Zwei

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Sonntag

David
"War das jetzt der letzte Karton, Mom?" Erschöpft sank ich auf das Sofa.
"Ja, mein Schatz. Willst du was trinken?"
"Ja, bitte!" Ich sprang auf und folgte meiner Mutter in die Küche, wo sie eine Flasche Orangensaft aus dem Kühlschrank nahm und für uns beide jeweils ein Glas voll goss. Ich setzte das Glas an die Lippen und trank es mit großen Schlucken aus. Das tat gut! Meine Mutter saß auf der Küchenbank und musterte mich.
"Was?", fragte ich sie.
"Nichts nichts."
Kopfschüttelnd zog ich mein Handy aus der Tasche. Keine neuen Nachrichten.
"Morgen gehts in die neue Schule.", sagte meine Mutter.
"Ja.", antwortete ich knapp.
"Hör zu, David. Es tut uns Leid, dass wir dich ausgerechnet jetzt aus deinem Freundeskreis und so weiter herausgerissen haben. Aber versuch doch mal uns zu verstehen. Dein Vater hat dort keinen Job gefunden. Und sieh es mal positiv. Wir wohnen jetzt wieder mit deiner Schwester in einer Stadt!"
"Ist gut, Mom!"
Lächelnd täschelte sie meine Schulter. "Ich bin sicher, du wirst dich hier schnell einleben. Das hast du von deinem Vater. Der kommt auch mit jedem zurecht."
"Ja, das sagst du immer. Hmm.. weißt du, ich glaub ich gehe schlafen. Ich bin echt müde."
"Okay. Gute Nacht, David."
"Nacht, Mom!"
Langsam bahnte ich mir den Weg zwischen den Kartons entlang bis in mein Zimmer. Dieses war ein einem dunklen Blau gestrichen und das einzige Möbelstück war ein großes weißes Bett. Seufzend ließ ich mich darauf fallen.
Ja, Mom, ausgerechnet jetzt. Michelle war kurz davor mit mir auszugehen! Frustriert schlug ich mit der Faust auf mein Kissen.
Alles hatte ich verloren. Meinen Ruf, meine Freunde, meine Mädchen. Und jetzt konnte ich wieder ganz von vorne anfangen. Vielen Dank!

Lilly
Heute war die neue Familie oben eingezogen. Den ganzen Tag über gab es keine Ruhe im Haus, weil die ihre Sachen hochschleppen mussten. Ich saß hier und versuchte für meine Chemie Klausur zu lernen, während die da so einen Krach machten.
Beim Abendbrot hatten meine Eltern es geschafft, mich zu überreden morgen hochzugehen und die Familie willkommen zu heißen. Eigentlich hatte ich da überhaupt keine Lust zu, aber das würde ich direkt als Gelegenheit nutzen, sie auf die Lautstärke hinzuweisen.
Verzweifelt ließ ich meinen Kopf auf die Tischplatte sinken. Es war nun schon halb zwölf und ich musste den Stoff bis morgen können. Komplett. Auswendig! Die Vorbereitungsabfrage durfte ich einfach nicht verpatzen. Seufzend widmete ich mich wieder meinen Unterlagen.
Plötzlich hörte man von oben ein lautes Dröhnen. Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Ich stemmte mich mit den Händen von meinem Stuhl hoch und ging mit großen Schritten nach oben, zur Wohnungstür unserer neuen Nachbarn. Dort klopfte ich energisch an.
Nach ewig langem Klopfen wurde die Musik etwas leiser gestellt und die Tür geöffnet. Vor mir stand ein Junge, etwa so alt wie ich, allerdings einen Kopf größer. Er hatte große dunkelbraune Augen, fast schon schwarz, mit langen Wimpern. Ich verlor mich fast in seinen Augen, doch erinnerte mich dann wieder, warum ich gekommen war. Sauer stemmte ich meine Hände in die Hüften. Er zog eine Augenbraue hoch und sah spöttisch auf mich herab.
"Hast du schon mal auf die Uhr geguckt? Es ist halb zwölf. Nachts!"
"Das ist richtig, du Genie."
"Und aus welchem Grund ist die Musik dann so laut?! Ich muss lernen!"
"Aus welchem Grund lernst du zu dieser Uhrzeit?"
"Das geht dich überhaupt nichts an!"
"Dann geht es dich auch nichts an, wieso die Musik so laut ist."
Er wollte gerade die Tür schließen, als ich mich schnell an ihm vorbei schlängelte und die Wohnung betrat. Bevor er begriffen hatte, was ich tat ging ich in das Zimmer, aus dem der Lärm kam und ging auf die Anlage zu. Gerade als ich den Stecker ziehen wollte, wurde ich an meiner Schulter zurück gezogen.
"Mach die Musik leiser!", fauchte ich ihn an.
"Verlass du mal lieber schnell meine Wohnung. Du hast hier drin nichts verloren!" Während er redete drängte er mich immer weiter gegen die Wand. Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt und er sahr echt sauer aus.
"Zuerst die Musik!", erwiderte ich bissig
"Raus aus der Wohnung!", sagte er, nun etwas lauter.
"Und was wenn nicht?", fragte ich trotzig.
Jetzt war er direkt vor meinem Gesicht, unsere Nasenspitzen berührten sich fast. Mein Atem ging kurz und flach und mein Herz raste.
"Ich sagte RAUS!", sagte er nun viel lauter.
Ich funkelte ihn an, bis er mir Platz machte und stolzierte dann an ihm vorbei aus der Wohnung. Dieses Mal hatte er vielleicht gewonnen, aber das würde nicht noch einmal passieren.
Frustriert setzte ich mich zurück an meinen Schreibtisch und starrte meine Chemie Sachen an. Wie sollte ich das bloß noch alles schaffen?!

Es war einmal ein Mauerblümchen...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt