Epilog

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Cyn schreckte hoch und sah sich im Raum um. Er brauchte einen Augenblick, bis er sich erinnerte, wo er sich befand. Seit etwa zwei Wochen hatte er unter freiem Himmel geschlafen, doch an dem vorherigen Abend war er in einem Dorf angekommen und hatte sich ein Zimmer in einem Gasthaus gemietet.

Seine Reise hatte ihr Ziel gefunden: der ehemalige Thronfolger. Cyn hatte erfahren, dass er noch lebte, und zwar kannte er den Jungen kaum, doch ein seltsames Band zog ihn zu ihm. Das Kind war mittlerweile fünf, vielleicht sechs. Wusste er von seiner Abstammung? Ersann er in so jungen Jahren schon Rache?

Cyn kannte keine Antwort darauf. Er hatte ihn noch nicht einmal gefunden und nur vage Gerüchte gehört. Mal sagte man, dass eine Familie das Kind aufgenommen hatte, mal sagte man, ein Gott hätte sich seiner angenommen.

Anhaltspunkte hatte er kaum, nur den Drang, nicht stehen zu bleiben.

Er wischte sich durch das Gesicht und versuchte, die Bilder, die sein Traum ihm eingeflößt hatte, zu vergessen. Riesige Gestalten, die mit hämischem Lächeln auf ihn niederblickten. Grinsen, dass zu einem Zähnefletschen wurde. Die Frage, ob sie ihn nicht töten sollten, da er doch unfähig ihnen gegenüber war. Schwach, schutzlos. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, hörte er Schreie.

Er schüttelte den Kopf, schlug die Decke zurück und erhob sich. Die Nacht war warm. Ein dünner Schweißfilm lag auf seiner Haut.

Wie von selbst fanden seine Füße den Weg zum Fenster, das er sogleich öffnete. Der Mond stand als Sichel am Himmel und versteckte sich teilweise hinter den Wolken. Ob sie ihn dort oben vermisst hatten? Ob seine Mutter ihn in ihre Arme geschlossen hatte, als er zurückgekehrt war?

›Sie werden ihn zerreißen‹, hatte Varjan gesagt. Falls es zu Kämpfen gekommen war, hatte diese Welt nichts davon bemerkt. Und vielleicht war Nilan sogar als Sieger hervorgegangen, da er doch noch am Himmel stand.

Ein Schatten sprang vor ihm auf das Fensterbrett.

Cyn taumelte und stürzte zurück. Instinktiv griff er nach seinem Dolch, doch seine Hand traf ins Leere. Sein Waffengürtel hing über einem Stuhl.

Doch er brauchte die Klinge gar nicht, denn der Eindringling stellte sich nicht als Monster heraus, das ihm sofort die Kehle aufreißen wollte. Im Gegenteil sogar, leichtfüßig kam der Besucher näher und schmiegte sich an Cyns Bein.

Cyn streckte seine Hand aus. Seidiges Fell streifte seine Finger und ein leises Schnurren ertönte.

»Was machst du denn hier?«, fragte er die Katze. Ein schwarzes Fellknäuel, aus dem ihm zwei gelbe Augen entgegensahen.

Die Katze antwortete nicht. Natürlich antwortete sie nicht. Sie sprang nur auf Cyns Schoß und rollte sich zusammen.

Ohne sein Zutun lächelte er. Die meisten Tiere flohen vor ihm und wollten sich ihm nicht nähern, geschweige denn von ihm anfassen lassen. Doch diese Katze blieb. Ihr Schnurren schickte Vibration durch seinen gesamten Körper und führte gleichzeitig Ruhe mit sich. So kurz nach seinem Albtraum hatte er seine Atmung und seinen Herzschlag wieder unter Kontrolle.

Nun zeigte sich nur ein anderes Problem. Er konnte sich nicht erheben. Die Katze hatte mittlerweile die Augen geschlossen und nutzte ihn als Kissen.

»Lässt du mich aufstehen?«, flüsterte Cyn und krauelte ihren Kopf.

Sie bewegte sich nicht.

»Wirst du weiterhin bei mir bleiben, wenn du jetzt bei mir bleibst?« Katzen suchten sich ihre Menschen. Sie waren unabhängig und banden sich an niemanden. Und doch beschlich ihn eine Ahnung, dass er am nächsten Morgen nicht allein aufwachen würde. Nicht zuletzt, da er sich an Nilans Worte erinnerte. Der Gott hatte ihm etwas geben wollen. Vielleicht einen Gefährten? Vielleicht diese Samtpfote?

»Hat Nilan dich geschickt?«

Wieder antwortete sie nicht.

»Wenn du bleibst, dann bekommst du einen Namen.« Cyn fuhr sich über das Kinn. »Thia?« Der Name war ihm wie ein Blitz gekommen und nun konnte er nicht mehr von ihm ablassen.

Die Katze öffnete ein Auge und musterte ihn, ehe sie es wieder schloss und weiterschlief. Auf ihrem Gesicht lag ein zufriedener Ausdruck.

»Dann ist es beschlossen«, sagte Cyn. »Thia soll dein Name sein.« Er stupste sie noch einmal an, um sie vielleicht dazu zu bringen aufzustehen. Doch sie rührte sich nicht.

Und damit seufzte Cyn leise und lehnte sich an den Bettpfosten. Er schloss die Augen und ergab sich seinem Schicksal.

Der Dieb und der MondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt