epilog //

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„Hast du James' Story gesehen?", fragt Lena, kurz klingt es, als würde sie noch etwas hinzufügen wollen, aber mein Handy – das inzwischen bei 3% angekommen ist – bleibt stumm. Ich schalte den Lautsprecher ein, während ich mir ein Ladekabel unter dem Bett hervor angele, die Stille, die aus der Leitung klingt, ist bedeutungsschwanger, aufgeladen.

James ist immer noch eine Art Tabuthema für uns – oder vielleicht ist Tabuthema das falsche Wort, aber niemand von uns weiß, wie sie mit der Situation zwischen ihm und mir umgehen soll – die eigentlich keine ist, weil sich der Kontakt zwischen ihm und mir inzwischen auf ein paar kurze Worte beschränkt, wenn wir uns dann mal beim Feiern sehen.

Seine Story tat weh, aber nicht auf eine Art und Weise, wie ich es mir vielleicht erwartet hätte. James' Fehlen ist eine Art beständiger Schmerz, immer im Hintergrund meines Herzens, selbst dann, wenn es mir eigentlich gerade gut geht.

Wir waren nicht lange unzertrennlich – aber doch lange genug, dass es sich jetzt, auch nach all den Monaten noch, anfühlt, als würde ein wichtiger Teil von mir fehlen und gewissermaßen ist das ja auch so.

„Ja, habe ich", sage ich und irgendwie wird es leichter, als ich es ausspreche. „Aber es ging klar. Ehrlich." Und dann, als ich Erin im Türrahmen lehnen sehe: „Können wir morgen weiterreden?"

„Klar", sagt Lena und dann mit einem zweideutigen Ton in der Stimme, so, als wüsste sie genau, warum ich gerade dabei bin, sie abzuwürgen: „Viel Spaß"

Ich drücke den roten Knopf, der mir signalisiert, dass ich den Anruf beende, schnell, fast hektisch und sehe im nächsten Moment Erin auf mich zukommen, lächelnd.

Sie trägt eine Jogginghose und ein Top, ihre Haare sind feucht und selbst so sieht sie einfach aus wie eine Göttin, sodass es mir unmöglich ist, den Blick von ihr abzuwenden, er klebt an ihr wie Kaugummi der besten Sorte.

„Alles kla-", beginne ich, als Erin sich zu mir aufs Bett setzt und mir der vertraute Geruch ihres Shampoos in die Nase steigt und sich eine tiefergreifende Wärme in meiner Brust breitmacht.

Doch meine Frage wird unterbrochen, auf die denkbar schönste Art und Weise, als ich Erins Lippen auf meinen und ihren Körper an mir spüre.

Sie löst sich kurz von mir, sieht mich an mit einem Blick, der in mir alle Sicherungen zum Durchbrennen bringt und antwortet mit leiser, rauer Stimme: „Bei mir ist alles klar. Bei dir?"

„Bei mir auch", murmele ich und ziehe sie wieder an sich, ich spüre, wie mein Herz im Takt des ihren schhlägt, wie wir nicht mehr aus Gedanken bestehen, sondern nur noch aus Lippen, Zungen, Händen, Liebe.

Wenn ich jemand anders wäre, dann würde ich das jetzt vermutlich nicht tun, würde ich ihr jetzt nicht dieses Top ausziehen, würde mich nicht nach ihr verzehren, als wäre sie lebensnotwendiger Sauerstoff.

Ich würde aus Prinzip den Abstand zu ihr wahren, verdeutlichen, dass das alles nicht geschehen hätte dürfen. Wäre ich jemand anders, wäre es vermutlich gar nicht so weit gekommen, hätte ich nach meinem Verstand gehandelt, so, wie es vermutlich sollte, hätte zugelassen, dass mein Verstand mir in einen Strich durch die Rechnung macht.

Aber ich bin niemand anders.

Ich bin ich.

Und ein Tropfen Liebe ist mehr als ein Ozean Verstand.

the chance you got (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt