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Der nächste Morgen begrüßt uns so, wie der gestrige Abend geendet hat: Mit rauer Schönheit, kalter aber so unglaublich reiner Luft. Und mit Sonnenstrahlen, die mein Gesicht kitzeln, als wollten sie mir noch einmal endgültig zeigen, dass die Nacht vorbei ist.

James sitzt neben mir, ich weiß nicht, wie lange er schon wach ist, aber er lächelt und ich erwidere es. Es ist eine schöne Stille, die uns umgibt wie die klare Bergluft und die den Moment einfach perfekt macht. Ich zähle schon nicht mehr, wie viele perfekte Momente ich in den letzten 24 Stunden durchleben durfte.

Er ist es, der sie schließlich durchbricht, bevor er sich aufrichtet und seinen Schlafsack ausschüttelt. „Freust du dich auf heute Abend?"

„Hm. Ja.", sage ich, auch, wenn ich es gar nicht so genau weiß. Wir treffen uns abends mit Lena, Kimi, Leo und Martin, um in einen Club zu gehen und eigentlich mag ich so etwas, aber die letzten Stunden auf dem Berg waren so ruhig und friedlich, so James-Lilith-Premium-Time, dass mich der Gedanke an eine überfüllte Tanzfläche mit so lauter Musik, dass ich kaum mein eigenes Wort verstehe, überfordert. Ich will nicht, dass dieser Moment hier endet und ich weiß, dass er spätestens, wenn wir Leos Haus betreten um unsere Sachen abzustellen, uns fertigzumachen und uns dann mit viel zu viel Alkohol auf den Abend einzustimmen, vorbei ist. Bleiben wird eine Erinnerung an diese viel zu kurzen zwei Tage, getränkt in Melancholie, weil ich es nie schaffe, sie als das zu belassen, was sie sind: Schöne Erinnerungen. Eine von vielen Eigenschaften, die ich an mir nicht leiden kann, denke ich bitter, während ich meinen Schlafsack ebenfalls notdürftig von Schmutz befreie und ihn provisorisch in seine Hülle stopfe.

Einige Stunden später schon stehen wir wieder am Fuße des Berges, auf dem wir die Nacht verbracht haben und als ich hochsehe und merke, wie hoch wir eigentlich waren, überkommt mich eine seltsame Art von Stolz. „Cool, oder?", meint James, der meine Gedanken gelesen haben muss, wie er es so oft tut. „Total", gebe ich zurück, während er einen Arm um mich legt und mich an sich zieht. „Und heute Abend wird auch cool, bestimmt." „Wieso sollte es das nicht?", frage ich, tue so, als hätte ich mir die letzten Stunden nicht dutzende Male gewünscht, den Clubbesuch einfach sausen zu lassen und stattdessen mit James hier zu bleiben. „Ich seh doch, dass du dich nicht drauf freust – und ich spreche hier mit Lilith, bei der man das Wort ,feiern' nur andeuten muss, um sie glücklich zu machen."

Jetzt lächle ich doch. „Nein, alles in Ordnung, wirklich", sage ich und weiß, dass es jetzt, nach seinen Worten, nur noch halb gelogen ist. „Das wird bestimmt toll. Fahren wir zu Leo?"

***

Als wir endlich im Club sind – und wenn ich endlich sage, meine ich auch endlich, denn wenn man mit Kimi unterwegs ist, kommt man aus Prinzip nirgends pünktlich an – bin ich schon mehr als nur leicht angetrunken und lehne mich an Lena, die abgesehen von James vermutlich meine engste Freundin ist und definitiv schon einen höheren Alkoholpegel hat als ich.

„Ich bin so froh, dass du auch da bist!", brüllt sie mir ins Ohr. „Es ist immer lustiger, wenn du dabei bist!"

„Jaa, du auch!", rufe ich zurück, bis ich bemerke, dass diese Antwort keinen Sinn ergibt und wir brechen in Gekicher aus. Kimi und Martin stehen keine fünf Meter neben uns mit einem Typen, den ich noch nie gesehen habe – was kein Wunder ist, weil ich die meisten hier noch nie gesehen habe – und Leo schiebt wahrscheinlich schon irgendwo jemandem ihre Zunge in den Hals. Erst jetzt fällt mir auf, dass auch James nicht bei uns ist, aber das ist öfter so, wenn wir gemeinsam weg sind.

„Liliiith!", ruft Lena, zieht die zweite Silbe meines Namens so in die Länege, dass es fast wie „Lilli" klingt und streckt die Hände nach mir aus. „Gehen wir tanzen?" „Jaa!", gebe ich zurück und lasse mich von ihr auf die Tanzfläche ziehen, auf der sich schätzungsweise die Hälfte der kompletten Weltbevölkerung aufhält.

the chance you got (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt