Der November mit seinem dichten Nebel, seiner bis unter die Haut fahrenden Kälte und seiner Eigenschaft, alles noch schwieriger zu machen als es das ohnehin schon ist, ist zur Hälfte verstrichen.
Ich schleppe mich durch die Tage, als würde ich schlafwandeln. Ich schlafe, zu wenig, esse, zu wenig, und liege im Gegenzug dazu viel zu oft anteilnahmslos im Bett.
Erins Worte von Lenas Halloweenparty spuken mir weiterhin im Kopf herum, ich bekomme sie nicht heraus, egal, wie sehr ich mich bemühe.
Die paar Worte – und noch viel mehr Situationen, die mir nur jetzt noch viel deutlicher bewusst werden – füllen mein Gehirn so sehr aus, dass für kaum etwas mehr anderes Platz mehr ist, und ich fühle mich, als würde ich früher oder später daran zugrunde gehen.
Ich sehe James und Erin vor mir, eine Beziehung, die für andere perfekt zu wirken scheint, es aber nicht ist – zumindest nicht für sie.
Lilith, hast du schon mal mit jemandem rumgemacht, in den du so richtig verknallt warst? James.
Manchmal frage ich mich, ob ich einen Typen je auf eine Art und Weise lieben können werde wie eine Frau. Oder besser – ob es normal ist, dass ich dich mehr geliebt habe als ich James liebe. Erin.
So etwas habe ich... noch nie gefühlt, ich vermisse sie oft schon, wenn wir uns einfach mal ein paar Stunden lang nicht schreiben. James.
Eigentlich würde ich viel lieber mit dir reden, Lilith. Erin.
Ich glaube, ich liebe sie wirlich. James.
Ich könnte mit James Schluss machen. Das weißt du, oder? Erin.
Und dazwischen ich. Eine Frau – beinahe noch ein Mädchen – die nicht weiß, wo ihr Platz in dieser Welt ist. Eine Frau, die das erste Mal in ihrem Leben einen besten Freund hat, dem sie wirklich ihr Leben anvertrauen würde. Eine Frau, die schon viel zu viel viel zu lange mit sich herumträgt und jetzt langsam an diesen unausgesprochenen Wahrheiten erstickt. Eine Frau, die eine andere Frau liebt – und das nicht sagen kann, weil ihr bester Freund sie ebenfalls liebt. Eine Frau, die schon so viele Fehler gemacht hat – und so ungalublich kurz davor ist, einen weiteren zu machen.
Das alles bin ich – und gleichzeitig habe ich keine Ahnung, wer ich eigentlich bin und bei dem, was in den letzten Wochen alles geschehen ist, weiß ich auch gar nicht, ob ich das unbedingt wissen möchte.
„Lilith... können wir kurz reden?", reißt James' Stimme mich aus meinen Gedanken und mein schlechtes Gewissen, das mir schon seit Wochen – genauer gesagt seit dem Tag in der Therme – nicht mehr von der Seite weicht, intensiviert sich augenblicklich.
„Klar", antworte ich und versuche, die Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Ich muss mich darum kümmern, diese Sache zu klären – und das schnell – aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um Trübsal zu blasen. Jetzt braucht James mich, und für ihn da zu sein ist das Mindeste, das ich ihm nach der wochenlangen, unwillentlichen Distanzierung bieten kann und auch sollte.
Wir sitzen in meinem Bett, das ist ungewöhnlich, normalerweise ist es das von James, aber seine Bettbezüge sind bei der Wäsche und keine frischen da – ich will gar nicht wissen, wieso.
Die Uhr an der Wand tickt, sie scheint mich sogar in diesem Moment daran zu erinnern, dass es in meinem Leben einen gordischen Knoten gibt, der mir die Luft abschnürt und zu dessen Lösung ich weit und breit kein Schwert sehe.
„Was ist los?", erhebe ich die Stimme, vor allem auch, um mich selbst von diesem immerwährenden Sturm in meinem Inneren abzulenken. „Du wirkst... anders"
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the chance you got (gxg)
Romance"Ich habe keine Ahnung, wie lange ich das alles noch kann und wen ich am Ende dieser Geschichte verlieren werde - Erin, James, oder mich selbst." ... James ist kein berühmter Mensch, niemand Weltbekanntes, doch für Lilith ist er alles: Der beste Fre...