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Es sind einige Wochen vergangen seit dem Abend im Club und das Leben geht weiter, doch es ändert sich, sowohl für James als auch für mich. Er ist weniger zu Hause, verbringt immer mehr Zeit mit seiner inzwischen Fast-Freundin und ich freue mich für ihn – vor allem aber fehlt er mir in diesen Wochen. Wir sehen uns zwar trotzdem noch oft – etwas, das auch kaum vermeidbar wäre bei einer gemeinsamen WG – aber er ist in Gedanken weniger da, spricht nur noch von ihr und wenn wir uns dann mal Quality Time gönnen, fühlt es sich an, als wäre er eigentlich viel lieber bei ihr.

Und obwohl ich – trotz allen Verständnisses für James' Situation – die Freundschaft, wie sie jetzt ist, nicht so sehr genieße, wie ich es früher getan habe, breche ich fast in Freudensprünge aus, als mein bester Freund mir eines Nachmittags schreibt ,lilith wir sind zusammen!!' Ich antworte mit einem ,ich will später alle details hören!', ich sehe ihn schon vor mir, wir er mir haargenau berichtet, was geschehen ist, wie er sich gefühlt hat und vor allem wie toll sie ist, ich muss lächeln bei dem Gedanken.

Auf diese Details muss ich allerdings noch etwas warten, denn James kommt in dieser Nacht nicht nach Hause und auch, wenn wir uns am nächsten Tag mit Lena und Elias zu einem Picknick verabredet haben, kenne ich ihn gut genug, um zu wissen, dass er vor der Gruppe nicht davon erzählen wird. Trotzdem freue ich mich darauf, mehr, als ich es bei einem schlichten Ausflug mit Freundinnen und Freunden vermutlich sollte, aber das ist mir egal.

James schreibt mir, er würde von seiner Freundin aus – es wirkt noch seltsam, das so gleichgültig von ihm zu lesen, auch, wenn ich weiß, dass er keineswegs gleichgültig ist – direkt zum See kommen, wo wir verabredet sind und deshalb ist Lena schon den ganzen Tag bei mir und hilft mir mit den Vorbereitungen.

Ich kann nicht kochen – so sehr meine Mutter sich auch immer gewünscht hat, eine perfekte Hausfrau aus mir zu machen, so hat es doch nie funktioniert, aber Lena hat diese Kunst perfektioniert und beschwert sich kein einziges Mal über mein fehlendes Engagement, wenn ich, so wie immer, wenn sie es sich zur Aufgabe macht, mir auch nur ein bisschen kulinarische Fähigkeiten einzuhauchen, nur neben ihr stehe und eigentlich nur so tue, als würde ich mithelfen.

Wir hören Musik, lachen, essen die Hälfte der Snacks schon beim Vorbereiten auf und vor allem nach den letzten Wochen tut mir das so gut. Lena macht den DJ, sie ergänzt ihre Spotify-Warteschlange alle paar Minuten um neue Songs, von denen ich noch nie gehört habe, aber die einfach nach Sonnenschein klingen und irgendwann liegen wir uns kichernd in den Armen, bis ich sie daran erinnere, dass wir vielleicht langsam mal lossollten, wenn wir um zwei beim See sein wollen.

Elias ist schon da, als wir ankommen, James noch nicht. Wir tragen alle drei Jeans-Shorts, die Sonne scheint, und während Elias schon mal die Decke ausbreitet, verbindet Lena sich wieder mit der Musikbox und erklärt sich selbst als Verantwortliche dieser.

Es ist warm, kaum jemand ist hier am See – James hat den Platz letztes Jahr irgendwann mal gefunden – und entfernt höre ich das Brummen von Autos und gleichzeitig das Zwitschern von Vögeln. Es sind wie zwei Welten, die aufeinandertreffen und wir mittendrin, mitten in dieser Zone zwischen Natur und moderner Welt und es fühlt sich einfach richtig an. Dieser Tag könnte echt gut werden, denke ich und setze mich auf die Decke zu Lena und Elias, schlüpfe aus meinen abgetragenen Chucks und lasse mir das Gesicht von Sonnenstrahlen kitzeln. An Tagen wie diesen fühle ich mich wieder wie ein kleines Kind – nur, dass meine Kindheit so eigentlich nicht war.

„Hey", höre ich da eine Stimme und sofort wird der Moment noch perfekter. James ist gekommen, kurz hatte ich Angst, er würde vielleicht aus einem nebensächlichen, eindeutig ausgedachten Grund absagen, aber das hat er nicht. Er ist da, natürlich ist er da, und ich will mich grinsend zu ihm umdrehen und ihn zur Begrüßung umarmen, da erstarre ich.

the chance you got (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt