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„Wo treffen wir Erin nochmal?", frage ich James, als wir vor dem Kino stehen. „Eigentlich genau hier", antwortet er verwirrt, während wir uns umsehen. „Es passt nicht zu ihr, zu spät zu kommen..."

Doch, tut es, will ich ihn korrigieren, aber ich tue es nicht. Es ist schon schlimm genug von mir, James' Vorschlag, wir sollten uns doch zu dritt einen Film ansehen, zugestimmt zu haben, aber ihm jetzt unter die Nase zu reiben, dass ich seine Freundin besser kenne als er – zumal er das gar nicht wissen kann, woher auch? – wäre mehr als nur unterste Schublade.

„Sorryy, dass ich zu spät bin", hören wir da plötzlich eine atemlose Stimme und entgegen kommt uns Erin. Sie trägt eine helle Leinenhose und ein Oberteil, das mehr zeigt, als es verdeckt und ja, sie sieht gut aus.

„Hii", sagt James und seine Stimme klingt anders als wenn er mit mir redet, ein bisschen höher und sanfter. „Hii", gibt Erin zurück und er zieht sie an sich, eine Geste, bei der ich kurz meinen Blick abwenden muss.

„Wollt ihr schon mal Snacks besorgen, während ich unsere reservierten Tickets abhole?", fragt er dann, nachdem wir die deutlich kühlere Eingangshalle des Kinos betreten, ich nicke und sehe, wie Erin mit derselben Geste antwortet.

Die Schlange vor der Snackausgabe ist lang, sie zieht sich beinahe bis zur Eingangstür und seufzend stellen wir uns hinten an. „Wie geht es dir?", fragt Erin leise, während ich angestrengt so tue, als würde ich das Essensangebot studieren, so, als wüsste ich nicht ohnehin, dass ich immer dasselbe bestelle, nämlich Nachos mit Salsasauce.

„Gut", antworte ich. „Ich hoffe, dir auch?"

Das Gespräch ist unangenehm, die letzten Freitag entstandene Nähe scheint wieder verschwunden zu sein und ich weiß nicht, ob ich froh oder traurig darüber sein soll. Vermutlich froh, denke ich.

Dann sagt eine Zeit lang niemand von uns etwas und ich versuche krampfhaft, auf alles zu achten, nur nicht auf Erin, die dicht neben mir steht und deren Parfüm mir in die Nase steigt. Neben uns toben zwei Kinder herum, ein Junge und ein Mädchen, etwa im selben Alter, sie lachen und reißen sich gegenseitig die Stofftiere aus den Händen, neben ihnen steht ein älterer Herr, der sie belustigt beobachtet.

„Du willst wieder Nachos mit Salsasauce und Cola, schätze ich?", fragt Erin. Sie sagt es ohne einen außergewöhnlichen Tonfall und so, als sei es das Normalste der Welt, aber meine Kehle verengt sich bei den Worten.

„Und du Popcorn mit Fanta?", bringe ich heraus und muss mich wegdrehen, weil der Moment mir sonst nach so viel vorkommt, nach mehr, als er eigentlich ist.

„Mhm", sagt Erin und grinst mich an, bevor sie die Bestellung aufgibt und schließlich sowohl für ihre und James' Popcorn als auch für meine Nachos bezahlt.

„Ich geb dir das wieder", sage ich peinlich berührt und ziehe meine Geldbörse aus der Handtasche. „Ach komm, ist doch kein Drama", gibt Erin zurück. „Komm, gehen wir James suchen?"

Ich nicke abgehackt, während ich ihr folge, nicht versuche, darüber nachzudenken, was sie mit dieser Geste vielleicht sagen wollte. Zum einen, weil es absolut unfair meinem besten Freund gegenüber ist und zum anderen, weil es nun mal nichts zu bedeuten hat, schließlich hat sie auch für James mitgezahlt. Es ist dasselbe wie ein ,Die nächste Runde geht auf mich' beim Feiern und sonst gar nichts.

Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht bemerke, wie James zu uns kommt und sich gestresst aussehend durch die Haare fährt. „Hey, alles in Ordnung?", frage ich ihn und ziehe fragend die Augenbrauen hoch, während ich Blickkontakt mit ihm suche.

„Ja, alles klar, nur... es gibt eine kleine Planänderung, ich kann mir den Film nicht mit euch ansehen..."

„Was?", frage ich und mein Tonfall klingt etwas zu entgeistert, also rudere ich zurück. „Ich meine: Wieso? Was ist passiert?"

„Mein Onkel ist im Krankenhaus, er hatte einen Unfall, ich... sie wissen nicht, ob er es schafft. Ich fahr dort jetzt hin, okay?" In seinem Blick liegt etwas, das ich nicht deuten kann, ich sehe ihn fragend an, doch James weicht meinem Blick aus.

„Kommt gar nicht infrage!", widerspricht ihm Erin. „Wir lassen dich sicher jetzt nicht alleine dorthin fahren und sehen uns währenddessen einen Film an. Wir begleiten dich!" Ihre Wangen röten sich und ihren Augen erkenne ich ehrliche Sorge.

„Erin, ihr müsst nicht mitkommen", sagt James. „Es ist nicht so schlimm, ich habe vor einigen Jahren den Kontakt mit ihm abgebrochen. Eigentlich kenne ich ihn gar nicht.", hängt er noch dran, sein Tonfall klingt bitter. Ich durchforste mein Gehirn nach der Anekdote, in der James mir davon erzählt hat, wieso er mit einem Familienmitglied Kontakt abgebrochen hat, doch mir fällt nichts ein.

„Bist du dir sicher?", frage jetzt ich. „Weil ich hoffe, du weißt, dass wir gerne mit dir mitkommen würden, vor allem, wenn du uns brauchst." Erin neben mir nickt zustimmend. „Ehrlich, James."

„Leute, es ist okay", sagt er. „Ich mache das eigentlich nur Mama zuliebe, in Ordnung? Bitte macht euch einen schönen Abend, ich hab die Tickets schon bezahlt, schenkt das dritte jemand anderem oder behaltet es euch, aber ich will nicht, dass euer Nachmittag auch noch versaut ist. Bitte. Genießt den Film."

Ich sehe James an, habe ein unglaublich schlechtes Gewissen, ihn alleine fahren zu lassen, gleichzeitig aber glaube ich ihm und weiß auch, dass ich ihn niemals würde umstimmen können. Ich kenne James noch nicht allzu lange, aber dafür gut und diesen Ausdruck in seinen Augen habe ich erst einmal gesehen – und eigentlich würde ich die Situation, in der ich das habe, lieber vergessen.

„Lasst mich gehen. Bitte.", sagt er.

„Na gut", sage ich.

„Na gut", wiederholt Erin. „Pass auf dich auf und melde dich, ja?"

Und dann geht James in die eine Richtung und wir in die andere.

the chance you got (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt