31. Hurt

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In dieser Nacht lagen wir mit dem Rücken zueinander gewandt, am jeweils anderen Ende des Bettes. Sprachen kein Wort mehr miteinander. Am Morgen ging der jüngere mit totaler Ignoranz meiner Präsenz, ins Bad. Auch jetzt wo er nur mit einem Tuch um seine Hüften und mit dem nassen Haar, was er sich mit seinen Fingern zurück kämmt, den Raum betritt, schenkt er mir nicht einmal einen Blick. Ich beiße mir auf die Unterlippe und schließe meine Augen. Meine Worte haben ihn verletzt.

Langsam steigt das Bedürfnis zu weinen in mir auf. Doch bevor ich mich entscheiden kann ob ich dem nachgeben soll oder nicht, wird mir lieblos ein leerer Rucksack auf die Beine geschmissen. Die Decke hatte nicht im geringsten dämpfend gewirkt. Ich reiße meine Augen auf und treffe für wenige Sekunden auf seine. Die Braunen Iriden wirken genauso distanziert und kühl wie am Anfang.

„Pack das nötigste zusammen. Du kennst den Ablauf.", befiehlt mir der dunkelhaarige herzlos. Stumm nicke ich nur und komme dem nach. Greife das nötigste und meine Munition. Die Karte verstaue ich vorne in einem kleinen Fach. So ist sie schneller griffbereit. Und den kleinen Verbandskasten stopfe ich in die Seite. Ob wir noch einmal zurück kommen ist ungewiss.

Alles verläuft wie in Slow-Motion und gleichzeitig wie im Flug. Ehe ich es begreife, steigen wird bereits in den Bus in Richtung zu unserem Ziel. Jungkook bleibt mitten im Gang des Fahrzeuges stehen weswegen ich fast in ihn reinlaufe. Mit einem kurzen Blick über seine Schulter sieht er zu mir. Schiebt mich wortlos auf einender freien Plätze ans Fenster und nimmt neben mir Platz. Verwirrt stolpere ich, nehme Platz und sehe in sein Seiten Profil. Seine Augen wandern durch den Bus.

Auch ich lehne mich leicht vor und sehe geradewegs zu den anderen Passagieren die neben uns im Gang sind. Das Ebenbild eines klassischen Gang Mitglieds samt Begleitung. Unweigerlich geht mir ein Licht auf. Schwenke mit meinem Blick zurück auf den Tätowierten Yakuza der seinen, quasi Sitznachbarn, bedrohlich anfunkelt. Ein weiterer bitterer Beigeschmack der mir auf den Magen schlägt und mir meine gestrige Aussage übel aufstoßen lässt.

Beschämt senke ich meinen Kopf und starre auf mein Schoß. Er passt auf mich auf. Denkt an mich. Natürlich ist der jüngere kein Unschuldslamm. Bei weitem nicht! Und er weiß es. Jedoch verdeutlicht mir Jungkook, durch seine Stummen Gesten, dass ich sehr wohl in die Kategorie mit seinen engsten Vertrauten und Freunden fallen muss.

Nach einer längeren Fahrt ertönt unsere Haltestelle. Mir bildet sich ein kalter Schweißfilm, ein unwohles Gefühl wandert durch meinen Körper. Wir stehen auf, steigen aus und bleiben kurz stehen. Meine Gedanken fahren Achterbahn. Alles überschlägt sich in meinem Kopf. Erst die starke Hand vom Dunkelhaarigen Katapultiert mich zurück in die Gegenwart. Stumm sehen wir uns nur an.

„Yo, dawg! Dein Chick sieht aus als ob sie was gebrauchen könnte.", kommt die Stimme von einem schlaksigen Typen. Eine der Begleiter vom besagten Klischee Gangster aus dem Bus. „Kein Interesse!", presst Jungkook harsch hervor. „Sicher? Sieht mir krass nach nem-", aggressiv und bedrohlich geht der Yakuza einen Schritt vor. „Ich sagte doch, dass sie nichts braucht!" Bevor ich es bemerke, greife ich nach seiner Hand. Drücke zu. Erlange seine Aufmerksamkeit. „Ei-eigentlich, hätte ich schon gerne was..."

Ungläubig verengt Jungkook seine Augen. Ich halte so eisern wie möglich seinem Blick stand. Bete inständig, dass er versteht was ich vor habe. „Was hast du?", fragt er den Dealer. Sieht mich weiterhin an. „Yo, man! Alles was du willst. Pills, Crystals, Shore..", er unterbricht den schlaksigen Kerl. Sirrt mir weiter in die Seele. „Ja. Pack ein."

Nachdem der Tätowierte, den nicht grade billigen Einkauf abgewickelt hat, greift er nach meiner Hand,  geht einige Minuten bis er mich in eine süffige Gasse zieht und schwungvoll zu sich dreht. „Wofür? Nimmst du so'n scheiß etwa?!", hält er mir die Tüten vor's Gesicht. Wirkt nicht grade erfreut. Ich rolle nur mit den Augen und entziehe mich seinem Griff und nehme grob die Drogen aus seiner Hand. „Reg dich ab! Die sind nicht für mich. Das ist unsere Eintrittskarte." Seufzend schüttelt Jungkook den Kopf. Drückt seine Zunge in die Innenseite seiner Wange. „Sowas bespricht man vorher...", nuschelt der dunkelhaarige und läuft an mir vorbei.

[...]

Erst nachdem wir fast an unserem Ziel angekommen sind, bleibt der jüngere stehen. Steckt lässig seine Hände in die Taschen seiner weiß-Schwarzen Lederjacke und sieht sich die Gegend an. Ein klassischer Brennpunkt in der sich klein Gangster, finanzschwache Familien und Abhängige die Hand reichen. Die Gegend wirkt leicht herunter gekommen, die Vorgärten ungepflegt und die Verkleidung der Häuser ist geschmückt mit Graffitis und herab blätternder Farbe.

Nun sieht mich der tätowierte zum ersten mal wieder an. Hält Augenkontakt für einige Sekunden bevor er zu sprechen beginnt. „Keine Alleingänge mehr. Wenn du nen Plan hast, sag's mir. Ich werde auch nicht dazwischen funken, es sei denn es wird zu gefährlich. Verstanden?" Stumm nicke ich. „Danke. Ich würde gerne das du die Kids einsammelst und draußen wartest.", erkläre ich kleinlaut. Verwundert hebt der dunkelhaarige seine markante Braue an.

„Sehe ich aus wie jemand der mit Kindern umgehen kann?" - „Sei einfach so.... So wie du mit mir bist. Pass auf und sage deutlich was zu tun ist. Die älteste ist immerhin schon ein Teenager. Sag einfach das wir ihnen nur helfen und zu einem sicheren Ort bringen." Ungläubig schnauft er, sagt aber nichts dazu. Blickt nur beiseite.

„Und ich verschaffe uns den Zutritt. Halte dich bitte etwas zurück. Da wir nicht wissen wer die Türe öffnet." Mit den Worten gehe ich vor und ignoriere das mulmige Gefühl was sich in meiner Magengrube ausbreitet. Vor der Adresse stoppt mich Jungkook. „Summer, ich will dein Plan nicht in Frage stellen... aber hast du die Gedanken gemacht wie wir hier weg sollen mit unserem Anhang?" Entschlossen nicke ich und zeige auf einen alten Honda. „Die Karre hatte mein Erzeuger früher schon. Die Schlüssel müssen dein irgendwo liegen."

„Wird schon schief gehen." Mit den Worten macht er grade kehrt als ich ihn an seiner Lederjacke zurück halte. Der Koreaner sieht mich über seine Schulter an. „Auch wenn ich bereue was ich gesagt habe, kann ich es nicht ungeschehen machen. Und egal wie du dich entscheiden magst, nach dem Trip, nehme ich es hin. Ob ich dir von nutzen sein kann oder nicht." Nun lasse ich den jüngeren los, stelle mich vor ihm und gehe auf die Zehenspitzen. Dabei verfolgen seine dunklen Augen mein Vorhaben.

Langsam komme ich ihm näher, lege meine Lippen zögerlich auf seine. Ein kribbeln durchströmt mich. Die Weichheit und Wärme die von diesen ausgeht, wirkt schon fasst wie ein sicherer Anker. Ein Fels in der Brandung. Langsam weiche ich zurück und versuche mir das Gefühl in mein Gedächtnis zu brennen. Hoffentlich kamen meine stillen Worte bei ihm an. „Mianhae..", flüstere ich dennoch bevor ich weiter zur Türe laufe.

Nach zwei, drei meditativen Atemzügen klopfe ich an. Die Nervosität steigt ins Unermessliche. Wer wird die Türe öffnen? Wenn es mein Vater ist, wird er mich erkennen? Ein Gepolter, gefolgt von lauten Schritten ertönt. Fragend sehen Jungkook und ich uns an. Es dauert einige Sekunden, doch dann öffnet sich die verwettetet Türe vor uns einen Spalt.
„Eh, was wollen Sie?", fragt eine weibliche Stimme und linst schüchtern durch den Spalt. Mein Herz bleibt stehen. Sie steht tatsächlich vor mir..

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Yakuza  -J.JK- Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt