzt gefälligst wie eine erwachsene und rede." Ich knalle die Fernbedienung auf das Glastisch vor uns und stützte meine Ellenbogen auf die Knie, Ashley zuckt. „Rede!"

Für einen kurzen Moment sieht sie so aus, als würde sie ihre Worte am liebsten wieder zurückziehen, doch dann atmet sie tief ein. „Du warst mit Adeline." Ich hebe die Brauen.

„Wo liegt das Problem?", frage ich und kann genau erkennen, wie sie sich fest auf die Zähne beißt. „Du brauchst nicht mehr so tun. Aiden, verdammt!", schreit sie plötzlich und ihre hellen Augen beginnen zu glitzern. Ich starre sie an, beobachte, wie sie sich durch die Haare fährt. „Ich weiß, dass ihr ein Paar seid. Du und Adeline. Ihr wart nicht nur Freunde. Auch vor vier Jahren wart ihr zusammen und ich verstehe nicht, weshalb du mir das verheimlicht hast.", erklärt sie nun ruhiger und innerlich seufze ich.

Natürlich weiß sie es. Es wäre komisch, wenn sie es nicht herausbekommen hätte. Die Fotos von mir und Adeline auf der Veranstaltung, wo wir uns zum ersten Mal als Paar gezeigt haben, waren überall. Damals war Ashley erst sechzehn. Hat sich mit all dem Kram nicht beschäftigt und war in ihrer eigenen Teenager Blase, doch jetzt... Jetzt ist sie eine erwachsene junge Frau, die selbst in diese Welt eine Rolle übernimmt, zu Veranstaltung geht und auf solche Themen nun mal angesprochen wird.

Strength over FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt