Die Nacht lag dunkel über der Welt, als sie den Wald verließen, und färbte die Wüste blau.
»Was ...« Cyn räusperte sich. »Was meinte Lehu? Und Kalik? Die Götter sollen davon erfahren, aber ... warum?« Er hatte eine Ahnung, sogar eine sehr deutliche, doch hielt an der Hoffnung fest, dass er sich irrte.
Nilan fuhr sich durch die Haare und sah zu seinen Füßen, die bei jedem Schritt im Sand versanken. »Ich habe viel Zeit bei den Menschen verbracht und einige Götter werden allein daher schon sagen, dass ich der Göttlichkeit nicht mehr würdig bin. Und nun ... die Tatsache, dass wir einander nah sind. Es wird vermutlich ein wenig schwieriger, mich oben noch durchzusetzen. Aber ich war ohnehin lieber für mich.«
Cyn schwieg. Er hatte einen Fehler gemacht. Er hätte es besser wissen sollen. Er hätte nie auf Nilan eingehen sollen. Er hätte der Stärkere sein sollen.
Doch die Vergangenheit ließ sich nicht ändern und die Zukunft sah ihm so düster und ungewiss entgegen wie die zerstörte Stadt, die sich bereits am Horizont erhob.
»Es tut mir leid«, brachte Cyn hervor.
»Es gibt nichts, das dir leidtun muss«, sagte Nilan. »Was passiert ist ... Es hat mir gefallen. Und ich bin gern bei dir. Ich hätte mir nicht vorstellen können, diese Reise mit jemand anderem zu machen. Ich habe so viel gesehen und gelernt und ... ich mag dich, Cyn.«
Cyn sollte sich besser fühlen, doch die flimmernde Wärme in seiner Brust wurde von kalten Wellen erstickt.
»Und außerdem haben mich die Götter zuvor schon gehasst. Eine Verfehlung mehr wird nichts ändern.«
Cyn fürchtete, dass es alles änderte.
Irgendwann krochen die Strahlen der Sonne über den Horizont und vertrieben die Nacht. Der Kampf zwischen Aruma und Awia war so alt wie die Welt selbst und würde noch weitere Ewigkeiten andauern.
Mit der Sonne kam die Hitze und sie machte den Sand zu einem glühend heißen Meer. Cyn wischte sich Schweißperlen von der Stirn und zog seine Kapuze über den Kopf.
Die Stadt in der Ferne schien kaum näher zu kommen. Nicht bis sich die Sonne wieder gen Horizont senkte und aus dem Tag einen Abend machte. Der Himmel flammte in Rot wie das Feuer, in dem Cyn die letzten Nächte Ruhe gefunden hatte.
Seine Schritte wurden schwerer, je dichter die Stadt kam. Trotz der Hitze zitterte er, trotz der Mauer, die er vor seine Erinnerungen geschoben hatte, überkamen ihn die Bilder.
Er wischte seine Hände an seinem Umhang ab, aber sie klebten trotzdem weiterhin nass.
Die Mauern lagen in Trümmern. Einst hatten sie einer jahrelangen Belagerung widerstanden, doch nun waren die Tore herausgebrochen und klaffende Löcher in den Stein gerissen.
»Ich war elf, als der Krieg ausbrach«, sagte Cyn. Er fuhr mit der Zunge über seine Lippen. Vom Staub waren sie rissig und spröde geworden. »Vierzehn, als einige Heerführer in mein Dorf kamen, um Jugendliche zu rekrutieren. Ich weiß nicht warum, aber ich fiel ihnen sofort ins Auge. Sie meinten, dass der Krieg nur noch wenige Wochen, höchstens einige Monate andauern würde. Wir hätten gar nicht an der Front, sondern nur im Lager sein sollen, damit das Heer größer schien, als es eigentlich war.«
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Der Dieb und der Mond
FantasyDer Mond ist gefallen und nun erfüllt er einmal im Monat den Menschen Wünsche - vorausgesetzt sie können es sich leisten. Cyn ist nicht bereit, sein hart erarbeitetes Gold dafür aufzuwenden, und entschließt sich, stattdessen den Mond zu stehlen. Doc...