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„Nein!", sage ich in verblüfftem Tonfall und meine es auch genau so. „Wie heißt sie?"

„Sag ich nicht – vielleicht kennst du sie dann irgendwoher und ich will nicht, dass du das tust, falls das nichts werden sollte zwischen ihr und mir..."

Okay, wow. Abgesehen davon, dass es dieses „Sag ich nicht" etwas Ungewohntes in mir auslöst, ist eine Sache absolut klar: James muss absolut verknallt sein, anders kann ich mir diese Unsicherheit in seinem Ton nicht erklären.

James hatte schon öfter was mit verschiedenen Frauen – definitiv mit mehr als ich, bei mir gab es eigentlich nur Erin und das ist längst vorbei – und es war nie wirklich ernst für ihn. Der eine Punkt ist, dass er noch nie um die Aufmerksamkeit einer potenziellen Partnerin kämpfen musste – denn das war immer andersrum – der andere, dass James Beziehungen und eigentlich allen tiefergehenden romantischen Gefühlen immer abgeneigt war, so gerne er sie auch auf dem Bildschirm beobachtet.

„Na, dann erzähl zumindest, wo du sie kennengelernt hast", sage ich und freue mich wirklich für ihn. „Von dem werde ich schon nicht darauf schließen können, wer sie ist – wäre ja auch nicht so, als würde ich schon so lange hier studieren und alle kennen."

„True that", gibt er zu. „Es gibt eigentlich nicht wirklich viel zu erzählen... Ich war mit Elias unterwegs, der aber dann Lara mithatte und schnell mit ihr abgehaut ist – ich will gar nicht wissen, wie viele Kinder die beiden da gezeugt haben. Gerade als ich überlegt habe, einfach heimzugehen, habe ich sie ein paar Meter neben mir stehen gesehen – Lilith, ich schwöre dir, du hast noch nie eine schönere Frau gesehen – und habe sie angesprochen. Es hat irgendwie sofort gepasst und wir haben gefühlte Ewigkeiten miteinander geredet und dann Nummern ausgetauscht und seither viel geschrieben-"

James wirkt wie ein Teenager, der das erste Mal verliebt ist und über nichts anderes sprechen kann als über die Frau, die mit nur einem Gespräch sein Herz erobert hat, und gleichzeitig so erwachsen wie nie zuvor.

„Und? Seht ihr euch wieder?", frage ich gespannt.

„Ich hoffe es – also wir haben auf jeden Fall über ein Treffen gesprochen und geschrieben", sagt er und ich kann das glückliche Lächeln fast aus seiner Stimme heraushören.

Ich will nachhaken, aber da kommt James mir zuvor. „Wir sprechen schon wieder die ganze Zeit über mich und das, obwohl eigentlich nicht einmal etwas Größeres passiert ist. Gibt's bei dir jemanden?"

Ich schüttele den Kopf und hoffe, dass er die Bewegung an seiner Schulter spürt und ich nichts darauf antworten muss.

„Aber komm, du kannst nicht sagen, dass es niemanden gibt, der dir gefällt..." Er denkt kurz nach. „Julian!"

Ich durchforste mein Gehirn, warte darauf, dass der Name etwas in mir auslöst, doch nichts geschieht. „Julian?", frage ich deshalb nach und fühle mich dumm, nicht sofort zu wissen, wen er meint.

„Na, den Typen aus der Bar letztens, der hat doch eindeutig mit dir geflirtet"

„Jahh, jetzt wo du's sagst..."

Ich schlucke. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als jetzt. Ich sollte es ihm einfach sagen. Ich meine, es ist James. Was sollte schiefgehen? Ich räuspere mich.

„Die Sache ist einfach, dass ich an keiner Beziehung mit einem Typen interessiert bin" Ich schlucke und bin froh, dass es so dunkel ist, dass er mich nicht sehen kann.

„Das war ich auch nicht, aber dann habe ich sie kennengelernt und eines kannst du mir glauben – jetzt bin ich es definitiv."

Ich seufze innerlich und hole erneut Luft. „Nein, ich meine es genauso wie ich es gesagt habe. Ich bin an keiner Beziehung mit einem Typen interessiert."

„Weil ich auf Frauen stehe", schiebe ich noch schnell hinterher, weil ich ihm zutrauen würde, sogar das noch misszuverstehen.

Mein Herz schlägt schneller, pocht in Brust, als wolle es herausspringen und davonfliegen, weg, in den dunklen Nachthimmel.

„Nein!", ruft James. „Lilith, im Ernst? Ich hatte keine Ahnung! Wie lang schon?"

„Lang", sage ich vage, auch, wenn „immer schon" vermutlich die richtigere Antwort gewesen wäre, denn das stimmt – ich kann mich nicht erinnern, als Kind jemals für männliche Filmcharaktere geschwärmt zu haben, und spätestens, als ich mich mit 13 Hals über Kopf in meine damalige beste Freundin verknallte, war die Sache klar.

„Also hattest du schon was mit Frauen?", fragt er langsam. „Mann, es tut mir so leid, dass ich mich grad so ungeschickt anstelle, aber ich war darauf nicht eingestellt – ich dachte immer, du bist straight!"

Ich muss mir ein Lachen zurückhalten. „Ja, hab ich. Also, ich hab verschiedene Frauen geküsst und so und einmal war ich mit einer zusammen." Das so nebenbei auszusprechen, als wäre es nichts gewesen außer ein kurzes Kapitel in dem Buch meines Lebens, fühlt sich seltsam und irgendwie falsch an, trotzdem tue ich es.

„DU WARST WAS?" Jetzt schreit James fast. „Bitte sag mir, dass das war, bevor wir beide uns kennengelernt haben und ich nicht ahnungslos mit dir befreundet war, ohne zu kapieren, dass du eine Freundin hast!"

„Nein, das war davor", sage ich und bin überlegt, mehr dazu zu sagen und weiß auch genau, dass James eigentlich mehr wissen möchte, aber nicht weiß, wie ich zu dem Thema stehe. Das hier ist ganz neues Terrain für uns und genau deshalb fahre ich auch nicht fort – deshalb, und weil ich die Befürchtung habe, dass Erin der Grund ist, warum ich es mir nach all den Jahren immer noch nicht vorstellen kann, mit jemandem eine Beziehung einzugehen. Weil sie mich damals verändert hat, mehr, als ich es mir jemals hätte vorstellen können.

„Also...", sagt James. „Nur falls das nicht ohnehin schon klar war: Das hier ändert jetzt rein gar nichts an dem, wie ich dich sehe, okay? Du bleibst weiterhin meine beste Freundin und solange wir nicht damit anfangen, uns gegenseitig die Frauen wegzuschnappen, ist zwischen uns doch alles beim Alten."

Er lacht und ich lache mit, es ist ein James-und-Lilith-Lachen, das zeigt, dass zwischen uns alles in Ordnung ist, sogar mehr als das und ich glaube, ich habe ihn noch nie so lieb gehabt wie jetzt.

Hier sitzen wir, zu zweit, auf einem Berggipfel, eingepackt in dutzende Schichten und unter freiem Himmel und sind einfach frei- einfach wir, und lachen über einen eigentlich nicht einmal so besonders guten Witz von James' Seite, aber es geht nicht anders. Wir lachen, bis mein Bauch beginnt, zu schmerzen und dann lache ich trotzdem weiter.

Ich wüsste nicht, was ich tun würde, sollte etwas zwischen uns geraten.

the chance you got (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt