18 - Paris ° Tag 3

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Maurice:

Ich hatte jetzt schon echt keine Lust mehr auf diese Klassenfahrt. Die Lehrer sind so spontan, wie sie es noch nie waren und jetzt hasst mich Daniel.
Bestimmt wegen Jake.
Was ist eigentlich los mit ihm?
Er war doch sonst viel freundlicher?

Heute war ich wieder früher wach.
Ich setzte mich auf und starrte auf den Jungen neben mir.
Oder habe ich etwas falsch gemacht?
War ich zu aufdringlich?
Wahrscheinlich...
Er hat sicher geahnt, dass irgendwas passiert wenn wir zusammen nach unten gehen. Aber was ist denn schlimm daran?

Vielleicht war unten das Mädchen, in das er sich verschossen hat...
Daran habe ich gar nicht gedacht!
Und er wollte sich nicht in den Mittelpunkt stellen, weil er sich noch gar nicht bereit gefühlt hat.
Deshalb wollte er direkt wieder nach oben!
Und ich habe alles versaut.
Ich habe ihn richtig aufdringlich nach unten gezogen...
Ich bin so ein schlechter Freund.
Alles versaut...

Hasserfüllt blickte ich auf meine Füße.
Ich schaute zurück zu Daniel.
Er hat nichts an Makel an sich.
Er war einfach perfekt.
Alles was man sich an einem guten Freund vorstellen könnte besitzt er.

Charme, Humor, Talent, Treue.

Rückblickend war der Abend gestern sicher schlimm für ihn. Während ich gestern gedankenverloren die Zeit mit ihm genossen habe, war es die Hölle für ihn.
Ich legte meine Hand auf seinen Rücken und streichelte ihn zärtlich.
Wie kann man das so versauen?
Ich wollte einfach nur bei ihm sein.
Mit ihm sein.

Ich hatte durch den neuen Selbsthass keine Energie mehr um diesen Tag noch irgendwas zu unternehmen. Auf dem Plan steht, wir besuchen ein Schokoladenmuseum.
Vielleicht rettet das den Tag ja ein wenig.
Das war so der Punkt, auf den ich mich am meisten freute.

Ich zog mich um und setzte mich auf ein Sofa im "Raum der Gemeinschaft". Ich war noch der einzige, aber es war ja auch noch relativ früh.
Umso überraschter war ich, als kurz darauf drei Jungs aus meinem Zimmer hinunterkamen.

Simon, Mike und Jake.

Hach, wie ich es liebe, dass mich das Glück auch heute segnet.
Sagen wir mal, ich werde die nächste Zeit alleine mit den Dreien hier im Zimmer abhängen müssen.

"Mauriceeeeee!", begrüßte mich Mike mit einer extra tiefen Stimme und gab mir einen Handschlag.

"Extra früh aufgestanden um mit uns abzuhängen?", lachte Simon.

"Klar", meinte ich ironisch.
Eigentlich wäre ich sogar noch im Bett geblieben, wenn ich das gewusst hätte.
Wenn noch andere da wären: Alles klar.
Aber nur mit denen.
Vorallem, was machen die da?
Es schien so, als wollten sie versuchen, einen menschlichen Erdhaufen darzustellen. Oder so.
Die drei saßen aufeinander und fingen an zu stöhnen.
Ach, ich höre auf darauf zu achten.

Ich konnte aber nicht einfach nach oben gehen. Dann würden die Fragen, warum und mir im Besten Fall sogar folgen.
Aus Verzweiflung kramte ich mein Handy raus und schaute, ob's irgendwas neues gab.
Die meisten haben irgendwas von gestern gepostet und wie langweilig es wäre. Doch dann schreckte ich hoch.
Ein Mädchen, Laura, hat ein Video von Daniel und mir im Status.
Wie wir Klavier spielen.
Wann hat sie das aufgenommen?
Jetzt konnten das alle sehen!

Ich schaute es mir ganz genau an, mehrmals. Wir saßen sehr... süß aus?
Daniel blickte sogar in die Kamera!
Er hat es gesehen!
Ich schickte ihm das Video.

Maurice
Die hat uns einfach aufgenommen!
Kommst du gleich runter? Ich bin hier ganz alleine 🥲

Ich laß mir die Nachricht nochmal durch und löschte sie wieder. Ich sollte ihn schlafen lassen. Das klang viel zu aufdringlich, mal wieder.
Und er wusste ja vom Video.
Also warum sollte er es sich nochmal ansehen müssen?

"Maurice! Was hängst du denn so am Handy rum? Das ist eine Klassenfahrt! Komm doch zu uns, du siehst so alleine aus!"

Jake hat das ausgesprochen. Und er sah auch so aus, als würde er das ernst meinen.

Seufzend rutschte ich zu den drei rüber, wo die immernoch versuchten ihren "Turm" zu erhalten.
Ich schaute einfach nicht hin und versuchte ruhig zu sitzen.
Die drei lachten und kitzelten sich gegenseitig.

"Ahhhh!", hörte ich noch und ein Berg an Jungs stürzte über mich ein und sie setzten sich endlich normal hin.
Nein, ich korrigiere: Danach kam lautes Gelächter und es ging wieder von vorne los.

"Maurice, komm rauf, das ist lustig!"

Nein, bitte nicht. Ich wollte nicht schon wieder irgendwo reingezogen werden.

"Ich möchte dann aber auf Maurice sitzen!"

WAS? Nein, das ging mir schon zu weit. Ich möchte hier weg, ganz weit weg.
In mein Bett, einfach weiterschlafen.
Und Daniel umarmt mich.
Das möchte ich gerade, und nicht von so paar Idioten angefasst zu werden.

"Ne, lass mal....", gab ich nur knapp von mir und stand auf.
Ich habe vergessen mir einen Gürtel umzubinden, und jetzt hatte ich auch ein Argument, nach oben zu gehen.
Ohne ein Wort verschwand ich.

Oben kramte ich in meinen Klamotten rum und erfüllte wiedermal das Klischee, dass Jungs sehr unordentlich sind.

(...)

Und dann ging's los.
Ich isolierte mich ein wenig von allen und stand hinten, mit den Händen in den Hosentaschen. Ich wollte nicht beleidigt, sondern zumindestens noch lässig wirken. Wir sollten wieder zu Fuß laufen. Und ich hasste meinen Sportlehrer dafür, dass er mitgekommen ist.
Natürlich haben wir mit unseren 17 Jahren genauso viel Erfahrung und Ausdauer wie Sie, um 3 Kilometer in Rekordzeit in einer großen Gruppe hirnlosen Pubertierenden Idioten zurückzulegen.
Es gab da auch etwas, da nennt man Reisebus. Die werden sogar von der Schule finanziert.

Ich dachte an Daniel. Anscheindend wusste er nicht mal, dass ich hier hinten stand. Er stand vorne bei den anderen und schien Spaß zu haben.
Er lachte.
Daniel hatte ein wunderschönes und ansteckendes Lächeln.
Dieses Mal konnte ich aber nicht mitlachen.

Daniel:

Ich versuchte, nicht an Maurice zu denken, doch er ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich habe mich doof verhalten, ohne Grund. Und nun stand er alleine, ganz hinten und hat sicher Schuldgefühle.
Und das unberechtigt.
Doch ich wurde bereits von allen Seiten zugelabert und musste mich auf die anderen konzentrieren.
Und dann trabten wir los, wie Ameisen, die nichts besseres zu tun hatten, als den ganzen Tag auf Expedition zu gehen.

You Know Me | boyxboy✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt