Vier

484 14 2
                                    

Montag

David
"Du gehst jetzt zu Frau Zimmermann in Raum A05. Das wird deine neue Klasse."
"Okaay.. Ich schätze, Sie haben keinen Raumplan oder so was in der Art?"
"Nein, aber das ist nicht so schwer. Wenn du hier raus gehst, durch das Foyer und dann der erste Gang auf der rechten Seite. Vor den Räumen hängen immer Schilder mit der Nummer. Du wirst es schon finden."
"Na gut. Dankeschön."
Ich machte mich auf den Weg zum beschriebenen Klassenraum. Vor der Tür angekommen, atmete ich einmal kurz durch und strich mit der linken Hand durch meine Haare, um die Frisur nochmal zu richten. Dann klopfte ich an und öffnete die Tür.
24 Schüler richteten ihren Blick auf mich. Ich ließ meinen Blick über die Klasse schweifen. Dann blieben meine Augen an einem Mädchen in der ersten Reihe hängen. Da saß meine Nachbarin und starrte mich mit offenem Mund an.
"Kann ich dir irgendwie helfen?", fragte mich die Lehrerin.
Schnell wandte ich mich ihr zu.
"Ähh.. ja. Ich suche Frau Zimmermann."
"Das bin ich."
"Okay, gut. Ich bin David Lenzer.
"Aaachsoo, stimmt. Du bist ja jetzt bei mir in der Klasse. Herzlich Willkommen. Du kannst dich hier vorne hinsetzen, neben Lilly." Sie zeigte auf meine Nachbarin. Grinsend ging ich zu dem Platz.
"Guten Morgen, Süße!", flüsterte ich ihr zu, doch sie saß da, wie versteinert, und guckte stur geradeaus. Ich lachte in mich hinein. Das konnte ja noch lustig werden.

Der Unterricht war relativ interessant, sodass die Doppelstunde schnell vorbei ging. Nachdem es geklingelt hatte, packte ich meine Sachen und ging auf den Flur. Orientierungslos sah ich mich um. Dann entdeckte ich ein paar Jungs aus meiner Klasse. Ich ging zu ihnen.
"Hey Jungs!"
"Hi David. Kommst du mit zur Mensa?", begrüßte mich ein großer braunhaariger Typ.
"Ja, klar. Wie heißt du?"
"Ich bin James. Und das hier sind Leo und Mike." James zeigte auf seine Kumpels. Mike hob einmal kurz die Hand und wandte sich dann wieder Leo zu.
"Ja, kommt ihr jetzt oder was?", fragte James genervt.
"Ja, ist ja schon gut." Langsam bewegten wir uns in Richtung Mensa.
"Dave, du tust mir so Leid.", begann Leo.
Ich lachte verwirrt. "Wieso?"
"Du sitzt neben Momo."
"Wer ist Momo? Ich dachte in der Reihe sitzt nur Lilly?"
"Lilly ist Momo. Seit sie in der dritten Klasse mit der Schildkröte gesprochen hat, nennt sie niemand mehr Lilly. Alsoo, niemand hat sie je Lilly genannt.", stellte Leo lachend fest.
"Was ist denn mit ihr?"
"Sie ist komisch.", sagte Mike.
"Hat keine Freunde, weil sie den ganzen Tag zuhause sitzt und lernt.", ergänzte Leo.
"Sie hatte noch nie was mit nem Jungen. Körperkontakt ist bei ihr absolut tabu. Es wurden schon mehrere Wetten abgeschlossen, wer sie rumkriegt, aber es hat niemand auch nur einen Handschlag bekommen."
"Sie ist halt echt unbeliebt. Wenn du es einfacher haben willst, hier an der Schule, dann halt dich an uns drei.", riet mir James.
"Ich wette, ich würds schaffen.", sagte ich.
"Was?"
"Sie rumzukriegen." Ich zuckte mit den Schultern. "Zu mir hat noch nie jemand 'Nein' gesagt." Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen, bei dem Gedanken an die letzte heiße Nacht vor unserem Umzug.
Leo lachte los. "Ich wette mit dir, dass du es nicht schaffst. Lass uns einen hohen Einsatz machen und bring mir das Geld schon morgen mit. Du hast sowasvon verloren."
"Wir werden sehen. Beziehungsweise ihr werdet sehen."
"Momo ist wie ne Heilige, Mutter Theresa, ne Nonne. Such dir was aus!" Mittlerweile konnten die Jungs nicht mehr vor lachen. "Die wird niemals was mit nem Typen haben, wenn sie ihre Einstellung nicht ändert. Sie ist und bleibt der Sonderling."
Plötzlich lief jemand an mir vorbei und rempelte mich an. Überrascht sah ich der Person hinterher. Das war Lilly. Shit! Hatte sie etwa das ganze Gespräch mitgehört? Ich flüsterte den Jungs zu: "Seht zu und lernt. Ich werde gewinnen.", und machte mich daran, ihr hinterher zu laufen.

Lilly
"Lilly, warte mal!"
Ich spürte warme Finger um mein Handgelenk und blieb stehen.
"Was willst du, David?!" Genervt drehte ich mich zu ihm um.
"Hör auf so zu zicken. Ich wollte dir ein Angebot machen."
"Ein Angebot? Ach was du nicht sagst.. Ich kenne dich. Du bist genauso wie alle anderen!"
"Ich hab noch nicht mal angefangen zu reden. Sei doch einfach mal still und hör mir zu!"
"Schieß los!" Mit hochgezogenen Augenbrauen verschränkte ich meine Arme vor der Brust und verlagerte mein Gewicht auf das rechte Bein.
"Ich glaub, ich überlegs mir anders..."
"Jetzt sag endlich! Ich bin doch ruhig."
"Na gut.. Okay. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Du bist.. nun jaa.. du bist halt.."
"Komm zum Punkt, Dave!"
"Ja, du bist halt echt unbeliebt!"
Erschrocken schlug ich meine Hände vor den offenen Mund. "No shit, Sherlock?!"
"Okay, vergiss es! Mit dir kann man nicht reden."
"Red einfach weiter und lass deine Fakten da raus. Ich bin und bleib der Sonderling. Habt ihr gerade selbst gesagt. Du erzählst mir demnach grad nichts, was ich nicht schon wusste, also sag einfach was du willst."
"Ich kann dir helfen. Ich bin beliebt. Ich weiß, was dir fehlt. Du kannst den anderen richtig eins reinwürgen!" Zufrieden mit dieser Vorstellung klatschte er voller Elan in die Hände.
"Danke, aber.. Nein, danke!" Ich wollte mich umdrehen, doch David hielt mich fest. Ich sah in an und anschließend auf seine Hand. Schnell entfernte er diese von meinem Unterarm.
"Denk drüber nach, ja?"
"Wir werden sehen." Wieder drehte ich mich um und verschwand mit schnellen Schritten in Richtung Turnhalle.

Es war einmal ein Mauerblümchen...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt