- 02 / Avery -

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« ... Ich weiß nicht, ich meine ich hatte nur ein Date mit Jimmy und das lief nicht gerade gut. »

Eve, meine beste Freundin seit dem Kindergarten schnaubt ins Telefon, während ich mich abmühe meine Einkäufe nicht auf dem Boden meiner Wohnung zu verteilen. « Es war ein Date, Ave. Und der Club ist wirklich cool. Vielleicht solltest du dir einen Ruck geben. Ich gehe auf jeden Fall. Ich brauche ein bißchen Action. Mein neuer Job fordert mich wenig. »

Ihre Worte klingen in mir nach und ich gebe zu, daß sie nicht ganz Unrecht hat - zudem verdient jeder eine zweite Chance... Auch Jimmy, der sich bei unserem ersten Date von seiner schlechtesten Seite gezeigt hat. Er hat mit Daddy's Geld geprahlt und gedacht mich damit ködern zu können, aber da hat er weit gefehlt. Ein Mann braucht weitaus mehr als Zugang zu viel Geld um mich zu beeindrucken.

« Sag mir die Uhrzeit, ich werde da sein. »

Eve jubelt als ich ihrer Bitte nachgebe und ihre Freude schwappt allmählich auch auf mich über. Etwas abschalten und tanzen klingt gut und wenn Jimmy diesmal nicht komplett abschmiert kann der Abend tatsächlich interessant werden...

Um 22 Uhr treffe ich im Club ein.
Die Beleuchtung schwingt zum Beat des Dj's mit und taucht die Gäste in tiefes rot, was sie fast unheimlich wirken lässt. Ich bahne mir meinen Weg sobald ich Eve entdecke und entdecke Jimmy neben ihr, der mich mit einem grinsen begrüßt.

Anfangs bin ich etwas zurückhaltend weil ich doch denke das seine Marotten schon bald wieder durchbrechen werden, allerdings scheint er ernsthaft bemüht den Abend nicht wie das voran gegangene Date zu zerstören. Er schleift mich auf die Tanzfläche und hält mich dicht bei sich, wobei seine Hände meinen Körper langsam auf und ab gleiten. Tatsächlich genieße ich, wie er mich umwirbt, auch wenn seine Absichten immer klarer werden. Bevor er auch nur den Versuch starten kann mich zu küssen bringe ich etwas Abstand zwischen uns und entschuldige mich für einen Moment.

Ich brauche dringend eine Abkühlung.

Auf dem Weg zu den Toiletten spüre ich wie mein Handy in der Handtasche vibriert und denke schon das Eve mir geschrieben hat, runzle dann aber die Stirn als ich die Zeilen lese.

“DU SOLLTEST DICH VON IHM FERN HALTEN.”

In Großbuchstaben leuchten die Worte auf und ich runzle erneut die Stirn da ich keinen Absender entdecken kann, nicht einmal eine Nummer. Das ist ungewöhnlich und ich überlege ob sich jemand einen Scherz erlaubt, doch dann kommt bereits eine weitere Nachricht.

“GEH NACH HAUSE AVERY.”

Verdutzt sehe ich mich um, doch ich bin alleine. « Was zum Teufel... »

Ich halte das alles für einen Scherz, auch wenn ein kleiner Beigeschmack des Unwohlseins bleibt. Vermutlich will mich jemand bloß auf den Arm nehmen - also setze ich meinen Weg fort und befeuchte mein Gesicht, ehe ich zurück gehe. Plötzlich ertönt eine laute und schrille Sirene, die alles andere übertönt. Sofort erstrahlt der Club in nüchternem hellen Licht und die Musik verstummt während sich die ersten Security Mitarbeiter bereits verteilen und damit beginnen die Gäste hinaus zu begleiten. In der Hektik und dem Trubel kann ich Jimmy nicht entdecken, dafür aber Eve. Sie verdeckt ihre Ohren und kommt auf mich zu, murmelt etwas von Feuer und verdreht die Augen als auch wir hinaus geführt werden.

« Hast du Jimmy gesehen? » rufe ich ihr entgegen. Sobald wir an der frischen Luft vor dem Club sind sehe ich mich um, weil ich ihn in der Menschenmenge vermute. « Er war an der Bar als der Alarm los ging, aber seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen, Ave. Es wird schon alles in Ordnung sein. »

Ein ungutes Gefühl beschleicht mich, das der unbekannte Absender der Nachrichten damit etwas zutun hat - schließlich hat er mich aufgefordert, mich von Jimmy fernzuhalten. Ich halte es für unwahrscheinlich das Jimmy selbst mir diese Nachrichten geschickt hat. Die Spekulationen selbst nutzen mir gerade nichts und meine Partylaune ist ebenfalls im Keller, also schlage ich den Weg nach Hause ein, nachdem ich mich von Eve verabschiedet habe.

Was auch immer passiert ist... Jimmy wird sich sicher bei mir melden.

Zuhause angekommen verschließe ich die Haustür und werfe anschließend den Schlüssel in die kleine Schale auf dem Beistelltisch, direkt neben der Haustür. Achtlos streife ich die Schuhe ab und lasse sie liegen, gehe weiter voran bis zum Badezimmer und stelle die Dusche an während ich anfange meine Kleidung abzulegen. Das plötzliche vibrieren in meiner Handtasche lässt mich innehalten.

“BRAVES MÄDCHEN.”

Die zwei Worte brennen sich in meine Netzhaut und genervt werfe ich das Handy zurück in die Tasche. Wer auch immer dahinter steckt findet es wohl witzig und offenbar beobachtet er mich... Aber wie? War er oder sie auch im Club? Und woher soll UNBEKANNT wissen, daß ich tatsächlich nach Hause gegangen bin? So viele Fragen, auf die ich garantiert keine Antworten erhalte. Ich beschließe das alles zu ignorieren und mich damit nicht weiter zu beschäftigen, doch als ich aus der Dusche komme vibriert mein Handy erneut.

“SIEH HIN.”

« Was? Was soll der Scheiß... »

Und dann trifft mich der Schlag. Im Türrahmen des Badezimmers bleibe ich erschrocken stehen und blicke auf einen Umschlag der direkt vor mir liegt. Ich bin mir sicher das er nicht von mir ist, ich meine... Daran würde ich mich erinnern. Als ich nach Hause gekommen bin, hat er auch nicht dort gelegen... Oder?

Langsam bewege ich mich, bis ich die Haustür sehen kann. Ich bin sicher das ich sie verschlossen habe und keines der Fenster ist offen. Mein Kopf spielt mir verrückte Streiche das jeden Augenblick ein Monster um die Ecke kommt, doch ich nehme all meinen Mut zusammen und schaue nach, nur um festzustellen, daß ich alleine bin. Als das Handy erneut vibriert schreie ich erschrocken auf, mein Puls rast. Was zum Teufel ist hier los?

“ÖFFNE DEN UMSCHLAG.”

« Was ist das für eine kranke Scheiße? » zische ich, tue allerdings was der Unbekannte verlangt. Ich taste nach dem Umschlag, der schwer in meiner Hand wiegt und sehe mich noch einmal um, ehe ich ihn öffne. Zuerst fallen mir Bilder entgegen, dann rutscht ein gefalteter Zettel nach. Ich habe überhaupt keine Ahnung was los ist, falte das Papier vorsichtig auseinander und traue meinen Augen kaum als ich sehe was dort steht. Ein Auszug aus einer Akte der Polizei, vermerkt mit dem Stempel UNTER VERSCHLUSS bei der es eindeutig um Jimmy geht. Mehrere Einträge behandeln offenbar eingegangene Anzeigen gegen ihn, allesamt wegen Missbrauch und Körperverletzung. Verwirrt lege ich den Zettel zur Seite und greife nach den Fotos und schon dreht sich mir der Magen. Gesichter von Frauen, alle furchtbar zugerichtet mit Schnitten und blauen Flecken blicken mir entgegen. Manche von ihnen haben derart angeschwollene Lider das sie nur eines offen haben.

Wieder vibriert mein Handy.

“ICH HABE DICH GERETTET.”

Ich fluche und schiebe die Fotos von mir, kann nicht richtig verarbeiten, was ich gesehen habe. Wenn all das stimmt, dann ist Jimmy ein Verbrecher und der Vermerk seine Akte unter Verschluss zu halten kann nur bedeuten, daß eine Menge krummer Dinge im Hintergrund passiert sind. Hat UNBEKANNT mich also tatsächlich vor etwas grausamen bewahrt?

Eilig tippe ich eine Nachricht ein, denn ich will wissen wer mich beobachtet... Rechne aber nicht damit das die Nachricht überhaupt ankommt. Ich nehme die Fotos und den Zettel und schiebe alles wieder in den Umschlag, so vorsichtig als wäre es eine Bombe die bei der geringsten Erschütterung hochgeht.

Auch zwei Stunden später hat sich mein ominöser Retter nicht mehr gemeldet. Todmüde schleppe ich mich ins Bett, kann aber nicht wirklich ein Auge zu tun. Die Fotos gehen mir nicht mehr aus dem Kopf aber auch die Tatsache das mich jemand beobachtet lässt mein Herz höher schlagen - im negativen Sinne. Ich weiß nicht in was ich hier hinein geraten bin und bin auch ehrlich gesagt nicht sonderlich scharf drauf es herauszufinden, aber wie soll es weitergehen?

Langsam gleite ich in einen unruhigen Schlaf, begleitet von dem Gedanken auch jetzt beobachtet zu werden.

DARK VOL 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt