- 10 / Avery -

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Ich drehe fast durch.
Tagelang kein Lebenszeichen von Eve, nicht mal mein verrückter Stalker hat sich blicken lassen. Ich bin vollkommen alleine.

Krank vor Sorge mache ich nichts anderes als auf einen Anruf zu warten... Oder eine SMS... Irgendwas das mir sagt, das es ihr gut geht. Ich kann nicht richtig schlafen oder essen, von der Arbeit einmal abgesehen. Ich habe mich krank melden müssen, weil ich viel zu verwirrt und ängstlich bin.

Habe ich etwas übersehen?

Alles schien gut als wir im Club waren. Eve hat nicht den Eindruck erweckt das etwas nicht stimmt... Ich hätte trotzdem nachfragen sollen.

Tage vergehen in denen ich einfach nur so da sitze und das alles einzuordnen versuche. Die Meldung ihres brennenden Wagens lässt mich sprachlos zurück. Was in Gottes Namen ist passiert? Die Antwort darauf weiß nur Eve - oder derjenige, der bei ihr war.

Ein Gedanke kommt mir und ich versuche mich zu erinnern wie der Mann aussah, mit dem sie gegangen ist. Womöglich ist er der Schlüssel zu allem - sollte er nicht selbst wie vom Erdboden verschluckt worden sein. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen das sie sich spontan dazu entschlossen haben einen Trip zu machen - es ist nicht Eve's Art ohne ein Wort zu verschwinden. Zumindest wenn dem so wäre, hätte sie Bescheid gegeben.

Auf dem Weg zu ihrer Wohnung fühle ich mich unwohl, als würde mich jemand beobachten. Es ist nicht dasselbe Gefühl das ich habe wenn ich mir sicher bin das Alaric in der Nähe ist. Trotzdem marschiere ich weiter, denn ich bin auf einer Mission von der ich mich nicht abbringen lasse.

Ich benutze den Schlüssel den ich habe und betrete ihre Wohnung, die weitaus chaotischer ist als meine. Eve's Ausrede hierfür ist, daß sie das wahre Chaos lebt und sich nur so organisieren kann - mit Bergen voll Wäsche in der einen und Stapel von Zeitungen in der anderen Ecke. Hier und da finde ich auch einen Pizza Karton, was zum Gesamtbild des Chaos passt. Ich muss unweigerlich schmunzeln, doch das hält nicht lange an.
An einer Wand bleibe ich stehen. Viele Bilder, alle mit uns beiden, hängen dort. Sie dokumentieren unsere Freundschaft aber auch, wie wir allmählich erwachsen geworden sind. So gleich und doch so unterschiedlich. Wehmütig starre ich in Eve's Gesicht.

« Wo bist du? »

Meine Reise treibt mich weiter durch ihre Wohnung, doch ich finde keinen Hinweis. Nichts, was irgendwie darauf hindeutet das sie hier war oder was passiert ist. Es entpuppt sich als Sackgasse, was meine Hoffnung nur noch weiter schmälert, gleichzeitig aber dafür sorgt das meine Sorge in Wut umschlägt... Ich weiß das sie das niemals SO getan hätte - wenn ich also den Schuldigen finde...

Niedergeschlagen verlasse ich die Wohnung und kehre zurück in meine eigenen vier Wände.

Mit allem was ich habe versuche ich mich abzulenken. Ich putze und wasche, räume dann alles an seinen Platz und stolpere über etwas, das eigentlich gar nicht hier sein sollte - Alaric's Hoodie. Genau der, mit dem er mich zugedeckt hat, nachdem wir...

Ich kann es nicht mal benennen. Ich weiß was es war, kann dem ganzen dennoch keinen Namen geben. Was Eve wohl davon halten würde, würde ich es ihr sagen?

Seitdem er sogar Frühstück gemacht hat ist er wie verschollen - das liegt jetzt einige Tage zurück. Ich rede mir ein das er bekommen hat was er wollte und das ich womöglich jetzt für immer meine Ruhe haben werde aber wenn ich ehrlich bin weiß ich es besser. Mit dem Hoodie in den Händen überlege ich was ich nun tun soll - entscheide mich letztlich allerdings dagegen ihn erneut weg werfen zu wollen. Ich kann mir nicht vorstellen das er sonderlich begeistert wäre, wenn er ihn erneut da raus fischen müsste.

Als alles erledigt ist und ich wirklich nichts mehr habe das mich von meinen Gedanken abbringen kann lässt das summen meines Handys mich innehalten. « Wenn man an den Teufel denkt... »

... Aber falsch gedacht. Nicht Alaric ist es, der sich meldet. Es ist Eve.

Es sind nur vier Worte. Vier Worte, die aber alles noch verworrener machen.

"ES GEHT MIR GUT."

Ich will sie anrufen, doch sie drückt mich weg. Ganze drei Mal versuche ich es, gebe mich dann geschlagen und schreibe. Ich möchte mit ihr reden, erfahren wo sie war und bitte sie um nicht mehr, als mich verstehen zu lassen, was überhaupt los ist... Aber ihre Antwort wirkt aggressiv, fast bösartig.

"KÜMMERE DICH UM DEINEN SCHEISS UND HÖR AUF MICH ZU BEMUTTERN. ICH MELDE MICH WENN MIR DANACH IST."

Tränen schießen mir in die Augen. Seit wir uns kennen hat es hier und da wegen Kleinigkeiten schon mal Diskussionen gegeben, doch wir haben uns immer wieder zusammen gerauft. Ihre Worte jetzt zu lesen ist nichts anderes als ein Schlag ins Gesicht, so feindselig sind sie. Der Schmerz sitzt tief.
Schnell versuche ich mich zu beruhigen, kann es aber nicht aufhalten das ich haltlos weine und schluchze. Zittrig tippe ich eine Antwort ein.

"Ich hab mir Sorgen gemacht. Ich will dich nicht bedrängen und warte, bis du bereit bist mit mir zu reden, aber du sollst wissen das ich immer für dich da bin. Ganz egal wann oder weshalb. Ich hab dich lieb."

Eine Antwort darauf bekomme ich nicht und meine Angst verstärkt sich, weil ich das Gefühl nicht los werde, daß etwas nicht stimmt. Irgendwas MUSS passiert sein.

Mitten in der Nacht weckt mich der Ton meines Handys. Die Augen noch nicht mal vollständig geöffnet nehme ich den Anruf entgegen...

« Ave? »

Plötzlich reiße ich die Augen auf, bin hellwach. Eve's Stimme dringt leise flüsternd durch den Hörer und ich kann hören das sie weint. Sie wirkt panisch, was das laute keuchen nur verdeutlicht.

« Eve? Eve was ist los? »

Ich muss mit anhören wie sie bitterlich weint, setze mich auf und fange fast selbst an zu weinen, weil ich nicht weiß was los ist oder wie ich ihr helfen kann. Gebannt warte ich darauf, daß sie etwas sagt, doch Stille füllt den Platz zwischen uns. « Eve, sag doch was... Was ist los? Wo bist du? Rede mit mir, bitte. »

Ein Schrei zerreißt die Luft und ich halte instinktiv - oder eher aus erschrockener Panik - das Handy etwas von meinem Ohr entfernt. Die blanke Angst hat mich fest in ihrem Griff, ich bin wie erstarrt, kann mich keinen Meter rühren. « Eve? »

Dann ist die Leitung plötzlich tot. Ich versuche sie anzurufen, erreiche jedoch nur die Mailbox. Für einen kurzen Moment überlege ich die Polizei zu rufen, doch was genau soll ich denn sagen? Das die Frau, deren Auto abgebrannt ist mich weinend angerufen hat? Ich aber nicht einmal weiß wo sie ist oder ob sie in Gefahr schwebt?

Das wäre eine Möglichkeit, aber ich bezweifle das die Polizei auch nur einen Finger rühren wird... Sie haben mir schon nicht geholfen und die Wahrscheinlichkeit daß es nun anders ist liegt bei 0. Also bleibt mir nichts anderes als auf eigene Faust nach Antworten zu suchen, auch wenn ich noch keine Ahnung habe, wo genau ich überhaupt anfangen soll.

Dann fällt mein Blick auf den Hoodie... Und ich weiß was ich tun muss...

DARK VOL 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt