- 07 / Ric -

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Hätte ich jemals einen Psychiater aufgesucht und ihm von all den Dingen erzählt die ich getan hatte und von den Gedanken, die sich in meinem Kopf abspielten - er hätte mich weg geschlossen, den Schlüssel irgendwo im Meer versenkt und dafür gesorgt, daß ich nie wieder auch nur den Hauch einer Chance auf Freiheit hätte.
Ich war kein gebranntes Kind, hatte keine zerrüttete Familie oder grauenhafte Vergangenheit - im Gegenteil. Meine Eltern hatten immer dafür gesorgt das ich alles hatte, mir fehlte es nicht an Liebe oder Wärme.

Und doch war ich zu dem Bastard mutiert, den ich gerade im Spiegel anstarrte. Ich war zu dem Schatten geworden vor dem sich selbst die grausamsten Menschen fürchteten und ich hatte keine Skrupel sie auf jede erdenklich schlimme Weise leiden zu lassen. Für die Mädchen und Frauen die ich retten konnte war ich ein Held, für meine wenigen Freunde war ich ein Freak und der Rest hatte Angst vor mir.

Zu Recht.

Ich rieb mir die Müdigkeit aus den Augen und starrte wieder vor mich. Vielleicht war ich zu weit gegangen, vielleicht hatte ich eine Grenze überschritten - aber bei Avery funktionierte nichts von dem, was mich sonst in brenzligen, unangenehmen Situationen rettete. Mein Verstand setzte komplett aus und jetzt hatte ich sogar noch mehr worüber ich nachdenken konnte.

« Ich kann es kaum glauben das ich das sage aber du bist heute noch mürrischer als sonst. Willst du darüber reden? »

Jess stand im Türrahmen, hatte die Arme verschränkt und sich gegen den Rahmen gelehnt. Sie musterte mich wie ein Tier im Zoo und vermutlich hatte sie auch recht. Ich war ein verdammtes Tier. « Ist alles in Ordnung, oder...? »

Sie wusste das ich kein Interesse an einem tiefergehenden Gespräch hatte. Ich wollte ihr nichts von meinen Gedanken mitteilen, ihr nicht sagen das ich ein absoluter Mistkerl war.

« Es gibt ein neues Video. Du solltest es dir eventuell ansehen. Eugene arbeitet bereits seit Stunden daran den Ursprung herauszufinden. »

Das war gut... Alles daran. Ich hatte endlich etwas, ein Ventil, an dem ich mich abreagieren konnte.

Schmerzerfüllte Schreie füllten den engen Raum von Eugene während das Video abgespielt wurde. Er hatte sich bereits wieder in eine andere Richtung gedreht, weil er offenbar schon wusste was kommen würde. Ich hingegen schaute genau hin. Ich musste, denn ich brauchte diesen Hass.
Zehn Minuten lang hörte ich dem armen Mädchen zu, das mit einem Morgenstern immer wieder geschlagen wurde. Mehrere Kuttenträger liefen im Kreis um sie herum, stachen mit Messern zu. Hier und da erklang das zischende Geräusch einer Peitsche.

« Wird sie vermisst? »

« Wir sind dran... Kannst du... Kannst du das etwas leiser machen? Bitte? Ich ertrage das nicht. »

Jess' Gesicht war blass und sie bemühte sich die Tränen zu unterdrücken aber ich wusste genau was in ihr vorging. Dasselbe ging auch in mir vor, allerdings überwog der Wahnsinn all diese Schänder zu Tode zu quälen.

Als das Video endete lehnte ich mich zurück. Mein Kopf war wie leer gefegt und ich bekam keinen klaren Gedanken mehr zusammen nachdem was ich dort gesehen hatte. Sie folterten das junge Ding zum Spaß und nur Gott wusste was sie ihr noch angetan hatten. Aber vor allem wusste niemand, ob sie noch lebte.

« Ihr kennt eure Aufgaben. » murmelte ich. « Sie provozieren mich und ich werde ihrem Ruf folgen. Die Botschaft am Ende des Videos, an der Wand hinter dem Mädchen - die war für mich. Also findet alles raus was es über das Opfer zu wissen gibt, Eugene kann sich weiter damit beschäftigen herauszufinden wo das Video aufgenommen wurde und von wo aus es hochgeladen wurde. Ich kümmere mich darum aufbruchbereit zu sein. »

DARK VOL 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt